Das neue Jahr ist gestartet – das Training läuft und läuft (im wahrsten Sinne des Wortes) – nur die Wettkämpfe lassen noch auf sich warten. Eigentlich ist es ja auch noch etwas arg kühl für einen Wettkampf und nicht die klassische Zeit – wer sich zu Jahresbeginn einen guten Vorsatz genommen hat, der ist jetzt noch nicht so weit einen größeren Wettkampf durchzuziehen. Aber wer schon im Training ist und „nur“ über Weihnachten etwas „aktive Regeneration mit verstärkter Kalorienaufnahme“ gemacht hat, der lauert ja schon förmlich auf die ersten Chancen.
Bisher habe ich meine Saison frühestens im Februar in Groß-Gerau über 10km gestartet. Letztes Jahr hat mich eine ordentliche Grippe davon abgehalten in Rodgau gleich zu Jahresbeginn einen Testlauf für Biel zu absolvieren – ob das damals schon ein Vorhinweis auf den Einsatz an der Elbe war? – Egal, schon vor Weihnachten haben wir das in der Laufgruppe in den Kalender eingetragen. Mit einem Ziel trainiert es sich ja bekanntlich leichter. Rodgau ist für mich der erste Ultra des Jahres in der näheren Umgebung – etwas mehr als 100km mit dem Auto – das ist definitiv machbar.
Aus der Anmeldung wusste ich schon: Es sind etwas mehr als 1000 Leute angemeldet für diesen Ultra-Lauf entsprechend voll ist es auf den Parkplätzen aber wir finden doch noch einen Platz, gut dass wir als Fahrgemeinschaft angerückt sind. Auf den Support durch meine Freundin Marion muss ich dieses Mal verzichten, sie hat selbst eine Vereinsveranstaltung im Laufe des Tages – aber bei den Temperaturen an der Strecke stehen, ist auch nicht jedermanns Sache (auch wenn die Organisatoren die Supportler gegen eine Spende an der Versorgung teilhaben lassen – sehr löblich).
Vor dem Lauf noch eine kurze Abstimmung – die Gruppe um Peter Müller (auch bekannt als P.U.L.T. = Peters Ultra LaufTreff) ist bunt gemischt und so teilen wir uns auf – einige wollen nur ankommen oder kündigen gleich zu Beginn an, nur 40km oder ggf. einen Marathon mitzumachen – die große andere Gruppe peilt anfänglich mal die 5:45 min/km an. Eine Besonderheit des Laufs im Rodgau: Es ist ein Rundenlauf – jede Runde 5km, 10 Runden sind zu absolvieren. Jeder der nach mehr als 15km aussteigt wird aber in der entsprechenden Streckenlänge separat gewertet – auch nicht verkehrt, falls es nur ein Testlauf ist, kann man wenn es hart auf hart kommt elegant aussteigen. Vor dem Start gibt es eine kleine Aufwärm-Übung: Vom Parkplatz bis an den Start geht es erst einmal 1km durch den Wald – schon der Kilometer kommt mir etwas langezogen vor, ich hoffe innerlich, dass die anderen offiziell vermessen sind.
Pünktlich um 10:00h ist Start und die Masse setzt sich in Bewegung. Noch ist das Feld dicht gedrängt und beim Überqueren der Matte staut es ein wenig, aber nach und nach kommt alles ins Laufen. Ich orientiere mich – Jürgen, Frank und Harald sind alle dicht bei mir und wir geben ein wenig Gas. Frank ist noch etwas kalt und daher schlagen wir ein geringfügig schnelleres Tempo an, damit ihm nicht kalt wird. Auf den ersten Kilometern sind wir mir 5:30min/km unterwegs. Aber es läuft sich ja so locker, also lassen wir es laufen. Nach 800m kommt die Versorgungstation und es geht ins freie Feld – es ist mit Temperaturen um den Gefrierpunkt recht frisch und ein leichter Wind kühlt zusätzlich. Kurz nachdem es wieder in den Wald geht, passieren wir bereits Kilometer 2 – na das ging ja fix. Bei Kilometer 2,5 steht ein weiteres Zelt mit Musik für die Läufer, an der Kreuzung geht es auf eine kurze Pendelstrecke damit pro Runde auch wirklich 5km zusammen kommen. Kurz nach der Pendelstrecke steht auch schon das Kilometerschild 3km – superfix und lockerleicht bisher. Natürlich immer noch deutlich zu schnell – mittlerweile sind wir bei nur noch etwas mehr 5min/km und ich mahne ganz vorsichtig, doch etwas langsamer zu machen. Aber warum nicht laufen wenn es gut läuft? Es geht im Zick-Zack durch eine paar Wiesen bevor die Strecke wieder im Wald verschwindet. Im Gegensatz zu letztem Jahr, als überall Eis und Schnee lagen haben wir dieses Jahr jede Menge Matsch, der natürlich durch die Läufermassen auch noch schön breit getreten wird. Bei Kilometer 4 geht es eine kleine Steigung hoch – nicht wirklich viel, laut Höhenmesser sind es pro Runde nur um die 10hm. Aber ich ahne schon, dass dieser Buckel am Ende sich um so höher anfühlen wird. Noch ein paar Schlenker und schon geht es auf die Start-Ziel-Gerade. Die gut sichtbare rote LED-Uhr spitzt schon aus der Ferne durch das Geäst.
In Runde zwei greife ich gleich mal bei der Ernährung zu – Banane und Keks, das halbwegs gemütlich gekaut und schon ist man wieder bei Kilometer zwei – aus der Entfernung schallt und da schon „Cotton Eye Joe“ entgegen. Wieder nix von wegen „Rodgau Monotones“ mit „Die Hesse komme“ – aber es sind ja noch einige Runden bis zum Ziel. Ich laufe ein gutes Stück mit anderen Läufern – Frank hat sich vorne abgesetzt, Jürgen sehe ich jedesmal auf der Pendelstrecke, Harald ist auch irgendwo unterwegs.
Runde drei hänge ich mich an ein paar nette Läufer, einer aus Heilbronn – Tempo weiterhin deutlich unter 5:30 min/km.Aber noch ist es recht gut zu laufen, auch wenn die Strecke langsam doch etwas monoton wird. Runde vier gibt es wieder Kekse und Banane wie jede Runde, da ich selbst etwas zu trinken am Gürtel habe, entfällt der Stopp am Getränkestand. Die kleine Gruppe zerfällt, ich ziehe an der Verpflegung schneller wieder von dannen. Bei Kilometer 4 haben sie mich dann wieder eingeholt. Irgendwo entlang der Strecke sammle ich auch Frank wieder ein. Jürgen hält weiter Abstand, auch wenn der scheinbar kürzer wird.
Runde vier läuft weiterhin richtig gut für mich, ich werde immer noch schneller obwohl ich eigentlich langsamer machen wollte. Naja kann man nichts machen. Langsam wird die Strecke aber tatsächlich langweilig bzw. monoton. Immerhin rolle ich langsam das Feld von hinten auf, es sind also immer Läufer vorhanden an die man sich langsam „ransaugen“ kann. Das motiviert natürlich ungemein. Auch die fünfte Runde vergeht one irgendwelche nennenswerten Beschwerden oder Veränderungen – ich futtere weiterhin jede Runde Banane und Kekse, dazu Apfelsaftschorle. Aber die Motivation lässt langsam nach. Ich versuche mich damit aufzuheitern, dass die Hälfte ja schon geschafft ist und 25km die noch vor mir liegen ja nur ein wenig mehr als eine Trainingseinheit sind.
Auf Runde sechs ist es deutlich zu merken: Jürgen holt langsam aber sicher auf – ich weiß nur nicht ob er schneller oder ich langsamer werde. Aber es sind ja nur noch 20km als ich durchs Ziel laufe – nicht mal mehr ein Halbmarathon, ja fast noch nicht mal eine richtige Trainingseinheit – aufgeben: Jetzt nicht mehr. An der Versorgung ist es etwas voll in dieser Runde – ich erwische gerade keine Kekse sondern nur Banane. Aber das sollte ja eigentlich auch reichen – weit ist es ja nicht mehr. Was mir auffällt: Der Wind hat ein wenig aufgefrischt, auf den Passagen durch die Felder wird es merklich frisch in meiner dünnen Bekleidung. Ich laufe mittlerweile meinen ganz eigenen Pace, irgendwie findet sich keiner in meiner Geschwindigkeitsklasse. Aber immer noch jede Menge Leute. Auch die erste Frau hat zwischenzeitlich überholt, aber es ist ja auch ein Testlauf für mich. Die Platzierung ist mir im Prinzip egal, das Wichtigste ist immer noch das Ankommen.
Immerhin: Runde sechs ist gemeistert, weiter geht es mit Runde 7. Immerhin schon 35km gelaufen – die Marathon-Marke kann man schon fast sehen (genauer gesagt kommt man jede Runde an der entsprechenden Markierung vorbei, aber sie zählt natürlich nur in Runde 9). Ich motiviere mich – bis ins Ziel komme ich auf alle Fälle nochmal, und wegen drei läppischer 5km-Runden werde ich jetzt nicht mehr aufgeben, auch wenn es mittlerweile härter wird, aber noch fühle ich mich ganz passabel.
Runde acht beginnt ganz gut, aber ich merke, dass ich langsam Federn lassen muss – ich habe etwas mehr Durst und bediene mich an meiner Flasche – nur um dann festzustellen, dass die fast leer ist. Das ist natürlich gerade etwas blöd, aber weit ist die nächste Versorgung ja eigentlich nicht. Trotzdem: ich werde langsamer und Jürgen zieht an mir vorbei. An der Verpflegung tanke ich ein wenig, aber ich bin so fertig, dass es gar nicht recht flutschen will. Immerhin bin ich ja nun in der Marathonrunde – noch ein klein wenig mehr als 9km liegen vor – mir. Also Kopf hoch und durchbeißen. So zumindest die Theorie. Die geht aber nur bis zur nach der Marathon-Marke auf – bei Kilometer 43 streikt mein Körper endgültig und ich muss frustriert gehen. Immerhin finde ich einen anderen Läufer dem es ähnlich geht – er hat sogar noch eine Runde mehr vor mir. Gegenseitig motivieren wir uns und schieben uns so langsam aber sicher in Richtung Verpflegung – eine Runde ist es noch, die will ich dann auch noch machen, der Ehre halber wenigstens ankommen. Was ich bisher vergessen hatte beim Esssen: Elektrolyte, insbesondere Salz. Das merke ich nun um so mehr, bei jedem Versuch auch nur ganz vorsichtig wieder anzujoggen zucken die Waden und machen mir klar: Mach weiter und es krampft richtig.
An der Versorgung mache ich dann Nägel mit Köpfen: Jede Menge Wasser, warmer Instant-Tee, Iso-Getränk, Cola – dazu Bananen und Salz-Cracker. Danach der vorsichtige Versuch wieder anzulaufen, es sind ja nur noch 4,2km – also ein Zehntel Marathon. Nach anfänglichen Protesten aus der Wadengegend läuft es dann docch wieder – wenn auch nicht mehr mit ganz so hohem Tempo. Ich beginne mich auf den Zieleinlauf vorzubereiten. Nochmal die Pendelstrecke, danach sind es nur noch 2km. Letzte abgelesene Zwischenzeit war irgendetwas um 4:10h – im Kopf überschlage ich was angesichts des Gehens bis an die Versorgung noch drin sein könnte – die 4:30h sind definitiv nicht zu erreichen – die 4:40h wären es wohl mit einem Sprint, was aber nicht mehr geht – aber 4:45 sollten machbar sein. Ganz vorsichtig steigere ich wieder das Tempo. Rein in den Wald und die einzige kleine Steigung hoch – noch 1km, ich mahne mich dazu nicht zu sprinten sondern die Kräfte einzuteilen. Endlich kommt die Zieluhr in Sicht – und passend zu meiner wieder hergestellten Form läuft gerade „All right now“ von Free … beim Spurt über die Ziellinie muss ich dann doch mitgrölen – laut und schräg, denn nun ist ja wirklich alles in Ordnung, ich bin im Ziel, ich hab es geschafft.
Die Verpflegung im Ziel ist richtig gut, auch wenn ich wenig Hunger habe – Malzbier, Weizenbier alkoholfrei, Limonade, Tee – was das Läuferherz begehrt. Ich hole meine Tasche und ziehe mir ob der Kälte gleich mal ein frisches langes Trikot und eine trockene Jacke über, die Wettkampfklamotten sind absolut durchnässt. Kurz nach mir trifft Frank ein – auch er hat es geschafft und war im Endeffekt nur wesentlich langsamer. Ich ärgere mich ein wenig über den „Anfänger-Fehler“ mit zu wenig Essen und Trinken, irgendwie muss ich mir wohl doch mal einen Ernährungsplan für solche Aktionen zusammenstellen. Harald lässt noch auf sich warten, aber mir wird es zusehens kalt, trotz der Folienjacke die es im Ziel gibt (sehr praktisch!). Also machen wir uns langsam auf den Weg zur Halle und zum Auto. Ich habe für Haralds Fahrzeug natürlich keinen Schlüssel und da drin liegt mein Handy sowie das Duschzeug. Immerhin mein Notfall-Set aus Handtuch und Duschgelproben habe ich bei mir. Da Harald uns auch am Auto noch nicht eingeholt hat, hinterlasse ich meine Startnummer mit einer Nachricht und begebe mich zum Duschen. Die gibts leider auch nur in Ultra-Form: entweder ultrakalt oder ultraheiß in homäopathischen Dosen. Es reicht fürs notwendigste. Zudem treffe ich Jürgen wieder. Am Auto ist dann auch Harald eingetroffen – ich ziehe endlich wieder richtig warme Klamotten an bevor es heimgeht. Was eine Wohltat.
Insgesamt muss ich sagen: Ein interessanter, gut organisierter und gut besuchter Lauf. Leider mit der Zeit wegen der Runden dann doch auch „Monoton“ wie die passende Band. Aber ich halte mir den definitiv einmal im Hinterkopf, immerhin ist es eine der ersten Veranstaltungen im Jahr, bei der man sehen kann was von der Ultraform aus dem Vorjahr noch übrig ist.