Eigentlich hatte ich mir ja nach dem Wettkampf an der Weinstraße vorgenommen, etwas Regeneration zu machen – also etwas ruhigere Trainingseinheiten. Durch Verletzungspech eines anderen Teilnehmers bekam ich aber kurzfristig die Möglichkeit am Halbmarathon in Heidelberg teilzunehmen. Ob ich nun eine Trainingseinheit mache oder ob ich nach Heidelberg fahre und dort teilnehme nimmt sich ja nicht all zu viel.
Luftlinie sind es rund zehn bis zwölf Kilometer zwischen meinem Wohnort und dem Start. Wie ich leider bei der Prüfung der Option ÖPNV feststellen muss, liegen scheints aber doch Welten dazwischen – die meisten der vorgeschlagenen Verbindungen brauchen etwas mehr als eine Stunde für die Distanz. Da kann man es ja fast laufen oder mit dem Rad fahren. Am Ende entscheide ich mich dann für den kombinierten Verkehr: Mit dem Rad an einen günstig gelegenen S-Bahnhof und ab dort dann mit der Teilnahmebestätigung. Alles sehr gut organisiert und ausgeschildert. Am Start treffe ich dann auch Micha und Frank, sie haben für mich am Vortag schon die Unterlagen abgeholt und die Ummeldung vorgenommen. Bevor es losgeht laufen wir uns noch einige Meter warm – wobei warm ist mir auch so – es ist kurz nach neun und die Sonne strahlt vom blauen Himmel mit aller Kraft.
Mit dem zweiten Startblock setzen wir uns dann auch in Bewegung. Der Lauf wurde mir von mehreren Läufern beschrieben, stets wurde er als vergleichsweise anspruchsvoll beschrieben. Der Blick auf die Karte hat mir das auch bestätigt. Einige kurze Passagen kenne ich bereits vom Trail-Marathon bzw. der Aktion MTB+Run im vergangenen Herbst. Andere Teile kenne ich aus verschiedenen Trainings bzw. Spaziergängen mit der Familie. Der Anfang ist aber erst einmal vergleichsweise harmlos – es geht eine Schleife durch die Altstadt und an die alte Brücke. Ich pendle mich irgendwo bei um die 4:30 min/km ein – für mich aktuell ein sehr flottes Tempo, aber ich kann es doch recht gut halten. Nach der Brück folgt eine große Schleife durch den Stadtteil Neuenheim – noch immer recht flach. Am Neckarufer unter einer Brücke hat sich eine Blaskapelle aufgebaut und steigert die ohnehin schon gute Stimmung noch weiter. Mittlerweile stehen etwas mehr als 6km zu Buche.
Nun wird es nach dem Warmlaufen zum ersten Mal ernst, was die Höhenmeter betrifft. Es geht auf den bekannten Philosophenweg – dieser zieht sich am Hang des Neckartals von Heidelberg nach Ziegelhausen. Der Einstieg ist sehr knackig – es geht in einem Rutsch rund 80 Höhenmeter innerhalb eines Kilometers geht es nach oben. Meine Pulsuhr zeigt Werte an, die ich sonst dort eher nicht sehe – aber ich beiße es durch. Nach dem Anstieg steht dankenswerter Weise eine Wasserstation – wie schon bei den vorherigen greife ich zu bei Wasser und vor allem Iso. Die nachfolgende Strecke empfinde ich nicht als übermäßig anstrengend – vielmehr ähnelt sie meiner Trainingsstrecke aus dem Exotenwald bei Weinheim – es geht über mehrere Kilometer stetig ein ganz klein wenig bergan. Ich kann das alles recht gut laufen, aber ich merke auch, dass es immer wärmer wird. Praktischerweise liegen große Teile der Strecke im Schatten. Schon bald ist der zehnte Kilometer bezwungen, kurz vor Halbzeit.
Ab Kilometer elf ist dann erst mal Schluss mit bergauf – es geht ziemlich ordentlich bergab, mal mehr mal weniger steil. Ich kann das immer noch recht gut laufen, mit großen Schritten geht es abwärts auf das Stift Neuburg zu. Die Strecke bis dahin bin ich schon mal mit der Familie und dem Kinderwagen entlang gekommen, ich weiß also was mich erwartet. Etwas unerwarteter geht es dann vor dem Stift nach links und schlagartig geht es auch wieder bergan. Auf dem Profil ist dieser Zacken auch extra ausgewiesen. Ich quäle mich nach oben, es stehen reichlich Motivationssprüche auf dem Boden. Zudem steht an der Strecke jemand mit einem Plakat: „The end is beer“ – gegen eine Hopfenkaltschale hätte ich in der Tat gerade nichts einzuwenden. Immerhin nach rund 200m hat die Quälerei ein Ende und es gibt wieder eine Versorgung (ohne Bier).
Jetzt geht es nochmal abwärts bis runter an den Neckar und durch Ziegelhausen durch an die Brücke. Die kenne ich ja bereits vom Trailmarathon, im Flachen weiter das Tempo zu halten fällt mir schon etwas schwerer aber mit einer Banane aus der Versorgung geht es gleich schon wieder besser. Ich verfluche es etwas, dass ich kein Gel mitgenommen habe, außerdem muss ich sagen: Mein Trinkrucksack wäre zwar zusätzliches Gewicht, aber gegen den latenten Durst wäre er echt hilfreich (zumal er ja dann auch jedesmal ein klein wenig leichter wird). Nach der Brücke bleiben wir im Gegensatz zum Trailmarathon erst mal noch ein Stück am Neckar. Auf der Brücke haben wir Kilometer 15 erreicht.
In Schlierbach steht nochmals eine Wasserstation, ich kippe Wasser und Iso in mich hinein, danach geht es unter der Bahnlinie durch und sehr stramm nach oben. Auf den Kilometerschildern ist dankenswerter Weise auch immer ein Höhenprofil abgebildet, zusammen mit einer Markierung wo man sich gerade befindet. Ich weiß also: Es ist der letzte Anstieg und die Gipfelhöhe ist geringer als am Stift Neuburg. Allerdings habe ich jetzt ja auch deutlich mehr Kilometer in den Beinen. In einer der Serpentinen muss ich dann doch auf Gehen zurück schalten, es fehlt mir einfach die Power weiter zu joggen. Der Blick auf die Uhr sagt mir aber, dass ich immer noch gut in der Zeit liege – und da ich ja ohne feste Zielzeit gestartet bin, macht mir die Gehpause nun auch nichts mehr. Kurze Zeit später gibt es Gummibärchen – wunderbar für mich, wenn ich nur etwas mehr Flüssigkeit dabei hätte, so klebt der Energiespender doch ziemlich ekelhaft.
Nach dem steilen Anstieg geht es nunmehr in leichten Wellen oberhalb der Neckars entlang – vorbei an der Bosch-Villa und bei Kilometer 18 ist man auch schon oberhalb des Schloss. Für einige wenige Meter sind wir wieder auf der gemeinsamen Strecke mit dem Trailmarathon. Nur biegen wir diesmal nicht in den Schlosshof ab, sondern nehmen die Serpentinen der Straßenzufahrt. Etwas bedenklich finde ich, dass mich die Führungsradler des 3. Startblocks einholen – ich bin also doch eher am Ende des Spektrums unterwegs – ausgeschrieben waren bis 1:50h. Ich habe also noch etwa 12 Minuten Zeit um zumindest dieses Limit einzuhalten. Das mittlerweile selbst angepeilte Ziel von 1:45 könnte knapp werden. Es geht zwar richtig gut bergab und ich kann immer noch Tempo machen, allerdings habe ich mich etwas verschätzt was den Zieleinlauf durch die Hauptstraße betrifft – es geht vom Kornmarkt bis an Universitätsplatz – alles flach, teilweise aber noch etwas Kopfsteinpflaster. Endlich taucht das Schild für Kilometer 21 auf – ich gebe nochmal alles was irgendwie verfügbar ist und laufe über die Ziellinie. Geschafft, aber die Muskulatur bedankt sich ganz herzlich, und auch die Füße melden sich mehr als deutlich nachdem ich das Ziel durchgquert habe.
An den Versorgungsmöglichkeiten fülle ich Flüssigkeit auf, mehr als einen Litter Iso und nochmal einen halben Liter Wasser genehmige ich mir. Zudem ein paar Happen Bananen und Brot. Außerdem gibt es noch eine Goodie-Bag von Henkel, einem der Hauptsponsoren – besonders wichtig ist dort der Hinweis, dass das ausgeteilte Gel-Waschmittel nicht zum Verzehr geeignet ist. Ausgehungerten Läufern muss man wirklich alles zutrauen. Im Ziel treffe ich dann auch bald Frank, er war nur wenige Sekunden hinter mir, laut seiner Aussage hat er mich auch immer mal wieder gesehen. Die offiziellen Ergebnisse bestätigen dies – 1:45:29 zu 1:45:53h stehen am Ende als Nettozeit. Für mich Platz 422 gesamt, für Frank 436 von insgesamt 2346 Finishern also beide im vorderen Fünftel des Feldes. Da kann man für einen Trainingslauf echt nicht maulen. In der Altersklasse reicht es für Platz 59 bei mir von 285, auch das finde ich nicht schlecht.
Insgesamt ein sehr schöner wenn auch sehr anspruchsvoller Lauf. Den mal eben so laufen sollte man sich gut überlegen oder zumindest die Zeiten deutlich höher als gewöhnlich ansetzen. Den Lauf kann man recht gut irgendwo zwischen Stadtlauf Nürnberg und Weltkulturerbelauf in Bamberg einordnen. Landschaftlich sehr reizvoll und sportlich ist auch einiges geboten. Ich bin aber am Überlegen ob ich den Lauf als Trainingseinheit vor der nächsten Teilnahme in Bamberg einplanen soll. Vom Höhenprofil wäre es ein nahezu ideales Training.
Weniger erfreulich gestaltet sich für mich die Rückfahrt, da ich recht zeitig wieder nach Hause will, ist der Shuttle noch nicht eingerichtet und der reguläre Busverkehr ist aufgrund der Sperrungen noch etwas durcheinander. Vielleicht doch beim nächsten Mal direkt mit dem Fahrrad hinfahren, das gibt dann eine richtig knackige Trainingseinheit.