Kaum eine andere Technik hat sich innerhalb kürzester Zeit so stark verändert wie das Kommunikationswesen – noch zu Beginn des letzten Jahrhunderts war der gängigste Weg ein Brief oder die Kurzfassung des selbigen in Form einer Postkarte. Diese wurde mit den jeweils probaten vorhandenen Verkehrsmitteln befördert – per Pferdekutsche, per Kurier zu Fuß oder auf dem Pferd später dann auch per Eisenbahn oder Kraftfahrzeug. Mit der technischen Weiterentwicklung wurden vor allem die Latenz und Wartezeiten verkürzt – von Laufzeiten im Tages bis Wochenbereich auf einige weniges Minuten oder gar Sekundenbruchteile bei Verwendung eines Telegraphen oder später Telefons. Die letzten Veränderungen liegen nunmehr ungefähr 30 Jahre zurück – mit dem Aufkeimen des Internet gewann die Kommunikation auf elektronischem Wege eine neue Qualität: der Siegeszug der e-mail begann, noch etwas jünger sind Kommunikationswege wie Instant-Messaging (ICQ, Skype, MSN-Messenger) oder auch die Kommunikation über soziale Netzwerke und Foren. Vieles war lange Zeit ein Kommunikationsmittel für die eingefleischten Profis, bis es mehr und mehr zum Massenphänomen wurde.
Heute können wir uns ein Leben ohne Telefon oder Internet und e-mail fast gar nicht mehr vorstellen – der Ausfall der gewohnten Kommunikationsmittel wird als absolut unangenehm empfunden. Eine mehrtägige Unterbrechung der Internet-Verbindung löst schon fast Entzugserscheinungen aus – gut das es mittlerweile leistungsfähige Mobilfunknetze zur Überbrückung gibt, oder zu aller Not auch noch Freunde (die man dann ausnahmsweise mal persönlich besuchen muss, anstelle sie nur virtuell zu kontaktieren) und Internet-Cafés.
So selbstverständlich und hilfreich die modernen Kommunikationsformen für viele Menschen mittlerweile sind um so unangebrachter ist teilweise der Umgang mit Ihnen – wie viel unnötiger Kram wird per e-mail verbreitet und wie viel Zeit benötigt man immer wieder um die überbordende Mailflut im Posteingang unter zu bringen? Wer einmal nachverfolgt wie lange er am Tag dafür braucht wird sich teilweise etwas wundern.
Für mich besonders problematisch ist die Kombination des Bombardements mit verschiedenen Kommunikationswegen wie sie leider in diversen Unternehmen noch immer gelebt wird – da wird eine e-mail verschickt und dann noch per Telefon nachgefragt ob sie denn auch angekommen ist. Ein absolutes Unding in meinen Augen. Der Vorteil von e-mail liegt doch gerade in der Asynchronität anstelle der strickt synchronen Kommunikation per Telefon. Ein Mitarbeiter der telefoniert wird für die Zeit des Telefonats von seinen eigentlichen Arbeiten abgehalten – der Wiederanlauf nach einem Telefonat kann gerade bei der Software-Programmierung sehr problematisch sein. Der Eingang einer e-mail ist das weit weniger störend – wenn man nicht ein schrottiges Mailprogramm hat, dass sich dann penetrantest in den Vordergrund drängt – IBM ist der Hersteller einer solchen Krankheit, die teilweise unternehmensweit Verwendung findet – einzige Chance: Mailprogramm zu lassen. Das es auch anders geht beweisen viele sonstig am Markt befindlichen e-mail-Lösungen – ein dezenter Hinweis, aber man kann sich erst mal weiter um den gerade aktuellen Gedankengang kümmern.
Mir persönlich ebenso unverständlich ist das Gefühl der Überwachung und Verbindlichkeit bei e-mails – im Gegenteil – ich weiß es zu schätzen, das eine e-mail eine gewisse Verbindlichkeit ähnlich der papierenen Schriftform bietet. Im Englischen gibt es ein Sprichwort: „Talk is cheap“ – auf gut Deutsch „dumm gelabert ist schnell“. Eine e-mail lehnt sich da viel stärker an ihre Wurzeln, den Brief,an.
Insgesamt habe ich aber den Eindruck, dass es heute ja gar nicht mehr um strukturierte und stabile Kommunikation geht, vielmehr ist es heute doch „on-demand“ und „unverbindlich“. Vorausschauendes, strukturiertes und solides Arbeiten ist heute vielfach nicht mehr notwendig, man hat ja alles im Zweifel per Telefon und Internet noch greifbar. Welche Qualität bei dererlei Arbeitsweisen am Ende heraus kommt sehen wir bei heutigen Produkten auch immer wieder (egal welcher Branche).
Es ist aber eine absolute Unsitte, den Kommunikationsmitteln und Wegen die Schuld dafür in die Schuhe zu schieben, wie so oft „ohne e-mail-Flut und ohne Handys war vieles besser“ – die technischen Errungenschaften sind die Werkzeuge der heutigen Arbeitswelt. Nur wie jedes Werkzeug muss man den fachgerechten Umgang damit lernen – genauso wie ein Hammer eben nicht für Schrauben taugt, so taugt eine e-mail nicht für die schnelle, synchrone Kommunikation so sie denn nötig ist. Dafür gibt es Telefon oder Instant-Messaging. Auch für die Abstimmung von Terminen ist e-mail nur bedingt geeignet (wie synchronisiere ich die Ergebnisse von mehr als 2 Personen?), dafür eignet sich aber auch ein Telefonat nur sehr bedingt, denn eine Terminabstimmung für einen etwas weiter entfernt liegenden Zeitraum bedarf keiner synchronen Kommunikation, bei der alle Beteiligten per Interrupt (so sie denn überhaupt ans Telefon gehen können oder erreichbar sind) zusammen getrommelt werden. Für diese Fälle gibt es ausgefeilte Lösungen per Groupware oder auch webbasierte Dienste wie doodle. Für jeden Zweck das passende Werkzeug.
Eines ist klar – ein Zurück zum Büro auf Papierbasis mit Sekretärin und Schreibstube, bei dem alles und jedes per Brief oder anderen physikalischen Medien weitergegeben wurde gibt es so schnell nicht (und wenn dann sind es wohl eher die Nebenwirkungen anderer Großereignisse die so etwas bedingen). Ebenso ist es nachvollziehbar, dass viele Menschen und auch Unternehmenskulturen geradezu mit den modernen Kommunikationsmitteln überrannt wurden. Doch noch ehe man sich halbwegs wieder sortiert hatte, war ja schon wieder eine Neuerung fällig. Kulturen in Unternehmen ändern sich dem Papier nach zwar recht häufig (oder es wird versucht sie zu verändern), aber das physikalische Phänomen der Massenträgheit ist auch hier ganz klar zu beobachten. In der Arbeitswelt treffen derzeit zwei bis vier Generationen aufeinander:
- Die „graue Emminenz“ – meist sehr wohlverdiente Mitarbeiter mit einem wertvollen Erfahrungsschatz, Technik zur Kommunikation wird verwendet weil es nicht anders geht – die Verwendung von Telefon und Handy sind aus dem privaten Umfeld übernommen, aber doch eher spärlich. Vielfach wird dann doch eher der schnelle Kontakt verwendet um den Kollegen zwei Türen weiter zu fragen – einfach mal vorbei gehen.
- Die „Generation Telefon“ – für diese Leute ist das Telefon das wichtigste Kommunikationsmittel und sie setzen es mit mehr oder weniger Geschick ein – vieles wird adhoc mal eben zusammentelefoniert, Telefonkonferenzen sind das Allheilmittel. Das Handy zum Telefonieren noch immer das wichtigste – jeder ist ja jederzeit erreichbar – ob das am anderen Ende der Leitung gerade ungünstig ist – da kann man halt nichts machen. Wie sehr die Arbeit in einem Büro leiden kann wenn nur eine Person regelmäßig länger telefoniert wird absolut unterschätzt.
- Die Generation „Internet“ – die Generation zu der auch ich mich zähle – vieles wird mobil erledigt, aber doch ein sehr großer Teil auch per e-mail oder Instant-Messaging (entgegen seines Namens taugt es auch zur Kommunikation mit ein wenig größerer Latenz). Tastaturbedienung ist für meine Generation ein wichtiges Kriterium, flüssiges Tippen fast schon ein Muss (Zehnfinger ist nicht jedermanns Sache, aber viel eigenen es sich dann doch an). Diese Generation kann aufgrund der Entstehungszeit des Internet aber noch häufig recht gut unterscheiden welches Protokoll oder welche Kommunikationsweg für den jeweiligen Zweck gerade am günstigsten ist – der Unterschied zwischen einer Website (HTTP(S)), einer Dateiübertragung (SCP, FTP), e-mail und Instant-Messaging ist vielfach gut bekann
- die Generation „social networks“ – hier sind die Grenzen der einzelnen Protokolle immer fließender, ein soziales Netzwerk vereint viele Kommunikationswege – vieles wird auch auf dem Smartphone erledigt. Leider ist auch hier der „mal eben schnell“ Gedanke weit verbreitet – immer mehr wird immer kurzfristiger abgestimmt – von teilweise problematischer Orthographie und Grammatik (teilweise gibt es nicht mal Korrekturmöglichkeiten für Nachrichten) einmal ganz abgesehen.
Die Herausforderung ist es, all diese Menschen unter einen Hut zu bekommen. Problematisch sind vor allen Dingen die Übergänge zwischen den Generationen, auch wenn diese sicherlich keine starren Raster sind (es gibt durchaus ältere Mitarbeiter, die sich in der „social networks“-Gruppe wiederfinden).
Ich werde das mal weiter beobachten, wie sich die zwischenmenschliche Kommunikation weiter entwickelt und wie sich die Kulturen langsam verändern. Mit Sicherheit ein spannender Prozess.