Der Titel hört sich im ersten Moment etwas schräg an – insbesondere wenn man zu den etwas älteren Semestern gehört, die noch die Anfeindungen Microsofts in Richtung Linux kennen gelernt haben. Unter anderem mit Werbesprüchen wie „ein freies Betriebssystem hat nicht nur Vorteile“ – verbunden mit einem Bild welches Piguine als Repräsentanten von Linux zeigte mit nicht ganz passenden Köpfen. Das war 2001 und geworben wurde für Windows 2000. Die Zeiten haben sich geändert und mittlerweile gibt es sogar offizieller Weise ein „Windows Subsystem for Linux“ (WSL) und auch erfreuliche Entwicklungen hin zu einer deutlich brauchbareren (Power-)Shell als es die altgediente command.com bzw. cmd.exe je waren. Das Ganze kommt nicht ganz von ungefähr – mit der Microsoft Azure Cloud mussten Werkzeuge her mit denen man Systeme vernünftig remote administrieren kann – da ist es durchaus legitim einmal zu schauen was bei anderen Betriebssystemen für den Erfolg mit verantwortlich ist.
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Immer wieder eine Freude – Mailserver einrichten
Neue Dinge machen bekanntlich in der Regel richtig Laune und Spaß – sei es neues Auto, neue Wohnung, neues (Männer-)Spielzeug. Natürlich habe ich mich daher auch über einen neuen Server auf Arbeit gefreut. Aber bekanntlich ist es bei einigen Dingen mit der Anschaffung bzw. Bestellung und Lieferung nicht getan. Die neue Wohnung will bezogen werden, das neue Auto eingeräumt etc. – genauso ist es mit einem Server, auch der wird zwar voreingerichtet geliefert, aber diverse Details und Stellschrauben muss man noch anpassen.
Die gängigen Services die auf einem Linux-Server sind in der Regel schnell eingerichtet, sei es ein Datenbank-Backend in Form von MySQL oder MariaDB, Apache als Webserver ist in der Regel auch gut paketiert, PHP als Standard-Glue-Language ebenso. Damit ist LAMP zumindest einmal abgehakt. Die Kür sind dann noch die Konfigurationen von Apache für verschiedene virtual Hosts (also mehrere Domains auf einer IP), und ggf. die notwendigen Extras für PHP (z.B. Imagick für die automatisierte Bildbearbeitung, diverse Klassen aus dem PEAR-Verzeichnis wie Tools zum Excel-Export) – alles nicht wirklich kompliziert.
Einziger Knackpunkt der mich jedesmal nervt ist die Einrichtung des Mailservers. Zwar funktioniert der Server im ersten Moment auch ohne, aber spätestens beim Versand von Systemnachrichten oder beim Aufruf der Mailfunktion aus PHP kommt man um einen Mailserver nicht oder nur schwerlich herum.
Warum ist das so? – Zum ersten gibt es nicht den Mailserverprozess an sich – wenn man es mit Windows vergleicht wäre eine solche Lösung wohl etwas in der Art wie Exchange, das aber weit mächtiger ist als ein reiner e-mail-Server. Vielmehr müssen für eine Mailserver wie ihn der Nutzer wahrnimmt verschiedene Räder ineinander greifen – leider nicht nur zwei sondern eine ganze Menge mehr.
E-mail – als erstes denkt man hier einmal an das altbekannte SMTP (Simple Mail Transfer Protocol) – wie bei allem wo „simple“ dransteht ist es das leider nicht. Ebenfalls spielen noch andere Protokolle eine wichtige Rolle: IMAP (Internet Message Access Protocol) und POP3 (Post Office Protocol 3). Allein für diese drei Protocolle ergeben sich schon mal mindestens drei Serverprozesse. Auf POP3 kann man evtl. heute im Zeitalter von Flatrates verzichten, allerdings bringen ettliche IMAP-Server auch gleich die POP3-Funktionalität mit, schaden kann es auf keinen Fall, auch wenn der Abruf über eine Wählverbindung eigentlich nur noch eine Nischenlösung ist.
Was macht da eigentlich was und warum gibts da verschiedenes, es geht doch um ein einzelnes „Produkt“ bzw. eine „Dienstleistung“. SMTP dient der Weitergabe von e-mails – viel mehr ist darin gar nicht spezifiziert. Eine e-mail wird zwischen verschiedenen System damit weiter gereicht bis sie ihren Bestimmungsort erreicht hat. Das kann durchaus einmal mehrere Schritte umfassen, nachverfolgen kann man es in den Headern der e-mail, die man nicht immer angezeigt bekommt, aber jedes bessere Mailprogramm hat dafür eine Option. Wie das Zielsystem mit der Mail umgeht ist ihm überlassen. Früher war es üblich pro Benutzer einfach eine Textdatei zu nehmen und die Mails dort hintereinader einzutragen. Das sogenannte MBox-Format, für wenige und reine Textmails eine praktikable Lösung, beim heutigen Volumen (Attachments) und dem parallelen Zugriff von mehreren Endgeräten nicht mehr so ganz aktuell, auch weil es keine Ordner-Struktur unterstützt (oder nur auf Umwegen, die zwar „akzeptiert“ aber nicht wirklich standardisiert sind). Durchgesetzt hat sich als Ersatz das Maildir-Format, wie der Name schon andeutet gibt es da Directories also Verzeichnisse. Ferner wird für jede e-mail eine separate Datei verwendet. Je nach Dateisystem ist das nicht unbedingt platzsparend, aber Speicherplatz ist heute ja in Hülle und Fülle vorhanden.
In den allerwenigsten Fällen ist das Zielsystem der e-mail gleich dem verwendeten Endgerät (schon allein aus Gründen der Erreichbarkeit – ein e-mail-Server ist 24h am Tag erreichbar, das Endgerät im Zweifel nicht). Daher gibt es die Protokolle IMAP und POP3 um e-mails vom Mailserver abrufen zu können. POP3 ist dabei an der klassischen Post orientiert: Man holt seine Nachrichten aus der Box und was man dann damit macht ist nicht mehr Sache des Servers (es sei denn man setzt spezielle Optionen) – der Vorteil: Es bedarf keiner ständigen Verbindung, Nachteil: Habe ich ein Smartphone, einen Laptop, einen Rechner und will womöglich noch per Webmail-Interface auf meine Mails zugreifen, wird die Synchronisation haarig bis unmöglich. IMAP ist daher Stand der Technik – die Nachrichten verbleiben auf dem Server, die meisten Clients haben aber einen Offline-Modus um die Nachrichten vorzuhalten, wenn gerade keine Verbindung zum Server möglich ist. IMAP und POP3 kümmern sich also um die „letzte Meile“ des e-mail-Verkehrs. Daher haben diese Protokolle auch schon immer eine Benutzer-Authentifizierung vorgesehen, denn ein Mailserver hat ja in aller Regel multiple Postfächer. SMTP hatte das anfänglich nicht, und das ist eine echte Design-Schwäche, die unter anderem für eine e-mail-Plage namens SPAM mit verantwortlich ist.
Soweit so gut, wir haben also 3 Prozesse, das sollte sich doch machen lassen oder etwa nicht? Naja, ganz so einfach ist es heute leider nicht mehr: Im vorangegangenen Absatz habe ich bereits über Authentifizierung gesprochen, also Zugriffsbeschränkungen. Damit nicht jeder einfach SPAM verbreiten kann, sollte kein Mailserver irgendwelche Mails, die nicht für ihn bestimmt sind annehmen und weiterleiten (sogenanntes offenes Relay) – früher war das eine praktische Sache, aber heute ist es schon fahrlässig bis strafbar so etwas zu machen – jeder der sich selbst um den Mailserver kümmert weiß wie viel SPAM angelandet wird (bei mir ca. 95% aller Zustellversuche!). Nun gut, Benutzername und Passwort das ist ja gängig – nur diese Information müssen sich dann auch noch die drei Prozesse teilen und sie sollten nach Möglichkeit synchron laufen. Dafür kann man das Benutzerverwaltungs-System des Zielhosts heran ziehen, das ist der klassische Weg. Die Serverprozesse arbeiten dann mit den Passwort-Mechanismen des Betriebssystems zusammen. Für kleine Server sicherlich eine gute Möglichkeit, aber was wenn man mehrere Domains verwalten möchte, die unterschiedliche Nutzer haben? Für jeden auch noch ein Systemkonto anlegen (mit allen Vor- und Nachteilen) das wird irgendwann anstrengend und schwer zu warten ist es auch noch. Auf alle Fälle aber bedarf es also eines vierten Teils, der sich um die Authentifizierung kümmert, das kann PAM (Plugabble Authentification Module) sein, oder ein andere Mechanismus. Sind wir also bei 4 Prozessen, die man beachten muss. Nicht mehr schön aber noch überschaubar …
Lustig wird es erst bei weiteren Maßnahmen, die man heute aber leider treffen muss: SPAM-Abwehr und Virenschutz. Jede e-mail muss beim Eingang also überprüft werden, dazu gibt es verschiedene Mechanismen. SPAM bekämpft man klassischer Weise mit Spamassassin – ein recht ausgefeiltes (und wiederum modulares) System zur automatischen Inhaltsanalyse (z.B. Abfrage von Blacklists bekannter SPAM-Schleudern, Bayes-Filter und noch einiges mehr), für die Viren und Trojaner gibt es Virenscanner (so viele man möchte, bzw. soweit es der Server von der Leistung hergibt). Bewährt hat sich im Linux-Umfeld mittlerweile der OpenSource-Scanner ClamAV. Sind wir numher also bei 6 Teilen die man zusammensetzten muss, von der jeweiligen Einzelkonfig mal ganz abgesehen. Damit das Filtern leichter geht und auch eine gewisse Fehlerbehandlung (Virenscanner schmiert ab, Spamassissin hängt, etc.) zu erreichen, gibt es die Glue-Software „amavisd“. Macht in Summe schon einmal 7 Prozesse die es zu beherrschen gilt. MySQL bzw. Maria-DB kommt ggf. noch dazu wenn man die e-mail-Adressenverwaltung und ggf. auch die Speicherung der e-mails in einer Datenbank realisieren möchte.
Weiter kann man die Komplexität noch nach oben treiben, wenn man Verschlüsselte Verbindungen wünscht…. Insgesamt also doch ein recht umfangreicher Brocken nur für e-mail, das ja eigentlich bei einem Webserver „nur“ im Hintergrund mitlaufen soll. Die Einrichtung von Clients oder einem Webmail-Interface ist hingegen recht leicht wenn die Infrastruktur einmal steht. Diese stützen sich in aller Regel auf die oben genannten Protokolle und Schnittstellen. Damit der Post hier nicht zu lange wird, mache ich in der näheren Zukunft mal einen zu einer Konfiguration die ich am Laufen habe und mit der ich recht zufrieden bin.