Es geht ins Frühjahr und mit den weniger frostigen Temperaturen und der zunehmenden Helligkeit in den Morgen- und Abendstunden sind auch wieder mehr Radfahrer unterwegs. Erfreulicher Weise auch immer wieder einige Familien, gerade am Wochenende. In dieser Miniserie aus mehreren Postings möchte ich auf einige eigene Erfahrungen eingehen.
Hiermit erst einmal ein paar grundlegende Dinge rund ums Radfahren mit Kindern bzw. in der Familie. In den weiteren Artikeln gehe ich dann auf die spezifischen Herausforderungen sowohl organisatorischer Art als auch einige technische Themen ein.
Das Fahrrad ist nach dem Tret-Roller wohl das erste „brauchbare“ Verkehrsmittel das unserem Nachwuchs einen ersten Schritt in die weitere Welt um den Wohnort eröffnet. Zumindest soweit es um das eigene Erkunden und Erleben geht. Urlaube und Ausflüge mit den Eltern in verschiedene Länder und Regionen sind wichtig, haben aber immer einen „Aktions“-Charakter und sind zumeist auf die Ferien und Urlaube beschränkt. Mit dem Fahrrad hingegen ist es möglich mit dem eigenen Freundeskreis in Kontakt zu bleiben und selbstständig zu den verschiedenen Freizeitaktivitäten zu gelangen.
Leider, muss ich als Eltern sagen, wird es dem Nachwuchs heute vielfach deutlich erschwert oder schlichtweg abgesprochen sich selbstständig auf dem Rad zu bewegen. Das Fahrrad wird an vielen Stellen als „Spielzeug“ abgetan und vielfach auch als solches durch die Eltern behandelt. Die gesellschaftlichen Vorgaben hierzu sind auch nicht gerade ermunternd – wie für so vieles ist die empfundene Komplexität gigantisch und somit definitiv nicht kindertauglich. In Teilen ist das sicherlich korrekt aber wenn man sich der Komplexität nicht stellt geht diese auch nicht weg.
Ein häufiges Argument, das ich höre und auch erlebe: Es ist zu gefährlich die Kinder mit dem Rad zu einer Aktivität fahren zu lassen. Da ist an vielen Stellen sicherlich etwas dran, aber: Warum ist es denn so „super gefährlich“? An erster Stelle bei den Gefahren steht dann ganz häufig: Da ist eine Straße bzw. man muss eine Straße queren. Das gehört in diesem Fall aber zu Natur der Sache, ohne befahrbaren Untergrund macht das Radfahren nur in Ausnahmefällen Spaß.
Offizieller Weise müssen laut deutscher Gesetzgebung Kinder mit dem Rad bis zum Alter von acht Jahren den Gehweg benutzen. Das klingt im ersten Moment vernünftig, macht in der Praxis aber mehr Probleme als man ggf. denkt. Unter anderem ist die Nutzung der Gehwege heute selbst mit einem Kinderfahrrad an vielen Stellen nicht einmal mehr möglich, da der motorisierte Verkehr den Gehweg beim Parken gleich teilweise mit in Beschlag nimmt. Da ist mit etwas Glück Platz für einen Fußgänger nebendran, mit Kinderwagen wird es schon zur Herausforderung, Gegenverkehr noch nicht einmal eingerechnet. Und soll jetzt ein Kinderrad sicher durchkommen ohne dass man sich als Eltern ständig Gedanken über Lackschäden und Kollisionen macht? Als Erwachsener soll man dann die Kinder auch noch mit dem eigenen Rad begleiten und dafür ggf. ausnahmsweise auch den Radweg nutzen. Wie das gehen soll ist mir unklar. Wichtigste Lehre daraus: selbst beim Einparken mit dem (Familien)-Auto einmal darauf achten, dass man den Gehweg frei lässt und nicht den Bordstein mitbenutzt.
Was macht die oder eine Straße für Radfahrer und radfahrende Kinder noch gefährlich oder lässt diesen Eindruck entstehen? Zum einen ist es die dort vorherrschende Geschwindigkeit – bei 50km/h innerhalb geschlossener Ortschaften muss man schon wirklich „sattelfest“ sein um dort radeln zu können. In der Regel ist es aber weder für Kinder noch für Radfahrer notwendig direkt an derartigen Straßen zu fahren. Häufig sind genügend Seitenstraßen vorhanden oder der Verkehr mittlerweile ohnehin im Tempo gedrosselt – sei es durch Beschilderung und bauliche Maßnahmen oder auch weil zu viel los ist und es sich ohnehin staut. Seitenstraßen sind hier oftmals die ruhigere Wahl, das schult auch die Ortskenntnis und hat schon zum einen oder anderen Aha-Effekt geführt, wenn man die Umgebung seines eigenen Wohnorts besser kennen lernt. Es bleiben aber natürlich Fälle an denen man „über die Straße“ muss. Auch hier gilt: Übung macht den Meister und wenn man sich an den Schulwegen, welche die Kinder meist am besten kennen, orientiert, so stellt man fest: In vielen Fällen sind sichere Querungen vorhanden, man muss sie nur nutzen: Ampel, Zebrastreifen, Verkehrsinseln. Sicherheit in deren Nutzung erhält der Nachwuchs bereits dadurch, dass er den Schulweg selbst zurück legt, ggf. am Anfang in Begleitung: die allerersten Schulwochen bieten sich hier absolut an.
Womit wir bei einem leidigen Thema wären: der Schulweg. Im Idealfall ist die Schule fußläufig zu erreichen, aber wann hat man schon Idealzustände? Die Realität ist, dass die Strecke oftmals doch ein wenig länger ist als das man sie gerne zu Fuß zurück legt. Roller und Fahrrad bilden hier sehr gute Lückenfüller, leider machen es gerade die Schulen den jungen Verkehrsteilnehmern hier unnötig schwer: Man muss fast von einer Entmündigung sprechen: Typisch deutsch braucht man für alles einen „Schein“, also hier einen Führerschein für Tretroller bzw. für das Fahrrad. Problem dabei ist: diese Qualifikationen werden erst in der zweiten bzw. in der vierten Klasse erteilt. Ab dem Zeitpunkt sollen die Kinder das Gefährt dann jeweils sicher beherrschen und dürfen es erst dann für den Schulweg nutzen. Wann soll denn bitte die Übung für diese Nutzung erfolgen? Klar ist: nicht auf dem Schulweg, da ist es ja untersagt. So wird man dem Problem aber nicht Herr (oder Frau) – bis zum Zeitpunkt der Prüfung haben sich die Schützlinge schon so an den Komfort gewöhnt, dass sie gar keinen Anreiz mehr haben mit dem Roller oder Rad zur Schule zu kommen. Die Auswirkungen des Bewegungsmangels einmal ganz außen vorgelassen, hier vergehen wichtige Jahre in denen die Lernfähigkeit und Lernwilligkeit gerade im motorischen Bereich noch sehr hoch ist. Hier sollte dringend gegengesteuert werden, von mir aus mit festen Terminen (z.B. alle drei Monate) an denen jeder Schüler einer Grundschule den Schein durch Nachweis seiner Fähigkeiten erhalten kann. Ich rede hier nicht von einer mehrstündigen Prüfung in Theorie und Praxis, ein kleiner Parcours mit Pylonen und eine Haltelinie reichen für die Praxis aus, genauso wie einige simple Fragen zum Verkehrsverständnis.
In diesem Sinne wünsche ich einen guten Start in die radelnde Frühjahrsaison.