Nachdem ich dieses Jahr ja schon in Molsheim beim Marathon du Vignoble d’Alsace teilgenommen habe, ist mir natürlich auch der Marathon in Strasbourg und Kehl ins Auge gefallen, zudem gab es gleich zwei Berichte von Team Bittel – einen von Andrea und einen von Bernadette – das las sich alles recht gut. Noch dazu wenn man es mit einem Versuch bei Oma für den Nachwuchs kombinieren kann. Den Marathon gibt es noch nicht all zu lange, von daher ist auch die Teilnehmerzahl insgesamt überschaubar, noch dazu findet am gleichen Tag der Marathon in Frankfurt statt, was für viele der Abschluss der Laufsaison ist. Aber ich scheue ja doch ein wenig diese Mega-Veranstaltungen – wenn es schon mehr als 10 Minuten dauert bis man nach dem Startschuss über die Startlinie kann, dann weiß man dass man bei einer ganz großen, professionellen Veranstaltung dabei ist – wo wirklich auf alles und jedes geachtet wird. Für Bestzeiten sicherlich nicht verkehrt, aber ein wenig Flair drum herum darf es dann doch schon sein. Continue reading
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Stadtlauf und Kurzurlaub in Nürnberg
Es ist wieder Anfang Oktober, also höchste Zeit für mich wieder einmal nach Nürnberg zu reisen – denn immerhin habe ich jetzt schon 6 Jahre in Folge am Stadtlauf teilgenommen – jeder Jahr seit ich begonnen habe aktiv zu Laufen.
Zudem verbindet mich ob meiner zwei Praxissemester in Nürnberg doch auch noch einiges mehr mit der Stadt. Seit der Nachwuchs auf der Welt ist hat es nicht meht geklappt, in der fränkischen Metropole vorbei zu schauen – ganz im Gegensatz zu früher, wo ich im Laufe eines Jahres doch immer mal wieder in der Region und dann natürlich auch in der Stadt war.
Was liegt also näher, als nach knapp einem Jahr einen Kurzurlaub mit Familie und Stadtlauf zu machen. Definitiv eine neue Epoche für mich, denn vieles was bisher einfach so möglich war muss man mit einem Kleinkind doch etwas mehr planen. Das fängt schon beim Auto packen an – so voll war der Kleinwagen sonst nur zu Beginn der Praxissemester. Und in meinen Gedanken war die Fahrt früher auch schneller und entpsannter zu bewerkstelligen – momentan sind irgendwie ständig Baustellen und altersbedingte Geschwindigkeitsbegrenzungen. Früher fand ich die Strecke recht locker zu fahren, diesmal ist es einfach nur noch lästig.
Als Hotel haben wir nach den guten Erfahrungen vor zwei Jahren wieder das Five Reasons ausgewählt, das ist eine Mischung aus Hotel und Hostel – preislich echt super, zumal es bis zum Start/Zielbereich noch nicht einmal 300m sind. Einziger Nachteil sind die fehlenden Parkplätze in der Nähe – denn das Hotel richtet sich bewusst an die etwas jüngere Generation aus aller Welt – die reisen meist nicht mit dem Mitwagen an, sondern mit Flugzeug, Bus oder Bahn – alle Verkehrsträger sind recht gut an das Hotel angebunden, die U-Bahn liegt noch nicht einmal drei Gehminuten entfernt. Das Auto stellen wir daher nach dem Ausladen im P+R Parkhaus Herrnhütte ab – ähnlich wie ich das auch immer während meiner sonstigen Besuche gemacht habe. Mit einem Mehrtagesticket sind wir dann sehr günstig und flexibel unterwegs.
Den Donnerstag Abend nutze ich um einer altbekannten Location vorbei zu schauen – beim Gasthof „grüne Au – zum Brezn Wirt“ – dort habe ich einige Abende mit der Laufgruppe „Helgas Lauffreunde“ verbracht. Inklusive spannender Heimfahrten durch den Nürnberg Wald und um den Brunner Berg – Wildschweinrotten bei Nacht inklusive. Als Spezialität gibt es noch immer allerhand leckeres vom Buchengrill – ich esse wie fast immer die Spareribs.
Den Freitag beginnen wir gemütlich – mit eine Kaffee bei Black Bean, direkt neben dem Sportscheck – nach dem Frühstück kann ich dann auch gleich meine Startunterlagen abholen – da ich es diesmal vorab machen kann, habe ich sogar die Auswahl bei den T-Shirts, als Abwechslung nehme ich diesmal ein Singlet – auch weil die Temperaturprognose erwarten lässt, dass man nochmal ganz kurz laufen kann.
Bei einem kurzen Bummel durch die Stadt bleiben wir natürlich am Laden für Kinder und Jungebliebene (auch Lego Store genannt) hängen – sowohl der Nachwuchs als auch der Papa kommen nicht mehr aus dem Staunen heraus – und für beide gibt es zumindest noch eine Kleinigkeit.
Den Nachmittag verbringen wir im Tiergarten bei schönstem Wetter – zu meiner Praktikumszeit hatte ich es nie geschafft dort vorbei zu schauen, dabei ist ein Besuch sehr lohnenswert. Auch der Sohnemann ist von den verschiedenen Tieren sehr angetan. Während einer ausgiebigen Mittagspause mit Picknick beschließen wir, den geplanten Start der Lebkuchen-Saison ausfallen zu lassen. Traditionell mache ich zum Stadtlauf noch einen Abstecher zum Fabrikverkauf von Pfann. Während des zweiten Praxis-Semesters war ich dort ja schon Stammkunde. Wir werden daher wohl diesmal online bestellen und liefern lassen – es sei denn wir kommen in der Vorweihnachtszeit nochmal nach Nürnberg – noch wissen wir das nicht.
Samstag ist dann endlich der Lauf für mich – bereits beim 10km Lauf treffe ich mich mit einem alten Bekannten – Erwin Bittel (Lionheart) läuft auf wieder mit – wie immer als Besenläufer. Wir unterhalten uns kurz und machen noch einige Fotos. Bevor es für mich losgeht steht nochmal Fütterung der Raubtiere auf dem Programm – wie so häufig will es nicht so ganz flüssig klappen mit dem Füttern aus dem Gläschen. Es wird also ein klein wenig hektisch an den Start, aber es ist ja nicht weit bis an die Startlinie.
Kurz vor dem Start gebe ich Marion noch meine Jacke – auch wenn es im ersten Moment etwas frisch ist, mit dem Singlet, so ist mir doch klar: Mit Jacke wäre es zu warm. Wenige Minuten später fällt dann auch endlich der Startschuss – ich habe mich mal wieder viel zu weit hinten eingereiht wie ich feststellen muss: Der Pacemaker für 1:45 ist noch deutlich vor mir – und auch wenn ich weniger Zeit zum Trainieren hatte, viel langsamer als diese Zeit will ich eigentlich nicht laufen.
Daher starte ich auf den ersten Kilometern eine recht rasante Aufholjagd. Kurz nach Kilometer 1 hole ich einen andersfarbigen Läufer ein, der nicht wie alle anderen in orange läuft, sondern ein Trikot aus Biel trägt. Das habe ich auch im Koffer dabei, falls es mir noch zu einer Einheit auf meiner alten Laufstrecke gereicht hätte – allerdings nicht von diesem Jahr sondern von 2014. Wir unterhalten uns ein paar Takte, bevor ich mich seitlich rechts halte um am Prinzregenten-Ufer nach Marion mit der Kamera Ausschau zu halten. Leider hat es ihr wohl doch zeitlich nicht mehr ganz gereicht. Aber egal – denn ein anderes Ziel habe ich jetzt auch erreicht: Der 1:45 Pacer liegt hinter mir – und das Feld wird langsam lichter.
Die Strecke führt nun immer schön am Wöhrder See bzw. der Pegnitz entlang – kurz nach dem dritten Kilometer gibt es eine Versorgung vor dem Altenheim. Ich greife flugs bei Iso und Wasser zu, ohne das Tempo zu drosseln – zwischenzeitlich hatte ich schon gedacht auf der anderen Seite des Sees die Spitzengruppe gesehen zu haben, aber das wäre dann doch ein wenig verwunderlich. Es kommt die erste Steigung des Laufs, die Brücke über die Pegnitz in Richtung Business-Tower – ich lasse nicht locker und ich merke, dass die vielen Trainingseinheiten mit PULT und Scheinbuckeln(tm) Wirkung zeigen – ich werde fast nicht langsamer und noch dazu kann ich wie bisher Läufer einholen. Aber ich bin auch froh, dass es nun gleich wieder abwärts und in Richtung Innenstadt geht – die 180°-Kehre in der Strecke ist sehr markant wenn auch unangenehm zu laufen. Etwas mehr als 5km liegen schon hinter mir.
Ich habe mir für dieses Jahr kein festes Ziel vorgenommen, dementsprechend laufe ich wie ich mich fühle und vermeide ganz bewusst den hektischen Blick auf die Uhr um meine Kilometerzeiten zu ermitteln. Das klappt leider nur bedingt, denn heute läuft gefühlt jeder dritte Läufer mit einem sprechenden Smartphone herum, das jeden Kilometer ansagt wie schnell man gerade ist und welche Zielzeit das ergibt, zusammen mit weiteren Infos und etwas Werbung. Für mich ist das absolut lästig, wer es braucht soll diese Geräte und Software gerne nutzen, aber Kopfhörer sind noch vor den Smartphones erfunden worden und funktionieren sogar in Kombination mit diesen. Nur gut, dass sich das Feld weiter lichtet und damit die Abstände etwas größer werden.
An der Wöhrder Wiese steht die nächste Versorgungstation, diesmal gibts nur Wasser für mich. Wenige hundert Meter danach ist Foto-Shooting angesagt – Marion steht mit dem Nachwuchs an der Strecke, direkt bei Kilometer 7. Ein Drittel ist also schon gelaufen, das motiviert. Weniger motivierend finde ich, dass ich einige kleine Steinchen in beiden Schuhen habe – beim Ultra-Marathon wäre das ein klarer Fall: Anhalten, rausschütteln, Schuhe schnüren und weiter gehts – bei meinem aktuellen Tempo will aber meine Position nicht riskieren, also Zähne zusammenbeißen.
Es geht jetzt wieder in die Stadt hinein – über die Insel Schütt, auf den Nonnensteig zu. Dieser Anstieg ist bei vielen Läufern des Stadtlaufs berühmt berüchtigt – wobei ich sagen muss, dass er mit der kleinen Verschwenkung, die es seit einigen Jahren gibt, etwas entschärft wurde, wenn auch vor allem für den Kopf. Sonst freute man sich über das Kilometerschild 8 und sah direkt einem schnurgeraden Anstieg entgegen. Aber auch hier hat das Training seine Wirkung getan – schneller als ich es erwartet habe bin ich oben angekommen – direkt hinter der Lorenzkirche. Jetzt geht es erst einmal flach weiter durch die Innenstadt – vor der Kirche stehen viele Zuschauer und feuern lautstark an – in den folgenden Straßen wird es dagegen schon fast wieder einsam.
Die nächste markante Stelle ist am Sternentor – dort geht es aus der Bebauung in den Stadtgraben, kurz davor hat sich Heinrich positioniert und macht fleißig Fotos. Seinem Gesichtsausdruck und der Gestik nach schließe ich, dass ich recht flott unterwegs bin, er wirkt etwas überrascht mich so früh zu sehen. Aber jetzt heißt es für mich erst einmal konzentrieren, denn die Strecke führt auch aus dem Stadtgraben wieder hinaus – das sind nicht viele Höhenmeter, aber ich weiß wie diese sich anfühlen können. Aber ich bin scheints wirklich gut drauf und trainiert, denn auch diese Steigung kommt und geht einfach, ohne dass ich irgendwelche Problemchen oder Wehwehchen hätte.
10km liegen mit dem Durchlauf durch den Start/Ziel-Bogen hinter mir, die Bruttozeit zeigt etwas mehr als 47 Minuten. An der Versorgung greife ich nochmal ISO ab – auf die sonst übliche Banane verzichte ich. Ich überlege kurz ob ich es riskieren soll, noch einen Zahn zuzulegen, aber ich lasse dann doch recht schnell bleiben. Es läuft aktuell gut so wie ich laufe, jetzt auf Biegen und Brechen mehr zu wollen, das wäre wohl vermessen. Also laufe ich weiter so wie ich mich fühle – und ehe ich es mich versehe sind es nur noch 10km zu laufen – ich motiviere mich mit „a piece of Cake“ als Gedanken.
Die Strecke schwenkt wieder an die Pegnitz ein, diesmal auf einer leicht anderen Streckenführung als bei der ersten Runde – da sich das Feld hier bereits deutlich gestreckt hat, muss man nicht mehr zwingend auf der breiten Straße laufen, der landschaftlich deutlich schönere Fuß- und Radweg direkt an der Pegnitz reicht nun mehr als aus. Auf Höhe der Wöhrder Wiese stehen jede Menge Zuschauer und motivieren die Läufer – Marion steht mit der Kamera bereit und mach wieder Bilder – es reicht aber dennoch für ein kurzes Abklatschen.
Ich fokusiere mich auf die nächste Versorgungs-Station – dieses Jahr habe ich keinen Versorgungsgürtel bei mir und ich merke, dass jetzt gerade etwas Flüssigkeit gut wäre, aber so weit ist es ja auch nicht mehr – Kilometer 13 fliegt an mir vorbei und damit kommen auch schon die Helfer mit den Bechern in Sichtweite. Wasser und Iso gemischt gibt es für mich, kaum habe ich es getrunken, geht es mir auch gleich besser.
Jetzt nur nicht übertreiben, es sind ja noch ein paar Kilometer – aber ich hole noch immer Läufer ein, und das motiviert mich natürlich. Die Steinchen im Schuh werden aber auch nicht weniger – jeder Schritt tut ein klein wenig weh und ich merke, dass ich nicht gerade optimal auftrete. Aber jetzt lohnt es sich erst recht nicht mehr. Nach der Brücke geht es ja schon zurück – erstaunlicher Weise fehlt auch dieses Jahr die sonst übliche Zusatzschleife bei Kilometer 15. Nicht viel aber jedesmal lästig. Ich bin mir nicht sicher ob hier nicht etwas bei der Einweisung der Helfer schiefgelaufen ist, aber insgesamt wird es wohl schon stimmen. Noch 6 Kilometer, es geht schön flach entlang der Pegnitz, und ich versuche ein wenig mehr von der Stimmung mitzunehmen – denn das Wetter ist weiterhin traumhaft bei nahezu optimalen Lauftemperaturen.
An der Versorgung greife ich nochmal zu, es sind jetzt noch etwa 4km zu laufen und die beiden Steigungen in der City liegen noch vor mir. Aber auch in der zweiten Runde gelingt mit der Anstieg an die Lorenzkirche sehr locker – eventuell bin ich auch von der Volksmusik getrieben die dort zum Anfeuern (oder Abschrecken) aus einem Radio dudelt. Der härteste Anstieg liegt also hinter mir, jetzt nur nicht zu schnell werden, auch wenn es nur noch 3km sind.
Kurz vor dem Graben steht wieder Heinrich um Bilder zu machen, oberhalb des Grabens an der U-Bahn-Station hat sich Marion postiert. Ich mach durch reichlich Winken auf mich aufmerksam – weniger als 1km noch, und nur noch eine an und für sich harmlose Steigung hoch. Rum um die Haarnadelkurve und man ist auf der großen Zielgraden am Opernhaus – ich mobilisiere nochmal alles was ich habe und kann noch einige Läufer einholen, auch wenn diese das nicht so ohne weiteres zulassen wollen.
Ich fühle mich einerseits ausgepowered aber auf der anderen Seite denke ich: „Das wars ja schon …“. Am Ende stehen 1:34:39 als Netto-Zeit fest, für mich eine sehr respektable Zeit, ich bin mir nicht sicher ob ich jemals schneller war – egal ob in Nürnberg mit den Steigungen oder auf einem flacheren Kurs. Insgesamt bin ich 175er Mann im Ziel (insgesamt 183er) und in der Altersklasse reicht es für Platz 40. Ich überlege ob ich nächstes Jahr nicht doch mal explizit auf die 1:30h trainieren sollte, an die Spitze in meiner Altersklasse brauche ich aktuell nicht zu denken – da fehlen mir mehr als 15 Minuten. Nach dem Ziel kann ich mich dann auch endlich um die Steinchen in den Schuhen kümmern, ich habe mir bei der ganzen Aktion zwei dicke Blasen am Ballen gelaufen. Merke: Nächstes Mal wieder mehr Sorgfalt in der Vorbereitung…
Insgesamt ist der Lauf wie immer sehr gut organisiert und viele Teilnehmer nehmen nicht zum ersten Mal teil. Zudem hat bisher fast immer das Wetter mitgespielt. Zu verbessern gibt es eigentlich nur noch Details, so kam es mir an einigen Stellen vor, dass die Helfer nicht ganz ausreichend auf das eingestellt waren was da auf sie zukommt. Unter anderem Anweisungen länger auf der Straße zu laufen – sowas mag bei den langsameren Läufern noch halbwegs wirken, aber im vorderen Drittel bringt das rein gar nichts – hier läuft jeder möglichst nahe an der Optimal-Linie. Wenn das nicht die vorgesehene Strecke ist, dann muss entsprechend abgesperrt werden. Läufer sind hier absolute Herdentiere und es wäre ja auch fatal die Optimierungen nicht zu nutzen die ein anderer nutzt.
Nächstes Jahr bin ich selbstverständlich wieder mit von der Partie, dieses Jahr war es meine 9. Teilnahme in Folge (erstmalig war ich 2007 dabei) – ich habe dann also definitiv etwas zu feiern und einen zusätzlichen Ansporn für eine gute Zeit.
Marathon du Vignoble d’Alsace – Weinmarathon
Nachdem das Ultra-Event für dieses Jahr in trockenen Tüchern ist, galt es das Attest für Wettkämpfe in Frankreich noch sinnvoll weiter zu nutzen, wenn es schon nur ein Jahr gültig ist.
Da ein Teil der Verwandschaft im Elssas rund um Strasbourg beheimatet ist, lag es natürlich nahe dort einen Wettkampf zu suchen – außerdem ist die Fahrt dann nicht so lange. Zumal momentan dank Jobwechsel ohnehin nicht an eine Kombination Urlaub-Wettkampf zu denken ist.
Der Marathon du Vignoble d’Alsace ist so etwas wie das Pendant zum Weinstraßen-Marathon in Deutschland, an dem ich ja auch schon mehrfach teilgenommen habe. Beides Mal steht ganz klar die Region und der dort angebaute Wein im Vordergrund. In Frankreich noch etwas mehr als in Deutschland – wie man schon dem Programm entnehmen kann: Zusätzlich zu den regulären Versorgungstationen mit Wasser, Iso und Sportlernahrung gibt es bei diesem Wettkampf die gastronomischen Versorgungsstellen – jeweils mit einer lokalen Spezialität und dem zugehörigen Wein. Da wirkt das Angebot des Rieslings-Schwamms beim Weinstraßen-Marathon doch fast etwas kümmerlich. Insgesamt nehmen die Franzosen die Wettkämpfe in der Regel nicht so ernst wie wir es oftmals in Deutschland tun – dort steht viel mehr das Fest um die Läufe herum im Vordergrund. Auch aus diesem Grund wird häufig in Verkleidung gelaufen – beim Marathon du Vignoble werden die Läufer in Verkleidung sogar extra belohnt.
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Trail des Pyramides Noires – 105km durch die Abraumhalden
Es ist Mai, also die beste Zeit sich einen Ultra vorzunehmen, den einzigen für dieses Jahr. Man wird als Papa ja doch etwas bescheidener (im letzten Jahr waren es noch drei Läufe mit mehr als 42km).
Nachdem Marion ja angeregt hatte, ich solle doch mal einen Ultra in Frankreich laufen, ist mir der „Trail des Pyramides Noires“ (Trail der schwarzen Pyramiden) aufgefallen. Dieser fand dieses Jahr erst zum zweiten Mal statt, im ehemaligen Kohleabbaugebiet im Nord-Pas-de-Calais. Diese Region ist etwas bekannter geworden durch den Film „Willkommen bei den Sch’tis„.
Die Anreise aus Brüssel ist recht kurz, der erste Eindruck der Gegend ist gemischt – man sieht von weitem schon die Abraumhalden des Bergbaus und auch die deutlichen Zeichen, dass dieser nicht mehr der Motor der Region ist, der er einmal war. In gewisser Weise vergleichbar mit dem Ruhrpott in Deutschland. Startnummernausgabe und Ziel ist denn auch an einem ehemaligen Bergwerk, 9-9bis (Schacht 9 und 9.2) – das Gelände wird jetzt als eine Art Kulturzentrum genutzt. Das Wetter ist etwas windig und kühl – für den kommenden Tag versprechen die Organisatoren allerdings Sonne. Angeblich wäre der Lauf teurer geworden, wenn man für zwei Tage Sonne bestellt hätte. Insgesamt sind die Preise aber sehr moderat – 50 EUR für 105km und 1700 Höhenmeter.
Da es sich nicht um einen Rundkurs handelt, haben wir ein Hotel in der Nähe des Starts genommen, alternativ gibt es einen Bus-Shuttle vom Ziel zum Start. Abends versuchen wir noch den Start zu finden, das gestaltet sich schwieriger als gedacht. Ich habe zwar eine Karte von der Website mit der Kennzeichnung Parkplatz und Start. Dieser befindet sich angeblich am Kloster „Chartreuse des Dames de Gosnay„. Das finden wir dank Wikipedia dann auch samt Koordinaten. Allerdings ist das alles andere als ein Highlight, es ist eine große Ruine, total verlassen mitten im Nirgendwo.
Drum herum ist nichts, aber auch gar nichts davon zu erahnen, dass in einigen Stunden hier ein Lauf starten soll. Etwas weiter entfernt finde ich als einzigen Hinweis eine Streckenmarkierung mit Flatterband. Im Regen will ich dann aber auch nicht mehr weiter suchen. Verlaufen während dem Trail kann ja jeder – schon bei der Suche des Starts Probleme zu haben ist dann definitiv eine Stufe weiter.
Stattdessen gibt es noch etwas zu Essen – im Industriegebiet gibt es eine Gaststätte „Trois Brasseurs“ (Drei Braumeister) – da schlage ich nochmal bei den Kalorien zu, bevor die kurze Nacht beginnt – der Start ist um 4:00h in der Frühe.
Im Hotel gibt es in aller Frühe noch ein kurzes Frühstück, ich bin derart unter Strom, dass ich mir das vor lauter Aufregung gleich nochmal durch den Kopf gehen lasse – immerhin: die zweite Portion bleibt dann auch im Magen – ich hoffe nur, dass dies kein schlechtes Omen für den Tag ist.
Am Start sind tatsächlich jede Menge Läufer versammelt – geparkt wird im Wohngebiet – ich frage mich, was die Anwohner wohl von der Aktion mitbekommen. Vor dem Start gibt es noch ein kurzes Briefing, gut das Marion dabei ist – sie übersetzt für mich. Wobei die Angaben recht einfach sind: Weißes Flatterband oder orangefarbene Markierungen auf dem Boden zeigen an wo es langgeht. Ich komme auch dahinter warum die wohl noch im Dunkeln starten: Dann sieht man nicht so arg wie verfallen das Kloster ist. Pünktlich um 4:00h knallt dann auch der Startschuss und es geht los.
Im Dunkeln geht es durch eine Art Naturschutzgebiet – auf den ersten Anstieg zu – ich bin recht gut beisammen und reihe mich im Feld ein. Trail ist bei dem Lauf wörtlich zu nehmen – es gibt jede Menge „gescheite Wege! (tm by Jürgen)“ – quer durch den Wald oder Gebüsch- teilweise geht es nur hintereinander zu laufen. Es sind genügend Läufer unterwegs, über die Strecke muss man sich nicht übermäßig Gedanken machen, wobei wir beinahe an einer Abzweigung vorbei laufen – es ist ja ein Trail – warum also den Wirtschaftsweg auf die Abraumhalde hochlaufen, wenn man auch direkt quer den Hügel hoch kann? Da hilft teilweise nur Klettern. Oben belohnt dafür ein herrliches Panorama im Morgengrauen, bevor es, natürlich auch wieder direkt, den Berg runter geht.
Ich laufe in einer kleinen Gruppe mit, das macht die Orientierung etwas leichter, denn mit einmal stehe ich auf einer Straße und suche die Markierung – der eigentliche Trail geht kurz vor der Straße durch den Busch. Der nächste Hügel ist schon in Sicht – diesen geht es natürlich auch wieder direkt nach oben – und oben erst einmal entlang der Abbruchkante zwischen dem Krater und der Außenwand – zumindest meinen das fast alle und ich laufe daher hinterher – irgendwann fällt dann auf, dass keine Markierung mehr da ist, besser gesagt: Diese befindet sich im Kraterinnern, also rutschen wir zügig den Hang hinunter. Langsam fühle ich mich auf dem Trail wohl – es fühlt sich an wie Ulmer Laufnacht, nur das man gefühlt permanent bei Kilometer 80+ über den Truppenübungsplatz läuft. Kurze Zeit später mache ich nach einer Abzweigung dann auch nochmal Bekanntschaft mit dem Boden – es geht mal wieder durchs Gebüsch – direkt nach dem Einstieg ist aber eine kleine Bodenwelle – auf der komme ich dann zu liegen – nichts passiert, die anderen drum herum erkundigen sich kurz und schon geht es weiter.
Der Trail ist teilweise wirklich abenteuerlich – es geht quer durch den Wald, oder auch mal wieder einen Abhang hoch. An einer Stelle stehen wir kurzfristig auch vor einem Bach – ich denke schon, jetzt sei auch noch ein wenig Triathlon eingebaut, aber der Trail geht dann doch am Ufer entlang.
Nach den Hügeln und Trails ist jetzt erst einmal ein wenig Erholung angesagt – es geht teilweise durch die Bebauung – wie ich bemerke, muss das ein alter Bahndamm sein, den man als Wanderweg hergerichtet hat – angesichts der Geschichte der Region ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass es derer wohl einige gibt. Nur wenige Kilometer später befindet sich die erste der insgesamt fünf Versorgungsstationen, ich habe wenig Hunger und der Rucksack ist noch gut mit Wasser gefüllt – für die kommenden 20km sollte das reichen. Eine Straßenecke weiter wartet Marion – mir ist zu dem Zeitpunkt nicht ganz wohl und ich bekomme einen Hustenanfall, weil ich mich an einem Stück Banane verschluckt habe – der Magen rebelliert dann gleich nochmal mit. Ich bin kurz davor den Trail einfach abzubrechen, aber der Stolz überwiegt noch – aussteigen nach nur 16km kommt gar nicht in die Tüte. Also mache ich mich wieder auf den Weg. Mittlerweile ist es hell geworden und ich laufe durch die Felder in den Sonnenaufgang – das tut
einfach nur gut und gibt mir wieder Zuversicht.
Die Strecke führt wieder auf einer alten Bahntrasse entlang auf die nächste Abraumhalde zu – diesmal sind es zwei Hügel, die man in der Ferne schon sehen kann. Im Kopf klingt „eine Insel mit Zwei Bergen“ aus „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ dazu. Die alte Bahntrasse lässt sich gut laufen, auch wenn immer mal wieder ein paar Schleifchen (tm by Peter) rechts und links durch die Bewaldung führen. Auch gibt es immer wieder Höhenmeter, nämlich immer dann wenn früher mal eine Brücke für die Bahn existierte – diese sind abgebrochen und stattdessen gibt es Treppen – jeweils einmal runter und drüben wieder hoch, teilweise ist der Damm sehr hoch aufgeschüttet und es gibt Treppenstufen.
Die beiden Berge nähern sich, und es gilt die Bergwertung zu bewältigen – einmal an den Aussichtspunkt am „Terril No2“ hoch und wieder runter, den „Terril No3“ muss man nur am Fuß umrunden, aber da kommen auch schon wieder Höhenmeter zusammen. Danach gibt es wieder ein Erholungsstück – es geht erst durch die Bebauung. Dort zweige ich für kurze Zeit falsch ab, weil eine Markierung ungünstig angebracht ist – zusammen mit einem nachfolgenden Läufer finde ich das aber recht schnell wieder heraus und wieder auf die Trasse zurück.
Es folgt ein Stück durch ein Waldgebiet, richtig schön, auch wenn dort wieder einige knackige Anstiege warten – diese gehe ich ganz bewusst hoch und nutze die Chance etwas zu trinken und zu Essen. Diese Passage wäre wieder etwas für Jürgen, viele Trails quer durch den Wald. Dieser recht schöne Abschnitt endet mit der Unterquerung der Schnellstraße, es geht wieder auf eine alte Bahntrasse diesmal als kleiner Park angelegt – alles sehr ruhig. Kurz nach Kilometer 30 wartet dann der nächste schwarze Berg. Der Trail schlängelt sich danach direkt auf den nächsten zu, es geht also fast Schlag auf Schlag. Ich sehne ganz langsam aber sicher die Versorgungstation herbei, aber die lässt noch auf sich warten – im Gegensatz zu meinen bisherigen Läufen gibt es keine Kilometer-Schilder an denen ich mich orientieren könnte. Eine GPS-Uhr habe ich ja nicht – meine Pulsuhr funktioniert einfach immer noch super zuverlässig und im Training weiß ich wie lange die Strecken sind, entweder ich messe sie ab oder jemand hat ein GPS dabei. Für Notfälle habe ich mein Handy dabei, dort ist auch die Karte samt Track eingespeichert, aber ich will nicht extra anhalten um zu sehen wie weit ich bin.
Ein Streckenposten in den Feldern informiert dann aber, dass der nächste Versorgungspunkt nur noch 800m weg ist, am Ende der Felder sieht man schon das Haus dazu. An dieser Station tanke ich dann auch ordentlich auf – denn nun folgt eine längere „Durststrecke“. Kurz nach der Station steht Marion mit Glen. Ich übergebe ihr die Stirnlampe bevor ich weiterlaufe – die werde ich nun nicht mehr brauchen.
Es geht weiter durch die Felder – in der Ferne sieht man bereits einige der kommenden Hügel, aber noch sind diese weit entfernt. Der Weg ist anfangs noch ein breiter Wirtschaftsweg, aber er wird nach und nach zum Trampelpfad durch die Felder – reichlich zugewachsen und an einer Stelle kann man sich entscheiden ob man durch die Felder will, oder doch über die Bauschutt-Buckel auf der Strecke. So sonderlich finde ich diese Einlage nicht, es ist verdammt anstrengend zu laufen, aber nach etwas mehr als zwei Kilometern hat das auch ein Ende und es geht wieder durch eine Ortschaft hindurch – es fällt mir nach der Ortschaft zum ersten Mal auf, wie dreckig das Umfeld der Laufstrecke ist – entlang der Autobahn aber auch sonst liegen jede Menge ausgedienter und zerstörter Möbel und Elektrogeräte – kein Aushängeschild für die Region.
Auf ein erfolgreiches „Recycling“-Konzept geht es dafür als nächstes zu, einer der ehemaligen Abraumhügel wurde erfolgreich zu einer Ski-Abfahrtspiste umfunktioniert – aktuell natürlich außer Betrieb, aber dennoch eine kreative Nutzung. Drum herum klappt das Recycling anscheinend nicht – es liegt allerhand Müll entlang der Strecke herum – auch wenn das nur wenige Meter sind, so bleibt es mir doch negativ im Gedächtnis. Nach einer Treppe umrunden wir den Hügel – hier sieht die Natur schon wieder besser aus – zumindest ist der Müll nicht direkt auffällig und man tritt nicht ständig auf irgendwelche Plastiktüten. Dafür verpasse ich eine Abzweigung und laufe erst einmal den Hügel am falschen Ende hinunter, nur um dort keine Markierung zu finden. Also retour und wieder einreihen. Ärgelich aber nicht zu ändern.
Die Strecke führt nun wieder durch die Felder – noch immer laufe ich mit Jacke, aber es wird langsam richtig sonnig und warm, zumindest so lange man nicht wieder durch eines der Waldgebiete oder den Park läuft – dort ist es immer leicht windig und entsprechend kühl. Irgendwann kommt dann auch endlich die nächste Versorgungsstation in Sichtweite – Kilometer 51 an der Kirche in Grenay. Marion suche ich vergeblich, per SMS erfahre ich, dass sie noch Glen füttert. Dabei wäre jetzt die Reserve-Jacke echt hilfreich. Die bisherige ich klatschnass vor Schweiß. Kurzentschlossen packe ich sie in den Rucksack. Das verschwitzte Shirt wärmt zwar nicht und mir frösteltet etwas, aber ich hoffe einfach, dass es in den kommenden Kilometern wieder trocknet. Aus dem Ort hinaus sieht man schon die nächsten Hügel, die es zu erklimmen gilt. Diesmal auch wieder mit Kontrolle auf dem Gipfel, der Ausblick bei herrlichem Wetter ist wunderbar, leider habe ich keine Zeit ihn wirklich zu genießen.
Nach einigen Kurven den Hügel wieder hinunter geht es durch Liévin, ich gehe und stärke mich aus meinem Vorrat im Rucksack. Währenddessen versuche ich mit Marion einen Treffpunkt auszumachen, aber spätestens nach dem Passieren des Wasserturms von Liévin ist mir klar, dass es wohl nichts mehr wird vor der 74km Marke – denn die Strecke führt nun wieder auf Wirtschaftswegen und Trampelpfaden durch die Landschaft. Ich kann wieder einige Zeit gut joggen, die steileren Steigungen gehe ich allerdings konsequent nach oben. Nach Angres geht es in ein Naherholungsgebiet, das hat sich um einen der Abraumhügel herum entwickelt und ist richtig schön – man läuft durch den Wald auf einem ausgebauten Wanderweg bevor es den steilen Anstieg hinauf geht. Gefühlt kann die nächste Versorgung nicht mehr weit sein, ich nutze dennoch die Gehphase um zu Trinken und Gummibärchen verspeisen. Hatte nicht einer der Ordner etwas von Kilometer 66 gesagt – von dort wären es ja dann nur noch 8km gewesen, aber laut Uhr bin ich schon fast
wieder eine Stunde unterwegs – das will nicht zusammen passen.
Ich vermute die Station am Fuß der Abraumhalde, aber auch da taucht sie immer noch nicht auf – stattdessen geht es nochmal über einen kleineren Hügel und durch eines der Industriegebiete von Lens. Langsam werde ich unsicher: Habe ich die Station verpasst? Womöglich irgendwo eine Abkürzung genommen die ich gar nicht nehmen wollte, weil ich eine Markierung falsch interpretiert habe? Kurz nach dem Bahnhof kommen wir in einen Park und es wird mir zu bunt. Ich krame mein Handy aus der Tasche – Marion hat sich gemeldet – sie wartet und beschreibt einen Park mit einer Allee – das könnte hinkommen. Ich jogge etwas weiter, aber die Beschreibung passt nicht zu dem was ich sehe. Also öffne ich die Offline-Map (Locus-Maps ist ein klasse Tool, gerade im Ausland oder in Gebieten mit fehlender Netzabdeckung) – das erleichtert mich dann doch: Laut GPS bin ich auf der Strecke erst bei 73,2km – also noch etwa 800m plus etwas Toleranz. Also doch alles richtig – Erleichterung. Fast schon leichtfüßig jogge ich den letzten Anstieg vor der Versorgung hinauf.
Die Versorgung ist etwas größer, es gibt Musik und jede Menge Verpflegung. Ich schaufle Kalorien in mich hinein und lasse mir meinen Trinkrucksack auffüllen – der ist komplett leer, viel weiter weg hätte die Station also nicht mehr sein sollen. Marion bringt mir die Ersatzjacke – noch brauche ich die nicht, aber man weiß ja nicht was noch kommt an Wind. Zwischenzeitlich hatte sich die Wolkendecke auch mal etwas zugezogen, aber jetzt scheint wieder die Sonne.
Vor mir liegen noch 31km und laut Marion noch sieben Hügel (man könnte fast meinen man ist in Rom). Es folgt eine recht angenehme Strecke – es geht ganz leicht bergauf – vermutlich wieder eine alte Bahntrasse, aus dem Ort hinaus. Teilweise wird die Strecke mehr zur Übung für den Kopf als für die Beine, denn vor oder hinter mir sehe ich trotz sehr langer Geraden keinen einzigen Läufer. Dennoch stehen an fast jeder Querung Helfer, die den Verkehr regeln. Ein ganz herzliches Dankeschön dafür an dieser Stelle. Am Ende der Flachstrecke befindet sich natürlich wieder ein Hügel, direkt neben dem „Parc des Îles“ – ein Freizeitpark, der schön angelegt ist. Auf dem benachbarten Messegelände ist ein großes Drachenfest – mehr als 50 Drachen schweben dort in allen Formen und Farben in der Luft. Damit hat man trotz der Anstrengung etwas als Ablenkung – der Ausblick vom Plateau ist einfach wunderschön. Ich hole einen Läufer ein und ziehe mir dir Jacke über – der Wind hat ganz ordentlich aufgefrischt. Die Hügel sind mal wieder im Doppelpack – nach dem Gefälle zurück an den Park geht es natürlich gleich wieder hoch – erst durch die ausgetrockneten Staubecken, dann auf den Grat. Auf der Kuppe halte ich Ausschau ob nicht denn schon irgendwo das Ziel in der Ferne auszumachen ist. Ich müsste ungefähr 10km zurück gelegt haben, also noch ungefähr ein Halbmarathon liegt vor mir.
Steil geht es runter vom Hügel – der Trail schlängelt sich durch verschiedene Grünflächen der Stadt und die Industriegebiete – mal mehr mal weniger zugewachsen. Vor allem fällt mir negativ auf, wie viel Müll im Gebüsch liegt. Nach dem Unterqueren der Bahnlinie laufen wir auf den „Parc des Rescapés“ zu, der an das große Grubenunglück erinnert. Den sogenannten „Weg der Überlebenden“ sparen wir aus, auch wenn er irgendwie passend wäre vom Namen.
Nun folgt eine längere Strecke durch ein altes Abraumgebiet bzw. eine Brache – nicht unbedingt ein Highlight – zumal ich recht viel gehen muss, einfach weil mir die Engergie fehlt. Es geht in der Nähe des Klärwerks vorbei, das riecht man mehrere Kilometer lang auch entlang des Kanals der dorthin führt. Das wird recht schnell besser, als wir uns einem Park nähern. Der ist dann wieder ein echter Hingucker, inklusive Querung der Seen mit Brücke oder mit dem Springen von Stein zu Stein. Gefühlt müsste demnächst die nächste Versorgung auftauchen – nach einer Wiesenfläche sehe ich ein deutliches Indiz dafür: Unser Mietwagen steht seitlich auf einem Parkplatz. Keine 5 Minuten später stehe ich an der Versorgung bei Kilometer 94.
Ein letztes Mal greife ich bei Cola und allerhand Kalorien zu und lasse den Rucksack füllen. 11km und ein letzter Abraum-Hügel liegen noch vor mir. Die Streckenführung ist nun recht angenehm – eine ganze Weile am Kanal entlang. Mir gehen Erinnerungen durch den Kopf, an den Neckarkanal in Mannheim, aber auch an die Zeit als ich Nürnberg regelmäßig am Main-Donau-Kanal trainiert habe. Unterbrochen wird die flache Strecke nur durch das ein oder andere „Schleifchen (tm by Peter)“, damit man noch einige Höhenmeter mehr bekommt. Ich muss vergleichsweise viel gehen, da hilft es auch wenig, dass ich nochmal Energie aus dem Rucksack nachführe. Die Kilometerangaben für die Schifffahrt sind gut zur Orientierung geeignet: Ich orientiere mich daran, immer versuchen einen zu joggen, danach einen gehen, wie ein Laufanfänger es auch machen würde.
An einer Brücke geht es weg vom Kanal und anschließend über die Autobahn – noch immer sehe ich die Fördertürme von 9-9bis nicht – weit können die allerdings nicht mehr sein. Ich gehe schon wieder geraume Zeit, auch als ich das Ortsschild von Oignies passiere, dabei fällt mir unter anderem auf, dass Mutterstadt, ein Örtchen bei mir daheim um die Ecke Partnerstadt ist. Ein Läufer überholt mich und motiviert mich – es ist nicht mehr weit – laut seinem GPS noch 5km. Also raffe ich mich nochmal auf und trabe an. Es geht erstaunlich gut, anfänglich kann ich nicht ganz mithalten, aber es wird immer besser und als wir aus dem Feld wieder in den Wald kommen lasse ich ihn hinter mir – diesmal muss er gehen, er nimmt mir das allerdings nicht krumm.
In der Ferne ist Musik zu hören – das muss das Ziel sein, allerdings ist vor dem Ziel noch ein letzter Abraum-Hügel zu überwinden bzw. zu erklimmen – einmal hoch, Ausblick aufs Ziel erhaschen und wieder runter. Auf dem Hügel spielt eine kleine Kapelle – einfach genial. Der letzte Abstieg fällt vergleichsweise leicht, auch wenn die Knie zu verstehen geben, dass langsam genug sei. Über die Straße und dann auf den Zielbogen zu. Geschafft! 105km und 1700hm liegen hinter mir – Marion ist noch nicht da, ich war auf die letzten 11km deutlich schneller als gedacht. Keine Ahnung wie das geht, denn ich bin auch wieder viel gegangen. Ein Helfer nimmt mir den Zeitmess-Chip vom Schuh und ich hole mir meine Finisher-Jacke ab (es gibt kein Trikot sondern mal was sinnvolles). Während ich die Massage genieße trifft Marion ein. Ich begutachte derweil noch die Schäden am meinem Laufwerk – eine dicke Blase und eine Scheuerstelle – mehr nicht, das ist gut.
Ich löse noch den Gutschein für etwas zu Essen und ein Bier ein, zwischenzeitlich wird mir mal wieder kalt weil ich so ausgelaugt bin. Aber ansonsten ist alles ok, auch die Rückfahrt bis ans Hotel überstehe ich ohne Krämpfe. Am nächsten Tag gibt es dann auch die Ergebnisse online: 13:10:47 – damit auf Platz 23 insgesamt (gestartet sind 135 Läufer über 105km, angekommen sind 108). In der Altersklasse bin ich sogar auf Platz 9 gelandet.
Fazit: Der Lauf ist anspruchsvoll und hat durchaus seine Reize. Organisatorisch ist noch etwas Luft nach oben. Zumindest gelegentliche Kilometerschilder wären ganz nett, und auch eine klare Kennzeichnung des Startbereichs schon am Vortag wäre sinnvoll. Die Abraumberge sind Thema des Laufs und auch sehr schön zu laufen, wenn auch anstrengend. Weniger schön sind die Strecken durch die Industriegebiete und auch einige Trampelpfade könnten eine Entrümpelung vor dem Lauf vertragen. Das würde auch dem Image der Region entgegen kommen. Ob ich den Lauf gleich nächstes Jahr nochmal machen will, weiß ich noch nicht, aber irgendwann sicher einmal wieder. Unschlagbar ist auf alle Fälle das Preis/Leistungs-Verhältnis: Für 50 EUR gibt es 105km, 5 Versorgungstationen, atemberaubende Ausblicke und für die Finisher ein personalisiertes Jäckchen. Von daher kann man dem Lauf nur wünschen, dass noch mehr Teilnehmer sich dafür begeistern können und er nicht wieder in der Versenkung verschwindet.
Mannheim Marathon 2015
Schon praktisch so ein Marathon direkt vor der Haustüre bzw. direkt in der Region – auch in diesem Jahr habe ich mich wieder für den Mannheimer Marathon angemeldet – in gewisser Weise hat die Strecke für mich ja auch eine historische Dimension – mit der Teilnahme am Team-Marathon 2007 habe ich den Einstieg in die Laufszene gefunden. Seither bin ich in Mannheim immer mal wieder dabei gewesen, wenn auch nicht durchgängig – z.B. wenn der Wettkampf mit anderen Terminen kollidierte (z.B. die geplante Teilnahme in Biel, die dann auch noch ins Elbehochwasser gefallen ist …).
Seitens der Veranstalter lagen die Messlatten sehr hoch – im vergangenen Jahr gab es ein Debakel um fehlgeleitete Läufer, die Strecke war nicht eindeutig genug gekennzeichnet – nicht wenige Läufer liefen daher zu wenig, oder zu viel. Zudem gab es massive Kritik an der Streckenführung (die es aber auch bewerkstelligen musste, mit einem Kurs ein Angebot für Halb-Marathon, Marathon, Inline-Marathon und Handbike-Marathon zu vereinigen). Schon aus diesem Grund hatte ich ein Interesse an der Teilnahme.
Auch bei mir gab es Änderungen – seit ich Papa bin, habe ich mein Training mehr oder weniger eindampfen müssen – auch der persönliche Foto-Service durch meine Partnerin war damit nicht mehr so einfach möglich (wobei ich im vergangenen Jahr einfach viel zu schnell unterwegs war, im Vergleich zu dem was ich vorhatte …). Immerhin treffen wir uns vorher noch mit anderen Eltern aus der Krabel- und PEKIP-Gruppe – noch ein Papa läuft mit, wenn auch nur beim Team-Marathon (aber das ist ja die Einstiegsdroge wie ich weiß).
Der Start wurde verlegt – das Läuferfeld startet nicht mehr in Richtung Augusta-Anlage sondern aus der Augusta-Anlage heraus mit einer Ehrenrunde um den Wasserturm. Insgesamt keine schlechte Idee – allerdings sollte es um die Startblöcke herum auch noch Dixi-Toiletten geben, nicht wenige Läufer müssen vor Aufregung nochmal – ich mache daher noch einen Abstecher ins Kongress-Zentrum auch wenn das ein Umweg ist – aber ich habe ja genügend Puffer eingeplant. Der Start aus den Blöcken verläuft reibungslos – allerdings gibt es direkt nach der Startlinie in der ersten Kurve einen Stau – da muss nächstesmal noch nachgebessert werden.
Nach der Ehrenrunde geht es auf altbekannter Strecke durch die Augusta-Anlage gen Osten, die Sonne im Rücken. Meine Jacke habe ich dabei, aber ich binde sie mir recht bald um, trotz Wind ist es mir nach dem Start gut warm. Marion und Nachwuchs stehen noch in der Augusta-Anlage an der Strecke und feuern mich lautstark an. Kurz darauf überhole ich Jürgen aus meiner Ultra-Laufgruppe, er will diesmal nur einen lockeren Halbmarathon laufen. Den Pacemaker für 4:00h habe ich da auch schon überholt. Der Pacer für 3:45 folgt noch vor Kilometer 2 in der Nähe des Planetariums.
Ab Neuostheim geht es die neue Streckenführung entlang – über die A656 nach Neuhermsheim und dann durch die Gärten parallel zur Autobahn – die Büsche schirmen den Lärm doch recht gut ab. Das erste Zwischenziel kommt bald darauf in Sichtweite, die SAP-Arena – diesmal geht es nicht im Stockdunkeln hindurch sondern nur daran vorbei. Die Wechselstation ist einen knappen Kilometer später vor dem Maimarkt-Gelände – ich kann es kaum glauben, aber es sind schon 7 km gelaufen und ich bin in Sichtweite des 3:30h Pacemakers. Innerlich zögere ich noch etwas ihn zu überholen, aber nach mehreren Blicken auf die Pulsuhr wage ich dann doch denn Versuch.
Die Strecke führt durch die Felder der Einflugschneise des Flughafens (Hubschrauber-Anflug gibt es als Gratis-Dreingabe) auf Seckenheim zu. Dort treffen wir wieder auf die alte Streckenführung – der zusätzliche Haken im Industriegebiet von einigen wenigen 100m ist einfach nur lästig – da sollte man im kommenden Jahr mal versuchen ob man nicht an anderer Stelle die notwendigen Meter noch einfügen kann, ohne U-Turn.
Das Feld ist gut bestückt aber nicht mehr so dicht wie beim Start, als wir in Seckenheim durch die Badener Straße laufen – die Stimmung im Vorort ist wie immer absolut spitze – die Menschen stehen an der Strecke und feuern jeden Läufer an – so macht das richtig Spaß. Es ist fast schon schade wieder hinaus zu laufen – nun geht es erstmal der Sonne entgegen, die steht so ungünstig, dass man fast die Menschen am Rand nicht mehr wahrnimmt, nur noch als Schatten und das trotz Sonnenbrille. An der Versorgung habe ich noch versucht meine Flasche wieder aufzufüllen, aber das gestaltet sich bei dem Tempo doch etwas schwieriger als gedacht – mit ein zwei Bechern reicht es gerade mal für ne halbe Portion, danach ist man schon vorbei – von der Möglichkeit zudem noch etwas zu Essen abzugreifen mal ganz zu schweigen. Aber noch ist alles ok, und die nächste Versorgung ist ja auch nicht weit.
Die Strecke bis an die Wechselstation am Flughafen in Neuostheim zieht sich ein wenig, aber es stehen immer wieder Leute an der Strecke – auch Peter und Gudrun aus der Ultra-Laufgruppe feuern mich kräftig an. Die Strecke führt fast kerzengerade auf den Fernmeldeturm zu – dort erwartet mich ein persönliches Highlight, denn die DJK Feudenheim besetzt dort die Wasserstelle – entsprechend freudig werde ich begrüßt und bekomme Wasser gereicht.
In mehreren Kurven geht es nun wieder in Richtung Wasserturm – an den Kreuzungen stehen unter anderem noch meine Trainingspartner der DJK, die machen mir nochmal richtig Dampf – wenn die wüssten, dass ich eigentlich viel zu schnell unterwegs bin … kurz vor dem Wasserturm an der Versorgung greife ich eine ganze Banane ab – der inoffizielle Name der folgende Straße „Fressgasse“ bekommt da eine ganz neue Bedeutung. Bereits von weitem sieht und hört man diesmal die Aufteilung der Läufer in Marathonis und Teams sowie Halbmarathonis. Für die Halben geht es links ab, der Rest darf gerade aus weiter laufen.
Kurz vor der nächsten Kurve stehen dann auch meine Eltern und feuern mich lautstark an – für mich geht es jetzt ans Eingemachte der Pacemaker ist immer noch hinter mir – 20 km sind gelaufen – fast die Hälfte. Kurz vor der Halbmarathonmarke gesellt sich eine Duo-Marathon-Läuferin zu mir – ich laufe angeblich genau ihr Tempo mit um die 5 min/km – sie hängt sich also erst mal an mich dran – mir macht das nichts aus. Nach der Halbzeit geht es die erste nennenswerte Steigung hoch – nicht wie sonst über die Kurt-Schuhmacher-Brücke, sondern diesmal über die Konrad-Adenauer-Brücke nach Ludwigshafen. Der Ausblick auf den Rhein ist dennoch ganz gut, der Anstieg ist vergleichsweise kurz und knackig.
In Ludwigshafen geht es die Brücke hinunter und dann entlang des Rheins gen Süden – die Sonne ist gerade am untergehen und taucht die Szenerie in schöne Farben. Die nächste Steigung ist auch schon in Sicht, die sogenannte Schneckennudel-Brücke auf die Rheininsel in Ludgwigshafen – ihren Namen hat sie wegen der Bauform – auf beiden Seiten des Hafenbeckens schraubt man sich in 2 Kreisen nach oben bzw. wieder nach unten. Sieht aber schlimmer aus als es ist, auch wenn der Puls klar zu erkennen gibt: Das ist schwieriger als geradeaus laufen.
An der Uferpromenade des dortigen Neubaugebiets stehen jede Menge Leute – ein Kleinkind reißt sich los und rennt ohne sich umzuschauen quer über die Bahn und mir fast vor die Füße mit Mühe kann ich einen Sturz verhindern – die Eltern und der Filius bekommen von mir eine lautstarke Meinungsäußerung zu solchem Verhalten zu hören, das kostet aber auch Kraft. Auch wenn das nicht schön ist und vielleicht unangemessen wirkt, sollte der Veranstalter überlegen ob er hier im kommenden Jahr mehr Ordner oder gar Absperrungen einsetzt.
Die Strecke schlängelt sich noch etwas durchs Wohngebiet und quert wenig später wieder das Hafenbecken – diesmal ohne Steigung. Kilometer 26 liegt hinter mir als wir das Südwest-Stadion und somit die nächste Versorgung und Wechselzone erreichen – es ist immer noch vergleichweise viel los, was auch daran liegt, dass die Strecke von nun ab eine Pendelstrecke ist, der Wendepunkt liegt noch ca. 4km entfernt. Ein echtes Hindernis haben die Macher an der nächsten größeren Straßenquerung eingebaut – es geht einige Stufen hoch und über eine schmale Fußgängerbrücke, die ich absolut nicht im Kopf hatte – die kostet nochmals zusätzlich Kraft und Zeit aber noch läuft alles recht gut.
Durch den Stadteil Mundenheim stehen noch einige wenige Zuschauer an der Strecke – am Ende der Bebauung geht es unter der B44 hindurch – unter der Brücke ist es schon merklich dunkel – vorbei an der Großbäckerei Görtz – die haben schon die Produktion für Sonntag angefahren und über die Strecke weht ein Duft von frisch gebackenem Brot – darauf hätte ich in dem Moment echt Lust – aber es gibt leider keine spezielle Versorgung – immerhin in der Ferne ist schon Rheingönnheim zu sehen und vor allen Dingen zu hören. Die Stimmung dort ist wie immer super – viel Musik und jede Menge Leute an der Strecke – vor lauter Leuten sieht man die Kilometerschilder nicht und ich wundere mich ein wenig … nach dem Wendepunkt und etwas Wasser und Iso an der Versorgung geht es zurück in Richtung Ludwigshafen Zentrum. Dort taucht auch endlich wieder ein Kilometerschild auf – noch 11km. Also nur noch ein ganz kurzer Trainingslauf … dafür noch 3 Steigungen die mir auf Anhieb einfallen.
Unter der Brücke der B44 ist es jetzt stockfinster – etwas mehr Beleuchtung würde an dieser Stelle nicht schaden, auch wenn gleich dahinter die Straßenbeleuchtung wieder für Licht sorgt. Es laufen uns noch jede Menge Läufer entgegen unter anderem bekomme ich den 3:45 Pacemaker nochmal von vorne zu Gesicht – noch geht es mir gut – auch die kleine Fußgängerbrücke kann mich nicht mehr wirklich schocken – direkt am Fuß der selben steht ein Motivationsschild: 33km geschafft! Die Brücke ist scheinbar aber gar nicht für Läufermassen ausgelegt – während ich darüber laufen habe ich das Gefühl als würde sie wackeln wie der berühmte Kuhschwanz … kein gutes Gefühl, aber es sind ja nur wenige Meter. Nach der Brücke kann man schon die nächste Wechselzone sehen, es gibt nochmal Wasser und Iso für mich – ich hätte zwar auch gerne etwas zu Essen abgegriffen, aber ich bin einfach zu schnell.
Das mit dem Essen rächt sich denn auch recht bald – bis Kilometer 34 zieht sich die Strecke gefühlt ewig – kurz nachdem wir wieder auf der Rheininsel sind bekomme ich dann auch den Hinweis, dass ich deutlich langsamer geworden bin – jetzt nicht mehr um die 5 min/km sonder deutlich darüber. Aber ich kann nicht mehr viel schneller – es fehlt mir die Energie. Ich lasse die Duo-Marathon-Läuferin ziehen – immerhin hat sie ja 19km weniger in den Beinen als ich, da hätte ich auch noch Energie.
Neben mir rauscht der Rhein entlang, an einigen wenigen Stellen der Promenade stehen noch Zuschauer, diese sind aber auch noch voller Energie und feuern jeden Läufer an – einige Team-Läufer überholen mich zügigen Schrittes – unschön und frustrierend aber nicht zu ändern. Der Abzweig zur Schneckennudelbrücke ist nicht gut gelöst – von der Promenade mit ihrer Beleuchtung geht es ins Dunkle hinein und den Rheindamm hoch – zwei Polizisten mühen sich mit Taschenlampen ab den Weg halbwegs auszuleuchten – hier muss im kommenden Jahr definitiv eine Beleuchtung hin. Direkt danach und somit doch recht überraschend kommt die nächste Versorgung. Ich greife bei Iso und Cola zu, das gibt immerhin wieder einen Schub. Die Brücke meistere ich erstaunlich gut, das von mir befürchtete Chaos mit entgegenkommenden Läufern bleibt aus – die sind alle schon durch. Nach der Brücke sind es noch 5 km bis ins Ziel – man kann Mannheim auf der anderen Seite des Rheins schon sehen. Ebenfalls sieht man auch die Konrad-Adenauer-Brücke, die es nochmals zu erklimmen gilt …
Ich kämpfe mich vorwärts – „es ist ja nicht mehr weit“ wird zu meinem Mantra für die letzten Kilometer. Vor der letzten Steigung steht nochmal eine Versorgung – komischerweise aber keine Kilometerangabe mehr – zumindest keine die ich wahrnehme. Ich kippe nochmal ne Mischung aus Cola und Iso in den Rachen (und teilweise auch aufs Trikot). Dann nehme ich die Steigung in Angriff und siehe da, es geht und ich kann sogar noch Läufer einholen.
Die letzte wichtige Steigung ist überwunden, jetzt folgen nur noch „Scheinbuckel“ – aber erst mal gibts noch Sightseeing – einmal vorm Schloss in Mannheim vorbei und durch den Ehrenhof – an der Versorgung gibts nochmal Wasser – noch immer habe ich kein Kilometerschild gesehen, aber gefühlt sind es noch 3 oder weniger Kilometer – kurz nach dem Schloss, an der Uni-Mensa steht dann endlich das erlösende Schild: 40km sind geschafft. So langsam bereite ich mich auf den Endspurt vor – mahne mich aber, es nicht zu übertreiben – die allerletzte kleine Steigung vor der alten Sternwarte ist auch geschafft – jetzt ist alles topfeben. Vorbei am Amtsgericht und Stadthaus auf die Zielgerade in der Kunststraße – noch 1km. Ich sauge mich nach und nach an die verbliebenen Läufer heran – das Publikum wird immer mehr, am Wasserturm ist richtig Stimmung – es trägt mich um den Friedrichsplatz zum Ziel.
Warum der Moderator gerade ausgerechnet als ich einlaufe eine Schwächephase hat und Helene Fischer mit „Atemlos“ spielen muss, ist mir ein absolutes Rätsel – denn ich bin noch mehr als gut bei Puste als ich die Ziellinie überquere. Gleich darauf der Blick zurück auf die Uhr und eine riesige Freude: Brutto 3:28:21 zeigt die Uhr wenige Sekunden nachdem ich über die Matte bin – die 3:30 ist also endlich gefallen – neue persönliche Bestzeit.
Nach der Versorgung und etwas Pause mache ich mich auf den Weg zu meinen Eltern – ich bin (wie schon häufiger) völlig ausgepowert und mir ist anfänglich richtig kalt – aber mit jedem Schritt wird es wieder besser. Beim Blick auf die Ergebnisse kann ich es dann fast nicht glauben: Angeblich bin ich in 3:11h den Marathon gelaufen – zu gut um wahr zu sein. Das kommt mir noch etwas komisch vor. Am nächsten Tag hat sich die Lage dann geklärt – wie es aussieht wurden versehentlich prognostizierte Daten angezeigt – denn wenn ich mit dem Durchschnitt bis zur letzten Zwischenmatte in Rheingönnheim bei Kilometer 31 weiter gelaufen wäre, hätte es auch für die 3:11 gereicht … aber netto sind es immer noch 3:26 und man braucht ja neue Ziele – die 3:20 oder die 3:15 sind die nächsten Kandidaten – und das obwohl ich dieses Jahr weniger trainiert hatte – allerdings war ich eine Woche vorher auch nur einen Halbmarathon laufen und nicht zwei Wochen vorher 73km über den Rennsteig – wer weiß inwiefern das eine Rolle spielt.
Weltkulturerbelauf Bamberg 2015
Nur alle zwei Jahre findet der Weltkulturerbelauf in Bamberg statt – jedes Mal ist er dafür innerhalb weniger Stunden komplett ausgebucht, wegen der engen Gassen gilt ein Teilnehmerlimit. Um so schöner, dass es auch dieses Jahr für mich geklappt hat einen der begehrten Startplätze zu ergattern. Ist es doch der Traditionslauf für „Helgas Lauffreunde“ – die kleine Laufgruppe mit der ich einstmals „Laufen gelernt“ habe.
In zwei Jahren ändert sich eine Menge – bei der letzten Teilnahme war noch nicht einmal zu erahnen, dass ich Papa sein werde – daher habe ich diesmal auch meine Familie persönliche Support-Crew dabei. Damit es etwas weniger stressig wird, haben wir auch noch einen Zwischenstopp bei meiner Schwester in Würzburg eingeplant – dank Feiertag bietet sich das natürlich an. Für weitere Entspannung sorgen Helga und Heinrich von Helgas Lauffreunde – sie holen für die Gruppe schon am Vortag die Startunterlagen ab – somit müssen wir nicht schon vor Mittag in Bamberg sein, nur um die Unterlagen zu holen. Noch etwas hat sich verändert: In Bamberg wird fleißig gebaut: Zielsicher steuere ich (wie bisher immer) das P+R Parkhaus Breitenau an (direkt an der Autobahn, von dort mit dem Shuttle-Bus ist der Plan) – nur leider existiert das Parkhaus nicht mehr … stattdessen gibt es eine Parkmöglichkeit im Industriegebiet vor einer großen Baumarkt-Kette und von dort einen Shuttle – wer die FAQ vorab liest ist klar im Vorteil.
Und noch ein Novum gibt es, allerdings eines der weniger erfreulichen Art: Zum ersten Mal haben wir beim Weltkulturerbelauf schlechtes Wetter. Schon auf der Anfahrt hat es immer wieder Schauer gegeben, aber im Gegensatz zu den vergangenen Malen will es auch bis Bamberg nicht aufhellen – sonst hat es immer geklappt: Egal wie widrig das Wetter auf der Strecke war, zum Lauf war dann alles sonnig.
Bereits am Shuttle-Bus treffe ich Robert von der Laufgruppe, gemeinsam ziehen wir durch Bamberg zur Umkleide, dort trennen wir uns erst einmal, denn ich habe mich bereits am Auto umgezogen. Wir finden bei der Gelegenheit gleich passende Stellen für den Fan-Tross (Mama und Sohnemann) zum Anfeuern bei ca. Kilometer 17. Am vereinbarten Treffpunkt am Start warten bereits Helga und Heinrich. Übermäßig viel Zeit für einen Schwatz und Austausch haben wir nicht, auch nach dem Lauf werden wir uns angesichts des Wetters wahrscheinlich nicht wieder treffen (im Wind kühlt man doch sehr schnell aus und eine Erkältung will sich keiner holen). Außerdem habe ich wie immer das Problem den letzten Shuttle-Bus noch zu erreichen, der fährt um 19:00h, der Halbmarathon startet als letzter Lauf um 15:30. Wenn man von einem langsamen Läufer ausgeht der ca. 3h für die Strecke benötigt wird es mit Bekleidung abholen und Duschen doch recht knapp – zumal die Wege zwischen den Stationen in Bamberg nicht unbedingt die kürzesten sind. Hier wäre es schön wenn der Shuttle-Bus auch noch länger verkehren würde – dann würde ich mir auch überlegen den Abend noch in Bamberg zu verbringen. Kurz vor dem Start noch ein Gruppenfoto, dann versuchen wir uns im Startbereich aufzustellen – ich komme nicht so weit vor, wie ich das gerne würde, angepeilt habe ich etwas um die 1:45h als Zielzeit, im Startpulk komme ich allerdings gerade so bis auf Höhe des Blocks 2:00h, danach ist es einfach zu dicht. Aber dank Netto-Zeitmessung ist mir das ja eigentlich egal und am Anfang sind die Wege noch breit genug, dass ich ggf. auch überholen kann.
Der Startschuss kracht und es tut sich erst einmal gar nichts … es dauert fast 9 Minuten bis ich über die Startlinie komme. Durch den schmalen Durchlass verteilt sich das Läuferfeld danach aber recht gut – man kann sich in aller Ruhe „einsortieren“. Ehe ich es mich versehe ist der erste Kilometer an mir vorbeigeflogen und es geht die erste Steigung hinauf – an der Strecke selbst ist trotz des immer noch regnerischen Wetters jede Menge los – die Leute lassen sich die gute Laune einfach nicht verderben – ganz getreu dem Motto: „Es gibt kein unpassendes Wetter, nur die falsche Bekleidung“. Das erste Zwischen-Ziel in Bamberg ist für mich (und viele andere) immer die Altenburg – die höchste Erhebung der gesamten Strecke (etwas mehr als 380 Meter über N.N. also rund 140 Höhenmeter gegenüber dem Start) auf dem Weg dorthin gibt es aber bereits einige An- und Abstiege – an die meisten kann ich mich noch erinnern und von daher die Kräfte richtig einteilen. Die Altenburg verschwindet fast schon in den Wolken – über dem Läuferpulk steigt auf dem letzten Anstieg gut sichtbar Dampf auf – auch ich bin nach den 5km auf Betriebstemperatur gekommen.
Nach der Burg geht es erst einmal entspannt bergab – gut dass ich mittlerweile regelmäßig im Odenwald trainiere – so fällt mir das bergablaufen vergleichsweise leicht und ich kann weiterhin jede Menge Läufer überholen. Es geht wieder in die Bebauung von Bamberg hinein – diverse Kurven und Steigungen inklusive – hier kommen mir einige „neu“ vor bzw. ich hatte sie so nicht mehr im Gedächtnis. So etwa den Kilometer 7 – dort ist immer Stimmung und jedesmal ein anderes lustiges Plakat – diesmal mit der Aufschrift „Ziel …. in 14km“ – und es stehen trotz Nieselregen immer noch fast überall Menschen an der Strecke. Andere Stellen hingegen habe ich in bester Erinnerung unter anderem den Ausflug über die Insel zwischen den Regnitz-Armen.
Nun folgt eine lange flache Passage – es geht entlang der Regnitz in den Luisenhain – insgesamt ist das der eher ruhige Teil der Strecke, nachdem man in den Gassen an jeder Ecke angefeuert wurde. Ich mache mich schon auf einen langwierigen, nassen bis eintönigen Teil gefasst (auch wenn mir etwas Ruhe und ein gleichmäßiger Untergrund gerade ganz recht sind). Aber weit gefehlt – auch im Luisenhain trotzen etliche Menschen dem schlechten Wetter und feuern die Läufer lautstark an – da merkt man als Läufer fast nicht mehr, dass es regnet – echt eine super Atmosphäre.
Kurz vor dem Inselspitze zwischen den beiden Regnitz-Armen erreiche ich Kilometer 11 – in diesem Jahr fliegen die Kilometer nur so an mir vorbei – ich kann mich erinnern, dass ich mich schon deutlich mehr gequält habe. Kurzer Blick auf die Pulsuhr – alles ok und die Zeit ist absolut im Rahmen – Bestzeit ist angesichts des Strecken-Profils ohnehin nicht zu erwarten. Kurz vor der Schleuse ist nochmal ein echtes Highlight an der Strecke: eine Samba-Band trotz dort dem widrigen Wetter und heizt den Läufer und sich selbst ganz ordentlich ein. Danach schwenkt die Strecke parallel zur Regnitz ein – am Ufer entlang geht es wieder in Richtung Bamberg-City. Auch hier ist die Stimmung großartig – immer wieder Menschen an der Strecke die einen weiter antreiben. So fliege ich auch am Kilometer 14 vorbei – zwei Drittel und die Zeit ist immer noch super.
Langsam aber sicher nähert sich die flache Phase des Laufs ihrem Ende – es geht weg von der Regnitz, ganz leicht bergauf – noch etwas mehr als 5 Kilometer liegen vor mir. Diesmal klappt es auch mit dem Abgreifen des Rauchbieres, das es kurz nach Kilometer 16 gibt – an der Versorgung sind diesmal transparante Becher im Einsatz – man kann also zielstrebig den richtigen Tisch ansteuern und einen Becher mit dem leckeren Iso-Getränk greifen. Sonst habe ich immer nur das Ende des Tresens erwischt – dort gibt es aber nur Wasser. Das nehme ich diesmal aus der Gürtelflasche, denn etwas zum Runterspülen brauche ich dann doch. Über die Kettenbrücke geht es in die Altstadt – am Kilometer 17 halte ich Ausschau nach dem Fan-Block, aber der ist nicht da – ich vermute, dass ich mal wieder „zu schnell“ war, der Blick auf die Uhr bestätigt mir das für den Moment auch erst einmal. Nach einigen Kurven sehe ich immerhin nochmal Heinrich an der Strecke stehen, er macht fleißig Fotos. Noch etwas mehr als drei Kilometer sind zu bewältigen. Ich weiß aus Erfahrung, dass der Lauf ein „dickes Ende“ hat: Kurz vor dem Ziel geht es nochmal den Bischofsberg hoch – nur etwa 20 hm hoch und auch wieder runter – aber man hat ja auch schon einige Kilometer in den Beinen, noch dazu jede Menge Kopfsteinpflaster.
Aber ich bin gut trainiert und nehme die Steigung ab Kilometer 19 dann doch recht gelassen hin (auch weil ich weiß, dass sie bald ein Ende hat) – als Ultra-Läufer habe ich dann auch noch die notwendigen Konditionsreserven um direkt nach der Steigung wieder anziehen zu können – kleinere Senken nutze ich gekonnt zum Schwung holen soweit das irgendwie möglich ist. Runter vom Berg und rein die Menschenmassen: Ab Kilometer 20 ist die Strecke komplett mit Menschen gesäumt – noch immer ist das Wetter feucht und es nieselt, aber die Stimmung kocht derart, dass man fast meint die Regentropfen kommen erst gar nicht am Boden an. Ich setze zum Schlusssprint an und sauge mich noch an eine ganze Menge Läufer heran – nur noch die Kurve am Marktplatz und durch den Zielbogen. Die Zieluhr zeigt brutto 1:48 an – da kann ich echt zufrieden sein.
Die Versorgung im Ziel ist wie immer in Bamberg ausgezeichnet – Obst, Gebäck und alkoholfreies Weizenbier – da bleibt kein Wunsch offen. Bei schönem Wetter warte ich sonst im Zielbereich auf die weiteren Läufer von Helgas Lauffreunden, aber diesmal wird mir bereits nach 10 Minuten im Regen und Wind doch etwas kalt und ich mache mich auf den Weg zur Umkleide. Dort wartet bereits Marion auf mich. Flugs duschen und dann wollen wir eigentlich nur noch heim – das Wetter ist noch etwas ungemütlicher geworden.
Auf dem Weg zum ZOB für den Shuttle-Bus sehen wir noch den letzten Läufer auf der Strecke (er wird am Ende etwas länger als 3h brauchen) – am Shuttle-Stopp ist es rappelvoll – wir lassen zwei Busse fahren, beim dritten zwängen wir uns samt Kinderwagen mit hinein. Es ist mir irgendwie unverständlich, dass die Verkehrsbetriebe in Bamberg alle zwei Jahre mit dem Ansturm der Läufer überfordert sind – zwei Shuttle-Busse zu den zwei P+R-Möglichkeiten sind zu den Spitzenzeiten einfach zu wenig. Getopt wird die ganze Sache dann nur noch durch den Kreislauf-Kollaps einer Teilnehmerin im Bus – gut das ich auch ausgebildeter Ersthelfer bin, auch wenn ich auf die Aktion mit samt Nothalt des Bus gerne verzichtet hätte. Wenige Minuten später geht es ihr schon wieder besser und die Fahrt geht weiter bis an den Parkplatz.
Fazit: Auch bei schlechtem Wetter ist in Bamberg die Stimmung beim Lauf erstklassig. Für die Fans ist das Wetter natürlich eine zusätzliche Belastung, denn wer steht schon gerne im Regen nur um einige wenige „Verrückte“ zu sehen, die sich trotz „Sauwetter“ über die 21,1km antun? All den Helfern und Unterstützern sei hier nochmals ganz herzlich „DANKE!“ gesagt für Ihr Engagement. Wenn alles klappt, sehen wir uns in 2 Jahren wieder – dann hoffentlich auch wieder bei besserem Wetter.
Rheintalquerung 2015
Nun ist es Tradition, zumindest mal für mich, für andere war es das ja schon: Am vergangegenen Wochenende trafen sich wieder eine Reihe handverlesener Lauffanatiker um die etwas mehr als 43km von Leutershaisen an der Bergstraße bis nach Bad Dürkheim an der Weinstraße anzugehen. Die Veranstaltung ist rein privat organisiert und alles, nur kein Wettkampf. Der Spaß am Laufen und der Ausstausch nach der Winterpause (sofern man eine solche überhaupt macht, denn laufen kann man bei jedem Wetter: Es gibt nur unpassende Kleidung, aber doch kein unpassendes Wetter …)
Die Versorgung entlang der Strecke ist auch immer ein Highlight: Einige Unterstützer (Familie, Freunde, etc.) fahren mit einem Kleinbus verschiedene Punkte an der Strecke an. Passend zur kühlen Jahreszeit gibt es dann warmen Tee. Ich habe auch dieses Jahr wieder einen Energieriegel vom Blech, sprich einen Schokokuchen beigesteuert – der wurde auch gleich beim Start nachgefragt: „Ohne den laufe ich nicht …“
Pünktlich um 8:00 setzt sich der Tross in Bewegung – noch haben wir alle Energie und das Wetter ist vorzüglich: schönster Sonnenschein, wenn auch etwas frisch. In Heddesheim stößt als Neuerung Franks Vater mit dem Rad zu uns – er will mal sehen wie weit er mithalten kann, immerhin ist er der mit Abstand älteste Teilnehmer.
Noch nicht mal eine Stunde ist vergangen und die erste Versorgungsstation in Ilvesheim kommt in Sicht – ich habe eigentlich noch keinen Hunger und auch wenig Drust, aber ich weiß ja was kommt, also doch ein wenig Kalorien zu sich nehmen. Weiter geht es entlang des Neckars-Kanals, in der Ferne sehen wir schon den Fernmeldeturm in Mannheim – rund 3 km dahinter liegt schon der nächste Versorgungspunkt. Das Feld zieht sich vergleichsweise stark auseinander – jeder läuft mit der für ihn angenehmen Geschwindigkeit – für mich heißt das fast immer in der Spitzengruppe unterwegs zu sein, auch wenn ich das nicht unbedingt vorhatte. Entlang des Neckars kann man erste ganz zaghafte Versuche des Frühlings sehen – alles wartet scheints nur noch auf etwas wärmere Temperaturen.
Am Fuß der Kurt-Schumacher-Brücke in Mannheim machen wir nochmal Rast. Scherzhaft erfolgt eine Abfrage ob denn auch jeder die notwendigen Papiere für die Einreise nach Rheinland-Pfalz dabei hat. Die nun folgende Etappe ist das längste Teilstück – von Mannheim bis nach Ruchheim – etwa 15km liegen vor uns. Leider nicht mehr so malerisch und naturnah wie am Neckar – sondern durch die Industrielandschaft und Wohnbebauung in Ludwigshafen. Besondere Herausforderung: die Strecke nach Oggersheim – kerzengerade und fast keine Abwechslung, wenn man von den verschiedenen Autohäusern und Werkstätten einmal absieht. An der BG-Klinik gibt es immerhin noch was zu sehen – der Rettungshubschrauber startet zum Einsatz als wir vorbei laufen. Ich habe mit einem „Halbstreckler“, der in Mannheim begonnen hat die Führung übernommen. Wir sind soweit voraus, dass wir im Zentrum Ogggersheims erst einmal auf den Rest der Gruppe warten.
Mit einigen Schlenkern geht es aus Oggersheim langsam heraus – die Umgebung wird wieder ländlicher bzw. landwirtschaftlicher – wir durchlaufen die Gemüseäcker der Region – noch sind die Felder fast alle kahl, aber bereits in einigen Wochen wird hier wieder Salat und Gemüse geerntet. Das Wetter spielt weiterhin mit. Die Sonne ist so kräftig, dass ich die Jacke um die Hüft schlingen kann. Am Ortseingang Ruchheim postiere ich mich dann für ein gesammeltes Foto-Shooting. Zwischen der Spitze und der Nachhut der Gruppe liegen satte 10 Minuten … mich beschleicht das Gefühl, dass ich wohl mal wieder zu schnell an die Sache heran gegangen bin, aber noch ist ja alles gut. Außerdem ist die Versorgung auch nicht mehr weit. Diesmal habe ich auch richtig Hunger und Durst.
In der nächsten Etappe bezwingen wir die letzten Höhenmeter des heutigen Tages: Es geht über die A67 (also rund 7 Höhenmeter) nach Maxdorf. Dieser Ort ist ein klassisches Straßendorf – nicht zu sehr in die Breite gewachsen, dafür aber in die Länge. Gut, dass es immerhin eine paralelle Straße durch die Bebauung gibt, entlang der Hauptstraße wollte ich das nicht laufen. Gegen Ende plagt mich dann auch mein Magen etwas – normalerweise habe ich doch keine Probleme mit Magenkrämpfen. Die Versorgung liegt am Ende des Ortes – ich nutze die Chance, dass dort schon wieder Acker, Weinberge und Hecken vorhanden sind. Nach dem Bescuh im Tempel der Erleichterung bin auch wieder deutlich entspannter. Laufen wenn man eigentlich aufs Klo müsste iest einfach nur anstrengend. Daher mag ich auch eher Läufe durch die Natur 😉
Kaum zu glauebn, wir haben bereits etwas mehr als 30km hinter uns gebracht, und es geht auf die letzte Etappe bis nach Bad Dürkheim. Die Strecke ist flach und verläuft in wenigen schnurgeraden Abschnitten, also nochmal etwas für den Kopf des Läufers. Im Industriegebiet von Bad Dürkheim laufen wir dieses Jahr ein wenig anders als bisher. Anstelle der Magistralen zu folgen schwenken wir auf den Radweg entalng des Bachs ein – vielleicht einige hundert Meter mehr zu laufen, aber deutlich angenehmer. In der Ferne kann man schon die Ausläufer des Pfälzer Walds sehen. Bis ins Zentrum an die Saline am Festparkplatz sind es nur noch drei Kilometer – kurz vor dem Ziel heißt es dann wie jedes Jahr: „call me Ultra“ – wir überschreiten die „magische“ Marke von 42.195km. Der Vollständigkeit halber laufe ich auch noch ein wenig weiter als den Parkplatz, um dem Motto der Querung „von der Berg- an die Weinstraße“ gerecht zu werden.
Zum Abschluss heißt es Entspannen im Thermalbad bzw. der Sauna. Marion stößt dann kurz vor dem Abendessen im großen Fass auf dem Festplatz zu uns. Ich plane mit den PULTlern eigentlich noch am Sonntag von Mannheim wieder mit der Straßenbahn nach Bad Dürkheim zu fahren und die Strecke auch zurück zu laufen – zumindest ein gutes Stück. Grudrun, Peter und Jürgen haben sich für die Nacht ein Zimmer genommen.
Als es dann am Sonntag früh um kurz nach sechs für mich heißt: Aufstehen! Fällt mein Blick aus dem Fenster – es gießt gerade wie aus Eimern – da vergeht selbst mir die Lust auf den Lauf (wenn man wenigstens im Trockenen startet ist alles kein Ding, aber schon durchfeuchtet starten ist nicht mein Ding). Daher sage ich die Rückrunde ab. Im Luafe des Vormittags hört es zwar dann recht bald auf zu regnen, aber richtig schön wird das Wetter auch nicht. Rein von der Kondition und dem Muskelnkater her könnte ich das ohne Probleme laufen. Soviel ist sicher, nachdem ich nachmittags im Schwimmbad noch einige Bahnen als Ersatz schwimme.
Jahresrückblick 2014
Ja es war schon wieder Weihnachten und Silvester steht schon vor der Tür – allerhöchste Zeit das Jahr nochmal durch den Filter laufen zu lassen. Insgesamt läuft es bei mir unter „das Jahr mit dem Glen“ bzw. „das Jahr in dem Glen kam“. Die Schwangerschaft und der Schritt hin zur Familie haben das Jahr doch ganz deutlich geprägt, aber es gab nicht nur den Nachwuchs.
Januar
Mitte Januar bekam ich die frohe Botschaft „du wirst Papa“ – erst mal ein Schock, denn das warf einige Planungen für das Jahr über den Haufen bzw. diese mussten noch mal auf den Prüfstand – unter anderem natürlich die ganzen anstehenden und zum Teil auch schon bezahlten Läufe an denen ich teilnehmen wollte. Einer war dabei völlig unkritisch, denn der fand ja schon im Januar statt – direkt als erster Wettkampf ein Ultra in Rodgau – von wegen langsam einsteigen. Ebenso turbulent war es im Haushalt – eigentlich wollten wir langsam aber sicher zwei Haushalte verschmelzen (bis zur Geburt wäre ja genügend Zeit gewesen) – aber die Heizung hatte andere Pläne und flutete uns so direkt die Wohnung, was eine längere Phase der Trocknung und Renovierung nach sich zog.
Februar
Immerhin: Die Trockung kam recht flott in Gang (im Gegensatz zu den weiteren notwendigen Arbeiten) und wir haben sie auch passend mit unserem Urlaub kombinieren können – die Maschinen konnten in aller Ruhe trocknen und wir mussten deren Lärm nicht ertragen. Zudem stand der nächste Ultra für mich auf dem Plan: Einmal die Rheinebene durchqueren – es sollte das Jahr der Ultras werden. Der Nachwuchs entwickelte sich derweil ohne größere äußere Anzeichen. Auch die werdenden Großeltern wussten noch nichts von ihrem Glück … was zu einigen lustig bis verkrampften Situationen geführt hat: Marion konnte auf der Weinmesse diesmal nicht probieren – was schon für etwas Verwunderung bei ihrer Mutter sorgte, aber keinen weiteren Verdacht erregte.
März
Ein vorerst letztes Mal groß Verreisen – die Reise hatten wir uns schon im Dezember vorgenommen und gebucht – Ziel: Die Ost-Küste der USA. Unter anderem natürlich auch (für mich mal wieder) Washington DC und New York – aber wir haben diesmal auch die Neuengland-Staaten (also die Gründungskolonien) mit auf dem Programm gehabt. Wir hatten dabei die Ehre auch nur die Ausläufer eines der Winterstürme mit zu erleben – das Schneechaos war mir zu Zeiten meiner Diplomarbeit ja erspart geblieben. Das nächste Mal suchen wir uns einen anderen Zeitraum für diesen eigentlich sehr schönen aber im Winter eben auch sehr kalten Landesteil aus (der Reiseführer sollte Recht behalten in Sachen „Nuclear Winter“). Besichtigt haben wir die ausgestorbene Ferienregion Cape Cod (sogar die Museen haben zu und die Hotelzimmer sind selten vorgeheizt) und auch in Boston haben wir mehrere Tage verbracht.
Auf dem Geburtstag meines Vaters weihen wir ihn und meine Mutter ein: Sie werden Großeltern – die Freude ist riesengroß als wir etwas geheimnisvoll die Gutscheine für „einmal Opa/Oma werden“ überreichen. Ebenso begeistert ist Marions Mutter als wir einige Tage später von unserer Reise in die USA berichten und in die Bilderpräsentation eines der ersten Ultraschallbilder eingeschmuggelt haben.
April
Im April gibt es noch einige Hau-Ruck-Aktionen in Sachen Umzug – ich räume für die Renovierung ungeplanter Weise das fast das gesamte Wohnzimmer ins Schlafzimmer, damit frisches Laminat gelegt werden kann und die Tapete an den feucht gewordenen Wänden erneuert.
Nach einem Monat ohne Wettkampf mache ich ausnahmsweise keinen Ultra sondern „nur“ einen Marathon – der Weinstraßen-Marathon findet nur alle zwei Jahre statt und ist immer recht schön gemacht, inklusive einer Flasche Wein als Präsent und dem Spezial-Angebot „Riesling“ an den Versorgungsstationen.
Unserem Nachwuchs geht es prächtig, er wächst und gedeiht, und ganz langsam sieht man Marion die Schwangerschaft auch von außen an.
Mai
Diesen Monat gibt es wieder einen Ultra – während Marion nach Birmingham auf die Supernatural-Convention fliegt, mache ich ein Wochenende Ultra-Laufen. Diesmal auf einem der bekanntesten Ultras in Deutschland, den jeder einmal gelaufen sein sollte der Ultras mag: Den Rennsteiglauf – 73km sind zu bewältigen und der Lauf an sich ist einfach überwältigend – sehr gut organisiert, die Versorgung einfach spitze. Marion kehrt samt Nachwuchs im Bauch auch wohlbehalten zurück.
Juni
Nur zwei Wochen nach dem Rennsteig ist schon wieder Wettkampf angesagt: eigentlich wollte ich den Mannheimer Marathon nur als Trainigslauf absolvieren, aber irgendwie ist doch ne neue Bestzeit für mich dabei rumgekommen – ich war so schnell, dass Marion an den geplanten Foto-Stellen leider immer das Nachsehen hatte. Der Lauf ist teilweise schlecht organisiert und unübersichtlich – die Gruppe der Führenden biegt einmal falsch ab und einige laufen wohl die Schleife durch den Luisenpark versehentlich doppelt. Als Ultraläufer schaue ich mir natürlich vorher die Strecke an damit ich ungefähr weiß wo ich abbiegen muss – ich bin richtig gelaufen.
Nochmal zwei Wochen später kam dann das Highlight für dieses Jahr in Sachen Ultra-Lauf: Ich habe meinen Freistart aus dem letzten Jahr für Biel eingelöst und bin dort über die 100km gestartet – mal eine andere Strecke als die 100km um Ulm. Auch nicht schlecht muss ich sagen, vor allem der Ho-Chi-Min-Pfad auf dem Emmedamm und die Steigung nach Bibern werden mir im Gedächtnis bleiben. Die Zeit ist ansprechend mit 11 Stunden und 9 Minuten. Die ursprüngliche Planung war ja, dass mich Marion auf dem Rad begleitet – mit Glen im Bauch fällt das aber aus. Stattdessen steht sie fast alle 10 km an der Strecke und feuert mich an. Einfach super! Super war auch die letzte Trainingseinheit vor dem Lauf – rund 26h vor dem Lauf habe ich zur Entspannung noch eine Sprint-Einheit mit der Weinheimer Trainigsgruppe durch den Exotenwald gemacht: 16km in 1:30h …
Juli
Den Juli nutze ich zur Entspannung nach all den Ultras – zudem beginnt die heiße Phase der Schwangerschaft – der Nestbau-Trieb erwacht. Zusammen mit Marion bin ich fleißig am Einkaufen und Montieren von Möbeln, wir räumen auf was das Zeug hält. Auch der Geburtsvorbereitungskurs findet seinen Abschluss – jetzt kann der Nachwuchs also kommen, es ist fast alles einsatzbereit, von Wickelauflage bis Kinderbett.
August
Im August sind wir zur Hochzeit von Marions Cousin eingeladen – gefeiert wird in der Nähe von Périgueux in Südfrankreich. Wir nutzen die Chance und machen ein letztes Mal Urlaub zu zweit – trotz der fortgeschrittenen Schwangerschaft die meisten Stopps auf Zeltplätzen. Zum Einstieg löse ich noch mein Geburtstagsgeschenk ein: Try Yann spielen in Karlsruhe – sozusagen zum Einstimmen, auch wenn die bretonisch und nicht unbedingt Französisch singen. In mehreren Etappen über Lyon und Vichy fahren wir bis Périgueux, nach der Hochzeit steht Entspannung an der Silberküste bei Biarritz auf dem Plan. Zurück geht es an der Dune de Pilat bei Bordeaux vorbei, in die Champagne bei Marions Verwandten. Einmal Frankreich im Schnelldurchgang in zwei Wochen also. Sehr schön.
September
Langsam beginnt der Countdown zu ticken – acht Monate ist Marion schon schwanger – es dauert also nicht mehr lange bis auch ich unseren Nachwuchs in den Arm nehmen darf. Zumindest so er sich an den Plan hält. Wir sind dementsprechend vorsichtig was Ausflüge oder gar Wettkämpfe betrifft. Dennoch helfe ich natürlich meinem Arbeitgeber noch bei der Teilnahme am Firmen-Ultra – wie jedes Jahr: 10 Personen bilden ein Team, das insgesamt einen Ironman-Triathlon bewältigt, für jeden also etwas weniger als 400m Schwimmen, 18km Radfahren und 4,2km Laufen. Diesmal findet er wegen Renovierungen in Darmstadt statt – was aber auch nicht verkehrt ist. Marion begleitet mich und macht auch fleißig Fotos vom Team.
Einen weiteren Lauf darf ich nur mit Sondervorkehrungen laufen – eigentlich hatte ich nicht vor den Churfranken-Trail anzugehen, aber Peter aus meiner Laufgruppe hat sich verletzt und kann nicht starten. Eine Erstattung der Startgebühr ist nicht vorgesehen, aber eine Ummeldung kostenlos möglich. Die Bedingung lautet, dass ich mit Handy unterwegs bin und falls Wehen einsetzen, Peter mich bei nächster Gelegenheit an der Strecke abholt und direkt nach Mannheim fährt. Passiert ist nichts, der Lauf ist eine große Herausforderung – obwohl es nur 74km sind, dafür 1800 Höhenmeter. Wenn es nicht so fürchterlich geregnet hätte und die Versorgung besser wäre, würde ich den ja sogar nochmal angehen, aber so bin ich noch immer etwas gespalten.
Die Gefühle sind gerade auf Achterbahn-Tour: Ich weiß das ich Papa werde, aber so greifbar nah wie das jetzt ist, geht es ständig auf und ab im Kopf.
Oktober
Im Oktober soll unser Nachwuchs auf die Welt kommen, schlecht nur, dass Anfang Oktober auch noch mein Traditionslauf in Nürnberg stattfindet: Halbmarathon beim Stadtlauf durch die Innenstadt und entlang der Pegnitz. Ich warte bis kurz vor Schluss, melde mich ganz kurzfristig an und fahre vergleichsweise spät los nach Nürnberg -gerade noch rechtzeitig erreiche ich den Start und sprinte über die Strecke. Unser Nachwuchs fühlt sich bei Marion im Bauch aber noch pudelwohl und macht noch immer keine Anstalten sich auf den Weg zu machen. Dennoch: Es reicht nur für ein kurzes „Hallo“ und etwas Schnacken im Versorgungsbereich, bevor ich mich wieder auf den Heimweg nach Mannheim mache – ich will ja nichts verpassen.
Es dauert noch eine ganze Weile bis ich Glen dann in Händen halten darf (und dann gleich 1,5h direkt nach der Geburt, weil so viel los ist). Mitte Oktober ist es dann so weit, eine sehr aufregende Nacht für die ganze junge Familie. Während die Schwangerschaft problemlos verlief, lassen wir bei der Geburt gefühlt keine Sonderoption aus – bis hin zum ungeplanten Kaiserschnitt. Aber es geht allen am Ende gut, und die ganze Verwandtschaft und Freunde überschütten uns mit Glückwünschen und Geschenken.
November
Im November dreht sich bei uns alles um unseren Nachwuchs Glen: Stillen, Wickeln, Behördengänge und Papierkram – jeder Menge Arbeit für die junge Familie. Ich bin froh Elternzeit genommen zu haben, so kann ich mich doch recht umfänglich einbringen. Vor allem in der Anfangszeit gibt es so viel zu tun was den Haushalt betrifft. Ich nutze natürlich auch die Chancen die sich mir bieten, weiter an meinen Kochkünsten zu feilen – die Gerichte werden immer abwechslungsreicher und wir probieren sehr viel aus. Am Ende des Monats habe ich dann einen weiteren Spitznamen: „Herdmännchen“. Dafür geht mir vieles im Haushalt und in der Küche mittlerweile sehr flott von der Hand. Übung und Training ist durch nichts zu ersetzen. An Wettkämpfe ist momentan erst recht nicht zu denken, aber Entspannung beim Training tut auch mir gut.
Eine gute Tat vollbringe ich auch noch, ich repariere kurzerhand unseren Trockner, bei dem sich ein Spannungswandler verabschiedet hatte – somit sind wir auch besser gegen die Wäscheflut mit Kleinkind gerüstet.
Dezember
Ja es ist schon wieder Dezember und es ist auch dieses Jahr wieder Weihnachten, dennoch ist alles irgendwie neu und aufregend: Denn wir erleben die Feiertage zum ersten Mal als Familie – das bringt einige Veränderungen und Anpassungen mit sich – aber es ist noch immer ein tolles Gefühl Papa zu sein. Ich denke das wird auch 2015 noch einiges an Überraschungen bieten.
Firmen-Ultra in Darmstadt
Abwechslung im Training macht dieses interessanter – und ein etwas anderer Wettkampf kann daher auch nicht schaden. Bereits zum vierten Mal habe ich mich daher breit erklärt für meinen Arbeitgeber beim Firmen-Ultra-Triathlon mit zu machen.
Da das Schwimmbad in Pfungstadt derzeit saniert wird, ist die Veranstaltung nach Darmstadt umgezogen und heißt jetzt auch ein klein wenig anders: Firmen-Datterich Darmstadt. Der Datterich ist ein Stück aus der lokalen Folklore- und Theaterlandschaft.
Nicht geändert hat sich die Aufteilung des Wettkampfs: Immer Teams aus mindestens 10 und maximal 11 Personen absolvieren in Summe einen Ironman-Triathlon, also insgesamt 3,8km Schwimmen, 180km Radfahren und 42,195km Laufen. Gewertet werden immer die 10 Besten eines Teams (der elfte läuft praktisch als Redundanz mit, falls etwas schiefgeht oder zum Wettkampftag unerwartet jemand krank wird). Für den Einzelnen stehen also 380m Schwimmen, 18km Radfahren und 4,2km Laufen auf der Tagesordnung.
Insgesamt finde ich die Location in Darmstadt etwas besser, da sie weitläufiger ist, es ist nicht alles so gedrängt wie in Pfungstadt. Allerdings waren die Unterlagen nicht wirklich aussagekräftig und ein paar Schilder haben auf solchen Veranstaltungen schon echt Wunder gewirkt. So ist es am Anfang doch etwas chaotisch bis man alles findet.
Einräumen der Wechselzone kenne ich ja bereits, ich ordne alle meine Sachen so an, wie ich sie später entnehmen möchte, nur keine Zeit beim Wechseln verschenken. Für mich neu ist, dass ich dieses Jahr kein Rennrad ausgeliehen habe, den Wettkampf also auf meinem guten Tourenrad absolvieren muss – alles was mit vertretbarem Aufwand abzumontieren geht, habe ich auch abgeschraubt. Aber es bleibt doch ein signifikant höheres Gewicht übrig. Ist mir aber für das Event, bei dem es vorrangig um den Spaß und die Gemeinschaft innerhalb der Firma geht, auch nicht sonderlich wichtig.
Pünktlich geht es los mit dem Schwimmen, ich muss feststellen, dass ich dieses Jahr nicht so gut in Form bin – ich kann nicht wie geplant die Hälfte der Strecke im Kraulstil zurücklegen, sondern muss bereits nach 150m zum Brustschwimmen übergehen. An meiner Position innerhalb der Gruppe ändert das nichts – ich bin und bleibe auf Platz zwei. Die Schwimmbrille lege ich bei einer Wende meiner Partnerin vor die Füße, denn sie läuft leider ständig mit Wasser voll, was mich einfach nur nervt und somit nichts bringt.
Aus dem Becken in die Wechselzone – der Weg ist etwas länger und ich bemerke recht bald einen Fehler in der Vorbereitung: Ich habe es versäumt die Schuhe vorher aufzuschnüren und entsprechend „weit“ zu machen, dass man auch mit nassen Füßen gut hineinkommt. Nach etwas Quälerei stecke ich dann aber doch sicher in meinen Radschuhen mit Klick-Untersatz (das Gegenstück habe ich immerhin auch am Tourenrad) – auch die Strecke zum Rad ist etwas länger geworden.
Ich schnappe mein Rad und begebe mich auf die Strecke – vier Runden müssen wir diesmal absolvieren anstelle der früher zwei. Nicht verändert hat sich ein Ärgernis auf der Strecke: Es gibt wieder zwei U-Turns – diese rauben einem jedes Mal Schwung und kosten Kraft – von der Unfallgefahr mal ganz zu schweigen.
Als weitere Erschwernis gibt es jede Menge Wind – mal ist er angenehm im Rücken und ich erreiche die 40km/h-Marke – in der Gegenrichtung geht es dafür um so schwerer. Der „Rüssel“ jeweils ans Schwimmbad zurück und an der Wechselzone hat einige nette Kurven und sorgt für Abwechslung. Zusätzlich kann ich mich jedesmal über Fotos freuen: Marion steht an der Strecke und dokumentiert das Radeln.
Recht fix habe ich die vier Runden hinter mich gebracht -gut dass ich einen Tacho habe und somit weiß wie viel Kilometer ich bereits gefahren bin – einige Leute kämpfen bereits auf dem Rad derart mit dem Laktat im Blut, dass selbst das Zählen von Runden schwierig wird.
Wieder durch die Wechselzone – diesmal nur die Schuhe wechseln, denn mit den Radschuhen läuft es sich nicht gut – und auf zu meiner Parade-Disziplin (wobei ich eigentlich ja unter 10km gar nicht erst anfange von Strecke zu sprechen) – auch hier hat sich die Rundenanzahl verändert: Hier muss man eine Runde weniger laufen, also nur noch zweimal (was das Zählen wieder deutlich leichter macht, außerdem gibt es hier Bändchen für jede Runde).
Die Laufstrecke ist abwechslungsreich und gefällt mir besser als die Strecke in Pfungstadt. Zwar führt sie nicht so schön durch den Wald, aber dafür durch den Stadtpark und an den Sportanlagen vorbei. Zudem gibt es einige Hügel zu bewältigen, was mir richtig Laune macht, andere verfluchen mehr oder weniger leise die Anstiege. Marion hat es auch hier wieder geschafft einen guten Platz fürs Foto-Schießen zu ergattern und macht fleißig Fotos aller Läufer die ihr bekannt vorkommen.
Ehe ich mich versehe laufe ich schon durchs Ziel – 1:06:52h stehen auf der Uhr – meinen Traum von unter 60 Minuten habe ich also nicht realisieren können, aber ich komme gefühlt jedes Jahr einen Ticken näher dran – stete Übung macht auch den Triathlon irgendwann mürbe …
Abschließend sitzen wir noch ein wenig mit den Kollegen zusammen und mache ein paar Bilder vorm Event. Chaotisch läuft es auch diese Jahr wieder beim Essen und Trinken ab – die jeweils einzigen Stände sind total überlaufen und überlastet – es bilden sich lange Schlangen, obwohl das Essen eigentlich nicht ganz verkehrt ist (ob Curry-Wurst mit Pommes nach dem Triathlon so das gelbe vom Ei ist, muss jeder für sich entscheiden).
Einen Tag später sind auch die Detailergebnisse verfügbar. 85. Mannschaft sind wir geworden – immerhin etwas und gerade noch so in der ersten Hälfte von 176 vollständig im Ziel angekommenen Mannschaften – viele waren gar nicht erst vollzählig angetreten. Mal sehen ob ich nächstes Jahr wieder dabei bin – spaßig ist die Veranstaltung ja mal auf alle Fälle.
Die 100 Kilometer von Biel
Nachdem der letzte Versuch in Biel die 100km zu Laufen im wahrsten Sinne des Wortes ins (Elbe-Hoch)-Wasser gefallen ist, und ich freundlicherweise einen Freistart für 2014 erhalten habe, war es nun endlich so weit: Die Bieler-Lauftage 2014 standen an. Mit jeder Menge Trainings-Einheiten und Vorbereitungsläufen (Rodgau 50km, Rennsteig 72,9km und Mannheim 42,2km) habe ich mich auf die Ultra-Distanz vorbereitet.
Die Anreise in die Schweiz ist kein Thema, auch wenn wir reichlich im Reiseverkehr feststecken und die ersten 50km schon mehr als eine Stunde in Anspruch nehmen. Kurz vor Biel bereiten wir uns auf den Endanflug vor – gar nicht so leicht wie sich heraus stellt, denn das Kartenmaterial im Netz und in der Ausschreibung ist für einen Neuling nur bedingt tauglich. Die ganzen Umleitungen und Sperrungen sind auch nicht eingezeichnet. So wird es nervenaufreibend bis wir in der Nähe des Kongress-Zentrum uns aufteilen – Marion wartet am Auto, ich suche nach dem Anmeldeschalter. Dort bekomme ich dann auch die Info wo man eigentlich Zelten und Parken könnte (Expo-Gelände). Marion hat derweil das Parkhaus am Bahnhof mit brauchbaren Preisen entdeckt. Das liegt so gut, dass wir erst gar nicht mehr nach einer anderen Alternative suchen. Ich ziehe mich auch direkt am Auto um. Danach letzte Planungen für die Fotos an der Strecke und die Treffpunkte (wo und wann ungefähr).
So richtig entspannen und vorher noch einige Stunden schlafen, wie ich das in Ulm gemacht habe, klappt leider nicht. Kurz vor 22h sind wir dann am Start. Es ist deutlich voller als in Ulm, die Stimmung ist gut, aber nicht so locker und gelöst wie ich es aus Ulm kenne. Punkt 22h kracht dann auch der Startschuss. Es geht auf die erste Runde durch Biel hindurch, einmal Stadtbesichtigung im Schnelldurchlauf – da die Marathonstrecke auch hier entlang führt steht jeden Kilometer ein Schild. Ich versuche nicht zu schnell unterwegs zu sein, aber das will mir nur teilweise gelingen – der Puls ist etwas zu hoch und die Geschwindigkeit gefühlter Maßen auch – GPS habe ich ja immer noch nicht. Die Stimmung ist an einigen Stellen richtig gut, aber es gibt auch gleich zu Beginn Streckenabschnitte an denen fast nichts los ist.
Nach Kilometer 4 geht es aus der Innenstadt hinaus durch die Vororte – dort stehen reihenweise Menschen und vor allem Kinder zum Abklatschen rechts und links. Es geht auf den ersten Anstieg zu – Port heißt der Ort und ist auf dem Höhenprofil eigentlich nichts dramatisches, aber irgendwie zieht sich der Hügel (von Bergen kann man bei 495 Höhenmetern insgesamt ja nicht sprechen) verdammt in die Länge – noch jogge ich das recht gut.
Nach Port geht es weiter in Richtung Kappelen – die Bebauung lassen wir hinter uns, und es geht in die dunkle Schweizer Nacht, gut das ich meine Kopfleuchte dabei habe, ohne die wäre es jetzt schwierig. Auf dem Weg taucht dann auch das erste größere Motivationsschild auf – 10km liegen bereits hinter uns. In Kappelen wartet Marion auf mich und feuert mich an, für Bilder ist es leider zu dunkel. Vorher mache ich noch einen kurzen Stop an der Versorgung – es gibt Brot, Riegel, Banane und Iso-Getränk – ich bin mal gespannt wie gut ich das angebotene Produkt vertrage – rebellierender Magen über 100km macht keine Freude.
Ins Dunkel entschwinden wir dann auch wieder, es geht entlang des Landstraße – dort steht wieder ein Schild:15km. Ich habe das Schild nur wenige Minuten passiert, da gibt es Rufe von hinten – die Spitze des Marathons, der eine Viertel Stunde nach uns gestartet ist, und noch dazu eine Extra-Runde in Biel laufen durften nähert sich. Von nun an überholen uns häufiger Marathonis und Halbmarathonis – denn die sind deutlich schneller unterwegs.
Für die Kurzdistanz Halbmarathon ist dann auch schon bald das Ziel in Sicht. In Aarberg geht es über die historische Brücke, eine tolle Holzkonstruktion. Es stehen jede Menge Menschen an der Strecke und die Stimmung ist absolut spitze. Für die Halbmarathonis ist auf dem Marktplatz das Ziel errreicht. Für alle anderen geht es wieder aus der Stadt raus, vorbei an der nächsten Versorgung. Zwischen Aarberg und Lyss haben wir dann auch endlich die 20km erreicht.
In Lyss warten die Begleitradler auf ihre Läufer, denn wie in Ulm begleiten die Radler erst, wenn sich das Feld etwas aufgelockert hat. Es geht im Ort eine Steigung hoch, die etwas steiler ist, ich bin anfänglich noch versucht zu joggen, aber die Ultra-Erfahrung sagt ganz klar: nichts überstürzen und langsam angehen lassen, Kräfte richtig einteilen, also die Steigung gehen.
Das nächste Ziel für mich ist Amerzwil – dort wartet Marion wieder auf mich zum Unterstützen. Dort steht auch wieder eine Versorgungsstation. Kurz nach Lyss steht im Wald eine Kontrollstelle – einmal Stempel auf die Startnummer und weiter geht es. Vor der Versorgung geht es nochmal zwei Steigungen nach oben. Ich nutze die Gelegenheit und trinke meine Flasche leer. An der Versorgung mache ich etwas langsam und nutze einen Mauervorsprung um einen Mitreisenden der unliebsamen Art los zu werden – auf dem Waldweg hatte ein Steinchen den Weg in den Schuh gefunden. Marion steht eine Kurve weiter und gibt mir seelische Nahrung für die nächsten Kilometer.
Es geht durch Grossafoltern und dann durch die Felder zum nächsten Verpflegungspunkt in Scheunenberg. Kurz davor steht ein wichtiges Motivationsschild, 30km habe ich bisher zurück gelegt, fast ein Drittel. Nach der Verpflegung, an der ich wieder Riegel, Banane und Iso auftanke geht es eine schier endlose Gerade entlang, wenn man von einigen Verschwenkungen an den Kreuzungen absieht. Es geht beständig ganz leicht bergauf, das Gegenteil von dem was gerade in meinem Kopf geschieht – dort fahre ich gefühlsmäßig Achterbahn, demenstprechend schlecht läuft es sich auch, denn jeder Langstreckenlauf beginnt im Kopf. Aber noch kann ich ohnehin nicht aussteigen. Also mache ich mal weiter. Marion kündigt per SMS den nächsten Treffpunkt an.
Die Strecke an sich wird fast nur von Läufern und Begleitradlern gefüllt, Besucher sind fast keine mehr an der Strecke zu finden. Für Motivation sorgt das 35km Schild. Zudem steht für die Marathonis das Schild für den Endspurt – 40km haben die schon in den Beinen. Dafür sind sie aber auch bald im Ziel. Das liegt im Ort Oberramsern – ich freue mich hingegen auf die nächste Versorgung, die sich direkt nach dem Marathonziel befindet. Im Ort findet dann auch endlich ein Richtungswechsel statt und es geht ein wenig bergab.
Marion erwartet mich im nächsten Ort, Mülchi, kurz vor dem Ort überschreite ich dann auch de 40km Marke. Von Marion gibt es Spezial-Nahrung für Ultra-Läufer: Gummibärchen, zudem lasse ich mir noch etwas Wasser geben, denn trotz Auffüllen an der Versorgung habe ich die Flasche schon wieder gelehrt. Noch immer fährt der Kopf ein wenig Achterbahn, aber es geht langsam etwas besser. Passend dazu ist die Strecke „the only way is up“ es geht nach dem Ort recht steil bergauf. Ich hole einen Läufer ein, der ebenfalls geht. Er ist der Meinung es sei viel zu früh zum Gehen, aber da ich die Strecke nicht kenne, macht mir das überhaupt nichts.
Nach der Steigung geht es erst mal wieder flacher weiter – ich schalte wieder auf Joggen um, zumindest bis Etzelkofen, dort raus geht es wieder über einen Bergkamm drüber. Auch diese Steigung bewältige ich wieder im Gehen, wie jetzt auch viele andere Läufer um mich herum. Klar, denn mittlerweile sind nur noch 100km Läufer oder Staffeln unterwegs – die Staffelläufer haben noch Kraft und können sich ihre Kräfte anders aufteilen. Im nächsten Gehöft steht wieder eine Versorgung bereit, zum ersten Mal erspähe ich Brühe bzw. Bouillon, leider frisch angerührt mit kaltem Wasser – geschmacklich absolut grauenhaft, aber ich weiß wie wichtig das Salz beim Langstreckenlauf ist. Also trinke ich doch gleich zwei Becher. Zum Abgewöhnen dazu gibt es dann Pepsi-Cola und Iso.
Es geht wieder durch den Wald, und es ist nun auch richtig dunkel, ohne Stirnlampe geht nichts. Ein wenig erinnert mich das Stück an die ersten Kilometer in Ulm, es fehlt anfänglich nur das Kilometerschild (in Ulm das für 10km), aber selbst das gibt es hier, 45km zeigt es. Also schon fast Halbzeit. Irgendwo auf der Strecke ist auch der innere Schweinehund im Kopf dann endlich weg, scheinbar habe ich ihm irgendwo einen Tritt verpasst, dass er sich endlich in seine Ecke verzogen hat und mich nicht mehr weiter beheligt.
In Jegenstorf gibt es schon weider etwas zu Essen und zu trinken – diesmal ist die Bouillon sogar warm, da schmeckt sie gleich mal viel besser. Die Kilometer ziehen sich nun scheints ewig, aber es geht vorran. Kurz vor dem nächsten Treffpunkt mit Marion in Kernenried ist die Halbzeitmarke überschritten. Wesentlich unspektakulärer als in Ulm, wo man zur 50km-Marke ins Donaustadion einläuft. Hier nur ein schlichtes Kilometerschild mitten im Nirgendwo. Kurz nach dem Foto-Shooting steht auch Marion bereit. Es gibt wieder Gummibärchen für mich. Marion wird nun erst einmal etwas Pause machen und wir wollen uns kurz nach Kilometer 70 wieder treffen. Für mich sind es bis dahin ja nur 20km, ich schätze vorsichtig auf 2 Stunden.
Nun habe ich ersteinmal die nächste große Versorgungsstation im Blick, Kirchberg – nicht zu verwechseln mit Iller-Kirchberg in Ulm wirklich viel gemeinsam haben die Orte dann auch nicht – Kirchberg liegt nicht auf dem Berg sondern im Emme-Tal (wobei mir endlich einmal bewusst wird wo der berühmte Käse herkommen muss). Kurz nach dem Schild für 55km überqueren wir den Fluss.
An der Versorgung greife ich überreichlich zu, zu viel wie ich wenige Meter später merke, ich verschlucke mich und wenn man schon mal am Husten ist, dann meinte der Magen auch noch seine Meinung zur bisherigen Ernährung abzugeben. Also hänge ich etwas auf halb-acht in der Botanik, danach geht es allerdings auch gleich wieder und ich laufe weiter.
Es folgt ein Stück, das liebvoll der Hô-Chi-Minh-Pfad genannt wird. Die Radler sind auf diesem Teilstück außen vor, anfänglich will ich das noch nicht so recht verstehen, denn die Strecke entlang der Emme bzw. dem Emmedamm ist ganz ähnlich dem was Ulm von Kilometer 50 bis ca. 55 zu bieten hat – grob geschottert und flach, wenn auch nicht ganz so breit. Nach einigen Kilometer wird es dann allerdings richtig übel – der Pfad läuft die ganze Zeit auf dem Damm und ist rechts und links von Wald umgeben. Überholen ist fast nicht möglich – ich reihe mich hinter einem Läufer ein. Der Untergrund ist absolut uneben und man muss höllisch aufpassen, dass man sich nicht den Knöchel vertritt.
Der Trail zieht sich scheinbar endlos hin – an einer etwas breiteren Stelle mache ich etwas langsamer und informiere Marion über den aktuellen Stand, noch liegen rund 10km bis zum nächsten Treffpunkt vor mir, ungefähr die Hälfte davon auf dem schwierigen Trail. Ich hänge mich nach der kurzen Erhohlungsphase wieder an eine Läufergruppe an, begleitet wird das von der erwachenden Vogelwelt rund um den Damm in den Büschen – es zwitschert von allen Seiten. Kurze Zeit später gibt es die nächste Versorgung, direkt unter einer Brücke – eine interessante Location, das muss man lassen. Danach wird es von der Strecke etwas besser – der Damm ist nun erst mal asphaltiert, aber immer noch recht schmal. Auch die Kulisse ist nicht unbedingt ein Augenschmaus, es geht vorbei an einer Papierfabrik, inklusive dem dazugehörigen Klärwerk.
Kurz vor der nächsten Verpflegung erfolgt die Wiedervereinigung von Läufern und Radlern, diese warten am Streckenrand und feuern jeden Läufer an der vorbei kommt, das ist echt sympathisch. Die Versorgung ist dann auch das Ende des Trails. Eine schmale Brücke überspannt die Emme, noch wenige hundert Meter geht es dann entlang des Flusses, dann geht es mit einer leichten Steigung aus dem Tal heraus. In Biberist gibt es eine Haarnadelkurve, diese leitet den Heimweg ein, nun geht es fast konsequent gen Westen nach Biel.
Die Strecke führt nun durch die Felder, immer entlang des kleinen Dorfbach, in der Ferne ist schon bald der nächste Ort zu erkennen, Lohn heißt er. Man könnte es auch als Lohn der Mühen im Emmetal bzeichnen. Kurz nach der Überquerung des Bachs gibt es wieder ein wichtiges Schild: 70km liegen hinter mir, es ist also fast nur noch eine normale Samstags-Trainingseinheit die vor mir liegt, also sollte das alles machbar sein. Weg sind die Gedankenspiele vom Anfang, es gibt nur noch eines: Nach vorne blicken, es sieht gut aus und das Ziel in machbare Nähe gerückt.
Nach dem Bahnübergang in Lohn geht es weiter auf den nächsten Treffpunkt mit Marion in Lüterkofen zu. Kurz vor dem Treffpunkt kündigt sich eine lästige Pflicht an – nachdem ich ständig Kalorien und Flüssigkeit in mich hinein geschoben habe, muss ich nun langsam aber sicher auch an die Entsorgungsproblematik denken, mein Verdauungstrakt macht da im wahrsten Sinne des Wortes mächtig Druck. Gut das auf einer Baustelle am Rand ein Dixi bereit steht – unverschlossen und sauber, das muss dann erst mal herhalten. Natürlich meldet sich Marion etwas besorgt genau nachdem ich gerade die Türe verschlossen habe. Ich lasse die Antwort sein, und laufe weiter, denn es kann sich nur noch um einige Minuten handeln bis wir uns sehen. Tatsächlich, nach der nächste Kurve auf einem großen Parkplatz steht Sie und freut sich, dass ich auftauche. Nochmal Gummibärchen, dann geht es weiter. Noch eine leichte langezogene Steigung, dann geht es etwas bergab an die nächste Versorgung.
Ich trinke reichlich Wasser, Iso, Cola und wieder Brühe. Auch die Flasche wird wieder aufgefüllt. Nun folgen ca. 5km relativ eben bis nach Bibern. Was mir nunmehr auch zu schaffen macht ist die Sonne, diese sorgt für angenehme Temperaturen, aber mit der Zeit wird es auch unangenehm warm. Ich ziehe die Jacke aus und binde sie mir um die Hüfte. Anfänglich noch etwas frisch gewöhne ich mich recht bald an das Laufen ohne Jacke. In Bibern erwarten uns jede Menge Menschen an der Strecke, dort ist auch die letzte Wechselstation für die Staffeln. Die Staffeln sind auch die Teilnehmer, die noch genügend Kraft haben die anstehende Steigung zu joggen. Die Ultra-Läufer um mich herum gehen alle und haben sich an der Theke noch etwas zu Futtern mitgenommen. Marion kündigt an, dass sie im nächsten Ort an einer Gefällestrecke steht. Das motiviert natürlich, und das Gefälle beginnt dann auch bald. Zudem steht nach einigen Kilometern noch ein Motivationsschild, 80km habe ich nun in den Beinen. Ich muss an Ulm denken, dort befindet sich dieser Kilometermarker an der Wilhelmsburg gemeinsam mit einer Versorgung – hier steht er, wie schon die Halbmarke irgendwo einfach an der Strecke.
Der nächste Ort ist Arch, irgendwie hat man im fortgeschrittenen Ultra-Marathon-Stadium komische Assoziationen, in Ulm ist es der Ort Lehr, hier Arch. In Ulm fühlt man sich leer, in Biel ist man einfach im Allerwertesten. Da hilft auch der Gedanke, dass die größeren Steigungen nun endlich hinter mir liegen nicht viel. Schon interessanter ist die Uhr an einer Tankstelle im Ort – sie zeigt kurz vor sieben Uhr in der Frühe. Das weckt Ambitionen ob es doch noch möglich ist unter 11 Stunden ins Ziel zu kommen, allerdings weiß ich auch, dass die letzten 20km noch einmal richtig Kraft kosten werden. Aber dafür steht ja Marion bereit – sie versorgt mich nochmals mit Gummibärchen, bevor es an die nächste Versorgung geht, dort greife ich auch nochmal zu, Wasser, Iso, Cola, Tee und Brühe, dazu nochmal Bananen und Müsli-Riegel. So gestärkt geht es dann an die Aare, entlang dieses Flußes oder dessen Kanal verlaufen die letzten Kilometer der Strecke bis Biel.
Auf dem Feldweg durch die Auen hänge ich mich an einen Läufer und dessen Begleitung, wir pushen uns gegenseitig Kilometer um Kilometer, für mich ist es teilweise recht hart und ich lasse ihn auch teilweise ziehen, nur um ihn kurz später dann doch wieder einzuholen. Zwischenzeitlich passieren wir Kilometer 85. Zudem gibt es eine etwas trickreiche Brücke – zwei Läufer bringen die ziemlich genau in Resonanz, was dann zu unliebsamen Effekten führt, denn entweder kommt der Boden einem beim Auftreten zu früh oder zu spät unter den Fuß, beides ist nicht so wirklich gut für die Gelenke.
In Büren gibt es wieder etwas zu trinken, es ist mittlerweile derart warm, dass meine Flasche immer gerade so von Station zu Station reicht. Dankbar fülle ich diese auf, wie üblich ungefähr 80% Wasser und 20% Iso-Getränk. Das Iso-Getränk ist mir sonst immer deutlich zu süß und geschmacklich ist es auch nicht unbedingt mein Fall. Wir queren die Aare, und es folgt eine lange Strecke immer enlang des Kanals. Sie erinnert mich an die „Schlachtergerade“ im Nürnberg, sie ist fast genauso lang. An der vorletzten Versorgung wartet nochmal Marion auf mich, ich greife nochmal Getränke und Essen ab, und schiebe mir etwas Traubenzucker und ein Bonbon in den Mund um den Zuckerspiegel hoch zu halten – nicht das mir jetzt auf die letzten Kilometer noch etwas anbrennt. Es sind jetzt weniger als 10, die noch zu laufen sind.
Die Kilometer ziehen sich gefühlt übermäßig zäh hin, im Gegensatz zu Ulm gibt es nicht die letzten 10km schon jeden Kilometer Hinweisschilder, so freue ich mich natürlich um so mehr, als ich das Schild für 95km und wenige hundert Meter später die letzte Versorgung erreiche. Die Streckenposten und einige Menschen an der Strecke motivieren – nur noch 4,5km bis ins Ziel. Das hört sich richtig gut an – und die Strecke ist noch immer flach. Ich laufe weiter, mahne mich allerdings zur Vorsicht – denn auch wenn es nur noch so wenig Kilometer sind, einbrechen kann man immer noch, wenn man sich verschätzt. So geht es wohl vielen entlang der Strecke, ich sammle immer mehr Läufer ein und werde nur noch selten von einigen flotten Staffel-Läufern überholt. Zur Sicherheit gebe ich mir nochmal einen Zuckerschub in Form eines Bonbon und Traubenzucker, noch während ich auf dem Zucker herumkaue kommt das Kilometerschild 96 in Sichtweite – noch 4km.
Biel ist schon mal erreicht, es geht schon durch die Vororte – noch immer entlang der Aare, ein weiteres Schild kündigt an: noch 3km bis ins Ziel. Ich mahne mich, dennoch jetzt nur nicht zu beschleunigen, denn irgendwie schwant mir, dass da noch etwas lauern könnte. Mein Bauchgefühl behält recht, kurz nachdem man von der Aare abgezweigt ist, geht es nochmal über eine Brücke – diesmal gehe ich die Steigung nicht und sammle dabei nochmal allerhand Läufer ein. Das gibt einen richtigen Schub, jedesmal wenn man noch an jemandem vorbeiziehen kann, egal wie entkräftet man eigentlich schon ist. Nach der Brücke geht es durch die Bebauung – einige Leute stehen an der Strecke und feuern an. Es geht nochmal einen knackige Steigung hoch, ich ärgere mich erst ein wenig, denn das muss ja nun nicht sein, noch auf den letzten Kilometern irgendwelche Höhenmeter-Ambitionen, aber es gibt mir ja auch nochmals die Chance einige Läufer zu überholen. Es geht entlang der Bahnstrecke, nur noch 1km liegt jetzt vor mir, runter vom Bahndamm, unter der Bahn durch, die letzten Höhenmeter des Laufs, dann wird es flach. Die letzten drei Kehrungen durch Biel hindurch ziehen sich scheinbar endlos, obwohl ich laut Pulsuhr deutlich flotter laufe. Immerhin habe ich mittlerweile wieder Orientierung und sehe den markanten Turm des Kongress-Zentrums: Da muss ich hin! Nach der vorletzten Kurve stehe ich dann auch schon vor dem Turm, eine Kurve trennt mich noch vom Ziel – vorher noch durch das Bierzelt mit der Kantine wo es schon herrlich nach Essen duftet – aber egal, jetzt nochmal die Beine in die Hand genommen und durchgespurtet – nur nicht von der Zeitmessmatte täuschen lassen die da im Zelt liegt, noch war da keine Ziellinie oder eine Medaillen-Ausgabe. Das alles kommt zusammen mit dem Ziel-Tor-Bogen nach der letzten engen Kurve ins Blickfeld – nochmal Tempo steigern und dann ist es auch geschafft – 100km. Ich kann es selbst kaum glauben. Marion steht am Zieleinlauf und hat reichlich Fotos gemacht. Ich genehmige mir erst einmal zwei kühle isotonische alkoholfreie Weizenbier – lecker und erfrischend nach der ganzen Lauferei.
Jetzt ist erstmal Zeit zum Ausruhen, vor dem Congress-Zentrum verschnaufe ich etwas und versuche zu entspannen, aber die Muskulatur rächt sich nun für die ganzen Kilometer – weniger mit Krämpfen als mit Muskelkater. Nach einer Viertelstunde mache ich mich dann ganz langsam auf den Weg in Richtung T-Shirt-Ausgabe, Medaillengravur und Duschen. In der Halle ist es etwas chaotisch, aber am Ende habe ich alles was ich brauche – zwei Urkunden und ein T-Shirt. Die Medalliengravur fällt scheinbar aus, die zuständige Firma hat den Veranstalter wohl im Stich gelassen. Immerhin ist man bemüht und notiert sich die Starternummer, die Medallie soll dann nachgeschickt werden. Da man das aber noch nicht versprechen kann, soll ich meine ungravierte erst einmal behalten – zwei Medalien für einen Lauf – auch mal was neues. Mit meiner Zielzeit von 11:09:29 bin ich absolut zufrieden – persönliche Bestzeit in Biel sowieso und noch dazu deutlich schneller als in Ulm. 243. in der Gesamtklassierung von 845 angekommenen Männern, und 18. in meiner Alterklasse, in der 53 Läufer ins Ziel gekommen sind.
Die Duschen befinden sich im Untergeschoss – ich bin natürlich nicht zimperlich und nehme die Treppen, auch wenn das etwas schmerzhaft ist, aber der Schmerz vergeht ja bekanntlich, der Stolz bleibt.
Fazit zum Lauf: Biel ist mittlerweile sehr bekannt und berühmt – in diesem Jahr wurde der Abwärtstrend bei den Teilnehmern insgesamt und auch bei den 100km gestoppt – insgesamt waren 1360 Teilnehmer am Start, die 100km erfolgreich absolviert haben 1013 Läufer innerhalb des Zeitlimits. Das ist eine ganz andere Veranstaltungsklasse als Ulm, das muss man ganz klar anerkennen – mit der steigenden Läuferzahl steigt logischerweise auch der logistische Aufwand den man als Veranstalter betreiben muss.
Von der Strecke her lassen sich die beiden Läufe finde ich sehr schwierig vergleichen – ich denke jede hat ihre Berechtigung, ihre Mankos und Längen, aber eben auch echte Highlights. Biel ist insgesamt etwas urbaner geprägt als es bei der Laufstrecke in Ulm der Fall ist. Man läuft doch mehr Kilometer in dicht besiedeltem Gebiet und hat gefühlt auch etwas mehr Industrie und Kläranlagen entlang der Strecke. Ulm kann hier einige Pluspunkte mit einer eher ländlichen Strecke gut machen. In Biel ist ein Großteil der Strecke sehr gut ausgebaut – die allermeiste Zeit sind es Straßen oder breite Feldwege, oftmals sogar asphaltiert oder zumindest befestigt. In Ulm sind die meisten Wege zwar auch befestigt, aber es sind mehr Anteile die eher einem Trail-Lauf gerecht werden enthalten, was auch seinen Reiz hat. In Biel ungünstig gelöst finde ich den Emmedamm – auch in Ulm gibt es ein Stück das ähnlich ist (ab ca. 50km bis ungefähr 55km), jedoch ist das noch deutlich angenehmer da nicht ganz so dunkel und mit genügend Möglichkeiten zum Überholen und Überholen-Lassen. Der Ho-Chi-Minh-Pfad ist hingegen so schmal, das dies nicht geht, noch dazu ist es aufgrund der Auenbewaldung an einigen Stellen stockduster.
Was mir auch aufgefallen ist: In Ulm wurde mit sehr viel Liebe zum Detail die Strecke ausgestaltet und wichtige Kilometermarken mit entsprechenden Versorgungsstationen ausgestattet – klassiche Punkte sind hierbei das Donau-Stadion bei Kilometer 50 oder auch die Wilhelmsburg als Augenweide bei Kilometer 80. In Biel liegen die Kilometer irgendwo mitten im Nirgendwo – für die Strecke an und für sich unerheblich und auch ob die Versorgung nun einige Kilometer früher oder später liegt ist im Prinzip nachrangig, aber es motiviert einfach deutlich besser wenn man an solchen Punkten auch etwas zu erleben hat.
Die Versorgung ist auch deutlich unterschiedlich – während man in Ulm auf etwas wie am Rennsteig setzt, also durchaus „feste“ Nahrung mit Kuchen, Schokolade und Wurst (ganz zu schweigen vom Aufgebot bei Kilometer 75 – jeder der dort einmal gelaufen ist kennt den Punkt auch als Schlemmer-Buffet), am Rennsteig war das Angebot leicht anders aber auch abwechslungsreich und mit genügend Auswahl für jeden Geschmack. Biel hingegen gibt sich hier sehr purisitisch – Iso in zwei Varianten, Tee, Wasser, Cola, Brühe, dazu jedesmal Riegel, Banane, Äpfel. Das geht auch, was mir gut gefallen hätte wäre etwas Salz pur gewesen, so muss man das über die Brühe aufnehmen. Wenn die Brühe dann auch noch kalt ist, macht das den Geschmack nicht unbedingt besser.
Ich bin dieses Jahr ohne Begleitradler unterwegs gewesen, Marion wollte urpsrünglich als Radler mitmachen, aber schwanger so lange Strecken radeln ist einfach ein No-Go. Die punktuelle Versorgung hat auch so sehr gut geklappt.
Mittlerweile ist Montag, der Muskelkater hat sich nach dem Lauf erstaunlich in Grenzen gehalten, auch wenn ich nach dem Lauf einigen Stunden an einem Rastplatz einfach nur geschlafen habe vor lauter Erschöpfung. Treppensteigen geht schon Sonntags wieder recht gut, ein wenig merke ich es auch heute noch, aber es ist kein Vergleich zu früheren 100km-Läufen. Das Training mit der Gruppe PULT hat mich dann doch entsprechend abgehärtet. Auch die knappe Abfolge von drei Wettkämpfen in sechs Wochen und regelmäßigem Training unter der Woche hat keine negativen Auswirkungen gehabt.
Ob ich den Lauf jedes Jahr machen möchte weiß ich noch nicht, das muss ich erst noch sehen, wie sich die Laufambitionen fürs nächste Jahr entwickeln – außerdem muss ich ab Oktober ja auch auf meinen anstehenden Nachwuchs Rücksicht nehmen. Das erschwert die Teilnahme an Wettkämpfen dann doch ein wenig. Aber man wird sehen.