Seit dem letzten Mal ist er Tradition, daher diesmal zum vierten Mal – der Weinstraßen-Marathon. Der Lauf findet nur alle zwei Jahre statt, praktischerweise immer um ein Jahr versetzt zum Weltkulturerbelauf in Bamberg – so wechsle ich dann jedes Jahr zwischen den beiden ab.
Zeitlich liegt der Lauf in einer recht wechselhaften Jahreszeit – die meiste Zeit aber haben die Organisatoren einen guten Draht zu Petrus. Diesmal scheint es zumindest auf dem Weg zur Veranstaltung nicht ganz so gut geklappt zu haben: Leichter Sprühregen auf der Windschutzscheibe und starke Bewölkung prägen das Bild als ich mit samt Familie auf dem Weg nach Grünstadt an den Shuttle-Bus bin. Der Shuttle-Transfer ist auch diesmal wieder die Achilles-Ferse der Veranstaltung – da die Weinstraße für die Zeit der Veranstaltung gesperrt ist, fährt der Bus eine Sightseeing-Runde über die Dörfer – inklusive kleiner Nebenstraßen und Zusatzschleifen da an einigen Punkten der Wendekreis nicht mit den Kurven kompatibel ist. Irgendwie unverständlich – bei den letzten Veranstaltungen wurde bis kurz vor dem Start die gesperrte Strecke befahren. Immerhin wir sind pünktlich und Umziehen muss ich mich auch nicht – nur noch die Startunterlagen abholen und die Wechselsachen für hinterher einchecken. Kurz danach kommt dann auch die Lieferung „schönes Wetter“ – die Wolkendecke reißt auf und es wird deutlich wärmer. Meine Jacke verstaue ich daher gleich einmal im Kinderwagen – die werde ich wohl nicht brauchen.
Kurz vor dem Start treffen wir dann noch auf Lore, eine der weiteren Starterinnen für die DJK Feudenheim, die auch über die volle Distanz gehen will. Für den Nachwuchs ist im Start/Zielbereich einige geboten. Ein Spielmobil ist angerückt und gleich mehrere Hüpfburgen. Für mich geht es dann aber bald in Richtung Start. Kurz vor Erreichen des Startblocks wird dann angekündigt, dass der Start sich um 10 Minuten verzögert, da noch Läufer mit den Shuttle-Bussen unterwegs sind … Um zehn nach zehn kracht dann aber endlich auch der Startschuss. Ich verabschiede mich von Lore und laufe los.
Die ersten Kilometer ist das Feld noch sehr dicht gedrängt, noch dazu ist die Ortsdurchfahrt von Bockenheim historisch nicht gerade breit angelegt. Ich habe mich mal wieder etwas zu weit hinten angestellt und muss mich nun erst mal zur passenden Position im Feld vorarbeiten. Angesichts eines leichten Schnupfens bin ich mir aber noch nicht ganz schlüssig wo ich mich einsortieren soll, bzw. welche Zielzeit ich anstreben will. Ich habe mir einfach vorgenommen anzukommen und den Lauf möglichst zu genießen bzw. so zu laufen, wie es mir gerade recht ist, völlig ohne Druck. Es geht entlang der Weinstraße auf eines der Highlights der Strecke zu – die sogenannte Asselheimer Wand. Jetzt geht es sie noch locker leicht nach unten, später bei Kilometer 39 bis 40 muss man sie wieder rauf. Ich nutze die Chance eines Weinbergs um mir etwas Lauferleichterung zu verschaffen, prompt laufe ich auch weniger verkrampft.
Es geht durch Asselheim welches dann fließend in Grünstadt übergeht – in Asselheim noch ansteigenden, nach Grünstadt hinein dann wieder leicht abwärts. Grünstadt selbst ist vergleichweise flach. In der Fußgängerzone ist richtig viel los, viele Leute an der Strecke sorgen für eine tolle Stimmung. Ich selbst bin mir immer noch nicht ganz sicher ob das mit den 42km heute irgendwie klappen kann – ich peile nun im Kopf erst einmal den Kilometer acht an – an diesem muss man sich entscheiden ob man Halbmarathon oder Marathon laufen will. Es geht durch die Weinberge, leicht hügelig. Recht steil geht es dann nach Kleinkarlbach bergab – in der Ferne kann ich schon das Gebäude des Friedhofs auf der anderen Seite des Tals erkennen – da geht es dann bald schon wieder raus aus dem Ort. Am Ortseingang dann die Entscheidung – für mich mittlerweile klar: Halbe Sachen mache ich nicht wenn es auch ganze gibt – also nach rechts auf die Marathon-Strecke. Im Ort ist wieder viel los, zumal man nochmals mit den Halbmarathonis zusammen trifft. An der Versorgung greife ich wieder zu – ISO, Apfelsaft und ein Stück Banane. Das reicht hoffentlich an Energie für die kommende Steigung, die gleich nach der Marathon-Abzweigung „Marathonis links, jeder nur einen Riesling-Schorle … “ beginnt. Den angebotenen Riesling-Schwamm an der Versorgung habe ich ausgelassen. Es geht nun hoch zum Friedhof und danach noch weiter stetig bergan. Ich unterhalte mich mit zwei Läufern.
Kurz vor Bobenheim am (Wein)-Berg hole ich einen alten Bekannten, Uwe, ein – mit ihm habe ich bereits den Rennsteig bestritten – lustigerweise haben wir ohne Absprache beide das Rennsteig-Shirt für den heutigen Tag ausgewählt. Für mehr als eine kurze Abfrage reicht es dann aber doch nicht – zu different sind unsere Geschwindigkeiten. Es geht noch ein wenig weiter bergan – der nächste Ort heißt ja auch noch mal passend – Weisenheim am (Wein)-Berg. Mittlerweile habe ich das erste Drittel der Strecke bewältigt – 14km. Es folgt noch eine kleine Welle nach Leistadt hinein – offiziell sind wir damit schon im Bad Dürkheim – auch wenn das Zentrum noch rund 5km entfernt liegt. Nach Leistadt folgt eine sehr angenehme Phase des Laufs – es geht stetig bergab – fast drei Kilometer lang. Da fällt schon der Übergang zum flachen Laufen in Bad Dürkheim selbst schon fast schwer. Es geht in Sichtweite des großen Fass vorbei, dann aber doch noch ein Schlenker ins Tal hinein – vor allem weil dort eine Unterführung die Talstraße quert ohne dass der Verkehr wegen der Veranstaltung vollständig zum Erliegen kommen würde. Es geht nochmal kurz bergauf und dann kommt auch schon Kilometer 20 in Sichtweite – für die Duo-Marathonis ist damit auch die Wechselstelle erreicht. Für mich geht es weiter – an der Versorgung wieder Banane und reichlich zu trinken – es ist doch verdammt warm geworden und die nächsten Kilometer gehen durchs freie Feld.
Es geht nun durch den Kurpark und vorbei an der Saline, ich denke ein wenig zurück an die Rheintalquerung – bei dieser markierte nach rund 45km die Saline den Endpunkt des Laufs. Ich bin kurz am Überlegen ob es nicht einfacher wäre, jetzt den Weg nach Hause anzutreten – es wäre auch nicht weiter als zurück nach Bockenheim. Aber es fehlt ja der wichtige Versorgungsbus und vor allem mein Schokokuchen (der Energieriegel vom Blech) – von daher bleibe ich dann doch auf der Veranstaltungsstrecke. Diese führt nun in einer Schleife an das Industriegebiet von Bad Dürkheim heran, am Wendepunkt geht es mit einer Brücke über die Bundesstraße, kurz danach steht wieder eine Versorgung. Noch ist alles flach und ich greife reichlich zu, denn die Steigungen kommen in wenigen Kilometern. Zwischenzeitlich fliegt auch der Kilometer 24 an mit vorbei – ein gutes Zeichen – jetzt sind es nur noch 18km bis ins Ziel. Ärgerlicherweise fange ich bereits jetzt im Kopf an rückwärts zu zählen.
Es geht endlich weg von der Bundesstraße, auf Ungstein zu und damit endet auch ganz langsam der flache Teil der Strecke. In Ungstein geht es sachte bergauf, nach dem Ortsausgang geht es ans Eingemachte auf Kallstadt zu. Die Strecke ist gut besucht und es gibt sogar eine Samba-Band am Rande – echt klasse, das schiebt einen förmlich den Berg hoch, auch wenn der doch recht knackig ist – einige Läufer müssen bereits gehen – auch mir ging es hier schonmal nicht so gut, aber aktuell ist noch ordentlich Kraft vorhanden. Nach Kallstadt geht es wieder ein eine Senke – nicht übermäßig aber man merkt es spätestens wenn es auf Herxheim am (Wein)-Berg zugeht. Dort steht dankenswerter Weise auch nochmal eine Wasserstelle – es gibt sogar Traubensaft (unvergoren), damit er nicht zu süß und klebrig wird mache ich kurzerhand einen Schorle – halbe Wasser halbe Traubensaft. Das bringt mich dann auch recht gut aus meinem Motivationsloch heraus. Immerhin bleibt die Strecke jetzt erst nur leicht wellig – in einem Zacken schwenken wir nach Dackenheim, dort gibt es nochmal Banane und Getränke. Am Ortsausgang greife ich dann doch beim Riesling-Schwamm zu. Wie ich sagen muss, diesmal nicht die beste Idee – die kommenden Kilometer habe ich leichte Bauchkrämpfe. Zudem klebt das Trikot, da man nach nunmehr 31km nicht mehr zu koordinatorischen Höchstleistungen wie Laufen und gleichzeitig aus einem Schwamm trinken in der Lage ist.
Kirchheim heißt der nächste Ort, dort hat sich meine Familie positioniert – die Nachricht dazu lese ich auf dem Handy aber erst im Ziel und von daher kommt es etwas unerwartet zwischen Samba-Band und Versorgung. Für ein Bild reicht es da auch nicht mehr – zu sehr bin ich in meinem Lauftunnelblick verhaftet. Im Kopf motiviere ich mich: Noch ein Tal vor Grünstadt und dann die Asselheimer Wand – noch 9km – das muss jetzt irgendwie auch mit grummelndem Bauch doch noch machbar sein. Immerhin die Banane kommt genau richtig und vor allem ist es diesmal nicht nur ein Stück sondern eine Ganze. Der Taleinschnitt hat es nochmal ganz ordentlich in sich, es geht durch die Baustelle der Umgehungsstraße – diese führt schön als Brücke über das Tal hinweg, als Läufer muss man das Tal durchschreiten und danach geht es erst nochmal richtig heftig bergauf. Viele müssen hier gehen, ich mache etwas kleinere Schritte kann aber den Berg damit ganz gut bezwingen. Kurz vor Kilometer 35 schwenken wir dann auf die bekannte Strecke vom Anfang ein.
Die Strecke durch Grünstadt ist nun deutlich weniger belebt und zieht sich ein wenig – noch dazu brennt einem die Sonne recht kräftig auf der Haut. In der Fußgängerzone ist auch etwas Ruhe eingekehrt – nur an der Versorgung ist noch ordentlich Stimmung – ich greife bei allem zu was ich kriegen kann – vor allem gibt es jetzt auch Cola. Ich verschlucke mich dabei fast, denkbar unpassend – immerhin ist der Husten recht schnell vorbei. Es geht aus Grünstadt leicht bergan. Die Steigung habe ich schlimmer in Erinnerung als sie tatsächlich ist. Dementsprechend flott kann ich sie bewältigen. An der Kuppe steht auch ein wichtiges Motivationsschild – 38km liegen hinter mir – noch 1km bis zur Asselheimer Wand und 3km bis ins Ziel.
Vor der Asselheimer Wand greife ich nochmal bei Cola und Co zu – in der Hoffnung, dass ich damit genügend Energie getankt habe die kurzfristig abrufbar ist. Mit leichtem Schwung geht es dann die letzte signifikante Steigung nach oben – der Kilometer fühlt sich an wie Kaugummi, aber ich bin immer noch recht gut dabei und kann sogar noch einige Läufer überholen – wobei es natürlich auch Leute gibt die mich noch überholen – hauptsächlich sind das aber Duo-Marathonis für die jetzt der Endspurt beginnt – nach 18km hätte ich auch noch deutlich mehr Power für eine derartige Steigung. Die Strecke schwenkt dann endlich auf die Bundesstraße ein, und es geht nur noch wenige Meter bergan bis zum 40km-Schild. Noch zwei Kilometer, ich schaue kurz auf die Uhr und es sieht gut aus – Puls ist im Rahmen und vor allen Dingen wird es wohl reichen für unter 3:45h im Ziel. Ich hole meine Flasche aus dem Gürtel und trinke den letzten Rest Wasser. Jetzt gibt es nicht mehr viel zu verlieren – ich lasse es so gut es eben noch geht rollen. Nach Bockenheim rein geht es abwärts. Wie ich sehe ist die Organisation gerade noch damit beschäftigt, die letzten Schilder des Halbmarathons auf das Besenfahrzeug zu verladen. Schon Wahnsinn, dass ich soviel mehr Strecke in der Zeit bewältigt habe.
Am Ortseingang steht das Schild für 41km – jetzt kann ich zum Endspurt ansetzen, ich hole nochmal reichlich Läufer ein. Die Strecke wird belebter, es gibt jede Menge Anfeuerungsrufe und Motivation. Rund 800m vor der Ziel überholt dann auch noch der Notarzt mit Sirene und Blaulicht – da hat es wohl jemand mit dem Zielspurt übertrieben. Es geht nochmal ganz leicht nach oben, bevor das Haus der deutschen Weinstraße in Sichtweite kommt. Die Zeitmessung zeigt etwas um die 3:38 an – das motiviert nochmal. Mit Schwung geht es dann über die Ziellinie – geschafft und noch dazu in einer Zeit die ich mir am Anfang nicht hätte träumen lassen. Im Ziel gibt es dann erst mal ein alkoholfreies Weizen und jede Menge Iso-Getränk.
Nach der ersten Erholung hole ich meine Sachen und gönne mir die Massage – eine ganze Physio-Schule steht bereit um die Läufer nach dem Wettkampf durchzukneten – ein super Service. Danach geht es unter die Dusche – die Leute drängen sich dicht in den Duschräumen der Turnhalle – vor der Halle hat die Feuerwehr aber auch die Dekon-Ausrüstung aufgefahren – dort ist es herrlich ruhig und man kann ich aller Ruhe duschen. Marion ist derweil mit den Kindern unterwegs im Shuttle-Bus – ich muss sogar noch ein wenig warten bis sie am Bahnhof eintreffen. Wir trinken noch eine Kleinigkeit im Festzelt bevor wir den Heimweg antreten. Auch hier ist am Bahnhof wieder Geduld gefragt, der erste Bus ist rappelvoll und wir lassen ihn fahren. Der zweite ist dann unserer, auf dem Weg müssen wir noch einen Nothalt einlegen, da ein Läufer kollabiert ist – ein deja-vue für mich, das kenne ich bereits aus Bamberg… Aber auch in diesem Fall ist es halb so wild – einmal Schocklagerung – Beine hoch geht es dem Läufer schon wieder besser. Das Angebot den Rettungsdienst zu rufen lehnt er ab. Stattdessen wird ein Kollege ihn mit dem Auto abholen. Eine Ersthelfereinsatz hätte ich jetzt gerade noch gebrauchen können, denn auch ich bin reichlich ausgepowert. Immerhin dauert der Transfer an den Parkplatz diesmal nicht so lange, da die Strecke mittlerweile für den Busverkehr wieder freigegeben ist. Ich genieße nochmal den Ausblick auf die Strecke und den Blick auf die Asselheimer Wand.
Zwischenzeitlich sind per Messenger auch die ersten Ergebnisse eingetroffen – die mobile Fassung der Website für die Ergebnisse ist nicht wirklich brauchbar – zumindest bekomme ich keine Ergebnisse angezeigt. 3:37h für mich und Lore hat 4:37h erreicht. Zumindest für mich bin ich absolut zufrieden – deutlich mehr erreicht als ich erwartet habe. Noch besser wird es, als ich daheim am Rechner nachschauen kann: 91er gesamt (gefühlt zum ersten Mal unter den ersten hundert), 79er Mann im Ziel und in der Altersklasse mit Platz 8 unter den Top Ten. Das freut und motiviert für den SRH-Marathon in rund 4 Wochen. Der wird flacher und vielleicht klappt es nach der Vorbereitung dann auch wieder mit weniger als 3:30h. Ich bin gespannt. Der Weinstraßen-Marathon kommt auf alle Fälle schon mal auf die Liste für 2020.