Es ist Mai, also die beste Zeit sich einen Ultra vorzunehmen, den einzigen für dieses Jahr. Man wird als Papa ja doch etwas bescheidener (im letzten Jahr waren es noch drei Läufe mit mehr als 42km).
Nachdem Marion ja angeregt hatte, ich solle doch mal einen Ultra in Frankreich laufen, ist mir der „Trail des Pyramides Noires“ (Trail der schwarzen Pyramiden) aufgefallen. Dieser fand dieses Jahr erst zum zweiten Mal statt, im ehemaligen Kohleabbaugebiet im Nord-Pas-de-Calais. Diese Region ist etwas bekannter geworden durch den Film „Willkommen bei den Sch’tis„.
Die Anreise aus Brüssel ist recht kurz, der erste Eindruck der Gegend ist gemischt – man sieht von weitem schon die Abraumhalden des Bergbaus und auch die deutlichen Zeichen, dass dieser nicht mehr der Motor der Region ist, der er einmal war. In gewisser Weise vergleichbar mit dem Ruhrpott in Deutschland. Startnummernausgabe und Ziel ist denn auch an einem ehemaligen Bergwerk, 9-9bis (Schacht 9 und 9.2) – das Gelände wird jetzt als eine Art Kulturzentrum genutzt. Das Wetter ist etwas windig und kühl – für den kommenden Tag versprechen die Organisatoren allerdings Sonne. Angeblich wäre der Lauf teurer geworden, wenn man für zwei Tage Sonne bestellt hätte. Insgesamt sind die Preise aber sehr moderat – 50 EUR für 105km und 1700 Höhenmeter.
Da es sich nicht um einen Rundkurs handelt, haben wir ein Hotel in der Nähe des Starts genommen, alternativ gibt es einen Bus-Shuttle vom Ziel zum Start. Abends versuchen wir noch den Start zu finden, das gestaltet sich schwieriger als gedacht. Ich habe zwar eine Karte von der Website mit der Kennzeichnung Parkplatz und Start. Dieser befindet sich angeblich am Kloster „Chartreuse des Dames de Gosnay„. Das finden wir dank Wikipedia dann auch samt Koordinaten. Allerdings ist das alles andere als ein Highlight, es ist eine große Ruine, total verlassen mitten im Nirgendwo.
Drum herum ist nichts, aber auch gar nichts davon zu erahnen, dass in einigen Stunden hier ein Lauf starten soll. Etwas weiter entfernt finde ich als einzigen Hinweis eine Streckenmarkierung mit Flatterband. Im Regen will ich dann aber auch nicht mehr weiter suchen. Verlaufen während dem Trail kann ja jeder – schon bei der Suche des Starts Probleme zu haben ist dann definitiv eine Stufe weiter.
Stattdessen gibt es noch etwas zu Essen – im Industriegebiet gibt es eine Gaststätte „Trois Brasseurs“ (Drei Braumeister) – da schlage ich nochmal bei den Kalorien zu, bevor die kurze Nacht beginnt – der Start ist um 4:00h in der Frühe.
Im Hotel gibt es in aller Frühe noch ein kurzes Frühstück, ich bin derart unter Strom, dass ich mir das vor lauter Aufregung gleich nochmal durch den Kopf gehen lasse – immerhin: die zweite Portion bleibt dann auch im Magen – ich hoffe nur, dass dies kein schlechtes Omen für den Tag ist.
Am Start sind tatsächlich jede Menge Läufer versammelt – geparkt wird im Wohngebiet – ich frage mich, was die Anwohner wohl von der Aktion mitbekommen. Vor dem Start gibt es noch ein kurzes Briefing, gut das Marion dabei ist – sie übersetzt für mich. Wobei die Angaben recht einfach sind: Weißes Flatterband oder orangefarbene Markierungen auf dem Boden zeigen an wo es langgeht. Ich komme auch dahinter warum die wohl noch im Dunkeln starten: Dann sieht man nicht so arg wie verfallen das Kloster ist. Pünktlich um 4:00h knallt dann auch der Startschuss und es geht los.
Im Dunkeln geht es durch eine Art Naturschutzgebiet – auf den ersten Anstieg zu – ich bin recht gut beisammen und reihe mich im Feld ein. Trail ist bei dem Lauf wörtlich zu nehmen – es gibt jede Menge „gescheite Wege! (tm by Jürgen)“ – quer durch den Wald oder Gebüsch- teilweise geht es nur hintereinander zu laufen. Es sind genügend Läufer unterwegs, über die Strecke muss man sich nicht übermäßig Gedanken machen, wobei wir beinahe an einer Abzweigung vorbei laufen – es ist ja ein Trail – warum also den Wirtschaftsweg auf die Abraumhalde hochlaufen, wenn man auch direkt quer den Hügel hoch kann? Da hilft teilweise nur Klettern. Oben belohnt dafür ein herrliches Panorama im Morgengrauen, bevor es, natürlich auch wieder direkt, den Berg runter geht.
Ich laufe in einer kleinen Gruppe mit, das macht die Orientierung etwas leichter, denn mit einmal stehe ich auf einer Straße und suche die Markierung – der eigentliche Trail geht kurz vor der Straße durch den Busch. Der nächste Hügel ist schon in Sicht – diesen geht es natürlich auch wieder direkt nach oben – und oben erst einmal entlang der Abbruchkante zwischen dem Krater und der Außenwand – zumindest meinen das fast alle und ich laufe daher hinterher – irgendwann fällt dann auf, dass keine Markierung mehr da ist, besser gesagt: Diese befindet sich im Kraterinnern, also rutschen wir zügig den Hang hinunter. Langsam fühle ich mich auf dem Trail wohl – es fühlt sich an wie Ulmer Laufnacht, nur das man gefühlt permanent bei Kilometer 80+ über den Truppenübungsplatz läuft. Kurze Zeit später mache ich nach einer Abzweigung dann auch nochmal Bekanntschaft mit dem Boden – es geht mal wieder durchs Gebüsch – direkt nach dem Einstieg ist aber eine kleine Bodenwelle – auf der komme ich dann zu liegen – nichts passiert, die anderen drum herum erkundigen sich kurz und schon geht es weiter.
Der Trail ist teilweise wirklich abenteuerlich – es geht quer durch den Wald, oder auch mal wieder einen Abhang hoch. An einer Stelle stehen wir kurzfristig auch vor einem Bach – ich denke schon, jetzt sei auch noch ein wenig Triathlon eingebaut, aber der Trail geht dann doch am Ufer entlang.
Nach den Hügeln und Trails ist jetzt erst einmal ein wenig Erholung angesagt – es geht teilweise durch die Bebauung – wie ich bemerke, muss das ein alter Bahndamm sein, den man als Wanderweg hergerichtet hat – angesichts der Geschichte der Region ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass es derer wohl einige gibt. Nur wenige Kilometer später befindet sich die erste der insgesamt fünf Versorgungsstationen, ich habe wenig Hunger und der Rucksack ist noch gut mit Wasser gefüllt – für die kommenden 20km sollte das reichen. Eine Straßenecke weiter wartet Marion – mir ist zu dem Zeitpunkt nicht ganz wohl und ich bekomme einen Hustenanfall, weil ich mich an einem Stück Banane verschluckt habe – der Magen rebelliert dann gleich nochmal mit. Ich bin kurz davor den Trail einfach abzubrechen, aber der Stolz überwiegt noch – aussteigen nach nur 16km kommt gar nicht in die Tüte. Also mache ich mich wieder auf den Weg. Mittlerweile ist es hell geworden und ich laufe durch die Felder in den Sonnenaufgang – das tut
einfach nur gut und gibt mir wieder Zuversicht.
Die Strecke führt wieder auf einer alten Bahntrasse entlang auf die nächste Abraumhalde zu – diesmal sind es zwei Hügel, die man in der Ferne schon sehen kann. Im Kopf klingt „eine Insel mit Zwei Bergen“ aus „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ dazu. Die alte Bahntrasse lässt sich gut laufen, auch wenn immer mal wieder ein paar Schleifchen (tm by Peter) rechts und links durch die Bewaldung führen. Auch gibt es immer wieder Höhenmeter, nämlich immer dann wenn früher mal eine Brücke für die Bahn existierte – diese sind abgebrochen und stattdessen gibt es Treppen – jeweils einmal runter und drüben wieder hoch, teilweise ist der Damm sehr hoch aufgeschüttet und es gibt Treppenstufen.
Die beiden Berge nähern sich, und es gilt die Bergwertung zu bewältigen – einmal an den Aussichtspunkt am „Terril No2“ hoch und wieder runter, den „Terril No3“ muss man nur am Fuß umrunden, aber da kommen auch schon wieder Höhenmeter zusammen. Danach gibt es wieder ein Erholungsstück – es geht erst durch die Bebauung. Dort zweige ich für kurze Zeit falsch ab, weil eine Markierung ungünstig angebracht ist – zusammen mit einem nachfolgenden Läufer finde ich das aber recht schnell wieder heraus und wieder auf die Trasse zurück.
Es folgt ein Stück durch ein Waldgebiet, richtig schön, auch wenn dort wieder einige knackige Anstiege warten – diese gehe ich ganz bewusst hoch und nutze die Chance etwas zu trinken und zu Essen. Diese Passage wäre wieder etwas für Jürgen, viele Trails quer durch den Wald. Dieser recht schöne Abschnitt endet mit der Unterquerung der Schnellstraße, es geht wieder auf eine alte Bahntrasse diesmal als kleiner Park angelegt – alles sehr ruhig. Kurz nach Kilometer 30 wartet dann der nächste schwarze Berg. Der Trail schlängelt sich danach direkt auf den nächsten zu, es geht also fast Schlag auf Schlag. Ich sehne ganz langsam aber sicher die Versorgungstation herbei, aber die lässt noch auf sich warten – im Gegensatz zu meinen bisherigen Läufen gibt es keine Kilometer-Schilder an denen ich mich orientieren könnte. Eine GPS-Uhr habe ich ja nicht – meine Pulsuhr funktioniert einfach immer noch super zuverlässig und im Training weiß ich wie lange die Strecken sind, entweder ich messe sie ab oder jemand hat ein GPS dabei. Für Notfälle habe ich mein Handy dabei, dort ist auch die Karte samt Track eingespeichert, aber ich will nicht extra anhalten um zu sehen wie weit ich bin.
Ein Streckenposten in den Feldern informiert dann aber, dass der nächste Versorgungspunkt nur noch 800m weg ist, am Ende der Felder sieht man schon das Haus dazu. An dieser Station tanke ich dann auch ordentlich auf – denn nun folgt eine längere „Durststrecke“. Kurz nach der Station steht Marion mit Glen. Ich übergebe ihr die Stirnlampe bevor ich weiterlaufe – die werde ich nun nicht mehr brauchen.
Es geht weiter durch die Felder – in der Ferne sieht man bereits einige der kommenden Hügel, aber noch sind diese weit entfernt. Der Weg ist anfangs noch ein breiter Wirtschaftsweg, aber er wird nach und nach zum Trampelpfad durch die Felder – reichlich zugewachsen und an einer Stelle kann man sich entscheiden ob man durch die Felder will, oder doch über die Bauschutt-Buckel auf der Strecke. So sonderlich finde ich diese Einlage nicht, es ist verdammt anstrengend zu laufen, aber nach etwas mehr als zwei Kilometern hat das auch ein Ende und es geht wieder durch eine Ortschaft hindurch – es fällt mir nach der Ortschaft zum ersten Mal auf, wie dreckig das Umfeld der Laufstrecke ist – entlang der Autobahn aber auch sonst liegen jede Menge ausgedienter und zerstörter Möbel und Elektrogeräte – kein Aushängeschild für die Region.
Auf ein erfolgreiches „Recycling“-Konzept geht es dafür als nächstes zu, einer der ehemaligen Abraumhügel wurde erfolgreich zu einer Ski-Abfahrtspiste umfunktioniert – aktuell natürlich außer Betrieb, aber dennoch eine kreative Nutzung. Drum herum klappt das Recycling anscheinend nicht – es liegt allerhand Müll entlang der Strecke herum – auch wenn das nur wenige Meter sind, so bleibt es mir doch negativ im Gedächtnis. Nach einer Treppe umrunden wir den Hügel – hier sieht die Natur schon wieder besser aus – zumindest ist der Müll nicht direkt auffällig und man tritt nicht ständig auf irgendwelche Plastiktüten. Dafür verpasse ich eine Abzweigung und laufe erst einmal den Hügel am falschen Ende hinunter, nur um dort keine Markierung zu finden. Also retour und wieder einreihen. Ärgelich aber nicht zu ändern.
Die Strecke führt nun wieder durch die Felder – noch immer laufe ich mit Jacke, aber es wird langsam richtig sonnig und warm, zumindest so lange man nicht wieder durch eines der Waldgebiete oder den Park läuft – dort ist es immer leicht windig und entsprechend kühl. Irgendwann kommt dann auch endlich die nächste Versorgungsstation in Sichtweite – Kilometer 51 an der Kirche in Grenay. Marion suche ich vergeblich, per SMS erfahre ich, dass sie noch Glen füttert. Dabei wäre jetzt die Reserve-Jacke echt hilfreich. Die bisherige ich klatschnass vor Schweiß. Kurzentschlossen packe ich sie in den Rucksack. Das verschwitzte Shirt wärmt zwar nicht und mir frösteltet etwas, aber ich hoffe einfach, dass es in den kommenden Kilometern wieder trocknet. Aus dem Ort hinaus sieht man schon die nächsten Hügel, die es zu erklimmen gilt. Diesmal auch wieder mit Kontrolle auf dem Gipfel, der Ausblick bei herrlichem Wetter ist wunderbar, leider habe ich keine Zeit ihn wirklich zu genießen.
Nach einigen Kurven den Hügel wieder hinunter geht es durch Liévin, ich gehe und stärke mich aus meinem Vorrat im Rucksack. Währenddessen versuche ich mit Marion einen Treffpunkt auszumachen, aber spätestens nach dem Passieren des Wasserturms von Liévin ist mir klar, dass es wohl nichts mehr wird vor der 74km Marke – denn die Strecke führt nun wieder auf Wirtschaftswegen und Trampelpfaden durch die Landschaft. Ich kann wieder einige Zeit gut joggen, die steileren Steigungen gehe ich allerdings konsequent nach oben. Nach Angres geht es in ein Naherholungsgebiet, das hat sich um einen der Abraumhügel herum entwickelt und ist richtig schön – man läuft durch den Wald auf einem ausgebauten Wanderweg bevor es den steilen Anstieg hinauf geht. Gefühlt kann die nächste Versorgung nicht mehr weit sein, ich nutze dennoch die Gehphase um zu Trinken und Gummibärchen verspeisen. Hatte nicht einer der Ordner etwas von Kilometer 66 gesagt – von dort wären es ja dann nur noch 8km gewesen, aber laut Uhr bin ich schon fast
wieder eine Stunde unterwegs – das will nicht zusammen passen.
Ich vermute die Station am Fuß der Abraumhalde, aber auch da taucht sie immer noch nicht auf – stattdessen geht es nochmal über einen kleineren Hügel und durch eines der Industriegebiete von Lens. Langsam werde ich unsicher: Habe ich die Station verpasst? Womöglich irgendwo eine Abkürzung genommen die ich gar nicht nehmen wollte, weil ich eine Markierung falsch interpretiert habe? Kurz nach dem Bahnhof kommen wir in einen Park und es wird mir zu bunt. Ich krame mein Handy aus der Tasche – Marion hat sich gemeldet – sie wartet und beschreibt einen Park mit einer Allee – das könnte hinkommen. Ich jogge etwas weiter, aber die Beschreibung passt nicht zu dem was ich sehe. Also öffne ich die Offline-Map (Locus-Maps ist ein klasse Tool, gerade im Ausland oder in Gebieten mit fehlender Netzabdeckung) – das erleichtert mich dann doch: Laut GPS bin ich auf der Strecke erst bei 73,2km – also noch etwa 800m plus etwas Toleranz. Also doch alles richtig – Erleichterung. Fast schon leichtfüßig jogge ich den letzten Anstieg vor der Versorgung hinauf.
Die Versorgung ist etwas größer, es gibt Musik und jede Menge Verpflegung. Ich schaufle Kalorien in mich hinein und lasse mir meinen Trinkrucksack auffüllen – der ist komplett leer, viel weiter weg hätte die Station also nicht mehr sein sollen. Marion bringt mir die Ersatzjacke – noch brauche ich die nicht, aber man weiß ja nicht was noch kommt an Wind. Zwischenzeitlich hatte sich die Wolkendecke auch mal etwas zugezogen, aber jetzt scheint wieder die Sonne.
Vor mir liegen noch 31km und laut Marion noch sieben Hügel (man könnte fast meinen man ist in Rom). Es folgt eine recht angenehme Strecke – es geht ganz leicht bergauf – vermutlich wieder eine alte Bahntrasse, aus dem Ort hinaus. Teilweise wird die Strecke mehr zur Übung für den Kopf als für die Beine, denn vor oder hinter mir sehe ich trotz sehr langer Geraden keinen einzigen Läufer. Dennoch stehen an fast jeder Querung Helfer, die den Verkehr regeln. Ein ganz herzliches Dankeschön dafür an dieser Stelle. Am Ende der Flachstrecke befindet sich natürlich wieder ein Hügel, direkt neben dem „Parc des Îles“ – ein Freizeitpark, der schön angelegt ist. Auf dem benachbarten Messegelände ist ein großes Drachenfest – mehr als 50 Drachen schweben dort in allen Formen und Farben in der Luft. Damit hat man trotz der Anstrengung etwas als Ablenkung – der Ausblick vom Plateau ist einfach wunderschön. Ich hole einen Läufer ein und ziehe mir dir Jacke über – der Wind hat ganz ordentlich aufgefrischt. Die Hügel sind mal wieder im Doppelpack – nach dem Gefälle zurück an den Park geht es natürlich gleich wieder hoch – erst durch die ausgetrockneten Staubecken, dann auf den Grat. Auf der Kuppe halte ich Ausschau ob nicht denn schon irgendwo das Ziel in der Ferne auszumachen ist. Ich müsste ungefähr 10km zurück gelegt haben, also noch ungefähr ein Halbmarathon liegt vor mir.
Steil geht es runter vom Hügel – der Trail schlängelt sich durch verschiedene Grünflächen der Stadt und die Industriegebiete – mal mehr mal weniger zugewachsen. Vor allem fällt mir negativ auf, wie viel Müll im Gebüsch liegt. Nach dem Unterqueren der Bahnlinie laufen wir auf den „Parc des Rescapés“ zu, der an das große Grubenunglück erinnert. Den sogenannten „Weg der Überlebenden“ sparen wir aus, auch wenn er irgendwie passend wäre vom Namen.
Nun folgt eine längere Strecke durch ein altes Abraumgebiet bzw. eine Brache – nicht unbedingt ein Highlight – zumal ich recht viel gehen muss, einfach weil mir die Engergie fehlt. Es geht in der Nähe des Klärwerks vorbei, das riecht man mehrere Kilometer lang auch entlang des Kanals der dorthin führt. Das wird recht schnell besser, als wir uns einem Park nähern. Der ist dann wieder ein echter Hingucker, inklusive Querung der Seen mit Brücke oder mit dem Springen von Stein zu Stein. Gefühlt müsste demnächst die nächste Versorgung auftauchen – nach einer Wiesenfläche sehe ich ein deutliches Indiz dafür: Unser Mietwagen steht seitlich auf einem Parkplatz. Keine 5 Minuten später stehe ich an der Versorgung bei Kilometer 94.
Ein letztes Mal greife ich bei Cola und allerhand Kalorien zu und lasse den Rucksack füllen. 11km und ein letzter Abraum-Hügel liegen noch vor mir. Die Streckenführung ist nun recht angenehm – eine ganze Weile am Kanal entlang. Mir gehen Erinnerungen durch den Kopf, an den Neckarkanal in Mannheim, aber auch an die Zeit als ich Nürnberg regelmäßig am Main-Donau-Kanal trainiert habe. Unterbrochen wird die flache Strecke nur durch das ein oder andere „Schleifchen (tm by Peter)“, damit man noch einige Höhenmeter mehr bekommt. Ich muss vergleichsweise viel gehen, da hilft es auch wenig, dass ich nochmal Energie aus dem Rucksack nachführe. Die Kilometerangaben für die Schifffahrt sind gut zur Orientierung geeignet: Ich orientiere mich daran, immer versuchen einen zu joggen, danach einen gehen, wie ein Laufanfänger es auch machen würde.
An einer Brücke geht es weg vom Kanal und anschließend über die Autobahn – noch immer sehe ich die Fördertürme von 9-9bis nicht – weit können die allerdings nicht mehr sein. Ich gehe schon wieder geraume Zeit, auch als ich das Ortsschild von Oignies passiere, dabei fällt mir unter anderem auf, dass Mutterstadt, ein Örtchen bei mir daheim um die Ecke Partnerstadt ist. Ein Läufer überholt mich und motiviert mich – es ist nicht mehr weit – laut seinem GPS noch 5km. Also raffe ich mich nochmal auf und trabe an. Es geht erstaunlich gut, anfänglich kann ich nicht ganz mithalten, aber es wird immer besser und als wir aus dem Feld wieder in den Wald kommen lasse ich ihn hinter mir – diesmal muss er gehen, er nimmt mir das allerdings nicht krumm.
In der Ferne ist Musik zu hören – das muss das Ziel sein, allerdings ist vor dem Ziel noch ein letzter Abraum-Hügel zu überwinden bzw. zu erklimmen – einmal hoch, Ausblick aufs Ziel erhaschen und wieder runter. Auf dem Hügel spielt eine kleine Kapelle – einfach genial. Der letzte Abstieg fällt vergleichsweise leicht, auch wenn die Knie zu verstehen geben, dass langsam genug sei. Über die Straße und dann auf den Zielbogen zu. Geschafft! 105km und 1700hm liegen hinter mir – Marion ist noch nicht da, ich war auf die letzten 11km deutlich schneller als gedacht. Keine Ahnung wie das geht, denn ich bin auch wieder viel gegangen. Ein Helfer nimmt mir den Zeitmess-Chip vom Schuh und ich hole mir meine Finisher-Jacke ab (es gibt kein Trikot sondern mal was sinnvolles). Während ich die Massage genieße trifft Marion ein. Ich begutachte derweil noch die Schäden am meinem Laufwerk – eine dicke Blase und eine Scheuerstelle – mehr nicht, das ist gut.
Ich löse noch den Gutschein für etwas zu Essen und ein Bier ein, zwischenzeitlich wird mir mal wieder kalt weil ich so ausgelaugt bin. Aber ansonsten ist alles ok, auch die Rückfahrt bis ans Hotel überstehe ich ohne Krämpfe. Am nächsten Tag gibt es dann auch die Ergebnisse online: 13:10:47 – damit auf Platz 23 insgesamt (gestartet sind 135 Läufer über 105km, angekommen sind 108). In der Altersklasse bin ich sogar auf Platz 9 gelandet.
Fazit: Der Lauf ist anspruchsvoll und hat durchaus seine Reize. Organisatorisch ist noch etwas Luft nach oben. Zumindest gelegentliche Kilometerschilder wären ganz nett, und auch eine klare Kennzeichnung des Startbereichs schon am Vortag wäre sinnvoll. Die Abraumberge sind Thema des Laufs und auch sehr schön zu laufen, wenn auch anstrengend. Weniger schön sind die Strecken durch die Industriegebiete und auch einige Trampelpfade könnten eine Entrümpelung vor dem Lauf vertragen. Das würde auch dem Image der Region entgegen kommen. Ob ich den Lauf gleich nächstes Jahr nochmal machen will, weiß ich noch nicht, aber irgendwann sicher einmal wieder. Unschlagbar ist auf alle Fälle das Preis/Leistungs-Verhältnis: Für 50 EUR gibt es 105km, 5 Versorgungstationen, atemberaubende Ausblicke und für die Finisher ein personalisiertes Jäckchen. Von daher kann man dem Lauf nur wünschen, dass noch mehr Teilnehmer sich dafür begeistern können und er nicht wieder in der Versenkung verschwindet.