Natürlich ist der Marathon auch in Pauillac genau 42,195 Kilometer lang, aber der Werbeslogan „le marathon le plus long du monde“, mit dem die Organisatoren werben, hat durchaus seine Berechtigung, wie ich erfahren durfte. Auf der Wunschliste an Marathons stand der Lauf bei mir schon seit längerem und mit unserem diesjährigen Frankreichurlaub nur knapp hundert Kilometer südlich, sowie passenden Schulferien für genügend Zeit zur An- und Abreise war klar: Dieses Jahr bin ich dabei, man muss sich (wie bei vielen sehr beliebten Marathons) aber sehr beeilen, in der Regel ist der Marathon innerhalb weniger Stunden ausverkauft. Zudem gibt es aber ein ganzes „Buffet“ an Optionen die man zum Lauf dazu buchen kann. Es ist alles auf den Wein und den Genuss hin ausgerichtet, dementsprechend gibt es keine „schnöde“ Pasta-Party sondern einen festlichen Abend, genauso wie am Tag nach dem Marathon noch ein weiteres Rahmenprogramm mit einem „Lockerungsspaziergang“ (Balade) und einem Mittagessen.
Die Veranstalter haben mit der 37. Durchführung sehr viel Erfahrung und das merkt man an vielen Stellen. Einzig eine kinderfreundliche Option bei den Zusatzevents habe ich vermisst (und alleine lassen kann und will ich unsere beiden Jungs noch nicht, sonst ist hinterher am Campingplatz womöglich alles verwüstet). Daher habe ich nur das kleine Paket mit der Wanderung und dem Mittagessen für zwei Personen gebucht. Angesichts des Preises und den Essenslaunen meiner Kinder (diese müssten ebenfalls den vollen Preis von rund 50 EUR pro Nase zahlen) habe ich diese nicht angemeldet. Bei der Abholung der Startunterlagen konnten wir das dann aber alles klären: Die Kinder gehen einfach mit wandern, Essen gibt es natürlich nicht und ggf. auch keinen Sitzplatz, aber mitnehmen zum Essen darf man sie auf alle Fälle).
Alleine bei der Startnummern-Ausgabe merkt man: Die Laufstrecke ist im Wesentlichen nur der Aufhänger für ein gigantisches gastronomisches Fest rund um den Wein der Region und auch aus anderen Regionen, denn diverse andere Läufe mit ähnlichem Spaßfaktor sind auf der Messe natürlich mit ihrem Wein zur Verkostung vertreten. Man glüht also schon bereits zu diesem Zeitpunkt ein wenig vor bzw. macht eine besondere Trainingseinheit. Insgesamt ist mein Trainingszustand für den Lauf sowohl was den Wein als auch die sportliche Seite betrifft nicht wirklich hitverdächtig – schon gar nicht für die Kombination. Eine Teilnahme am Marathon du vignoble d’Alsace habe ich zu Gunsten eines Familienausflugs sein lassen und auch die Trainingsumfänge waren aus verschiedenen Gründen in den Wochen vor dem Urlaub alles andere als vorbildliche Marathonvorbereitung, jetzt noch etwas mehr als zwei Wochen Urlaub ohne echtes Training davor lassen nur einen Schluss für mich zu: Ankommen hat oberste Priorität, angesichts des Spaß-Charakters des Laufs ist eine gute Zeit ja auch nicht so wichtig.
Wichtig hingegen sind zwei Dinge für den Médoc-Marathon, die man in Deutschland so nicht kennt: Einerseits das berühmt berüchtigte Certificat médical, einer ärztliche Unbedenklichkeitsbescheinigung für die Teilnahme am Marathon – die braucht man für jeden Lauf in Frankreich, in der Regel gibt es Vordrucke, die man dem Hausarzt vorlegt und abzeichnen lässt, ggf. kann das eine kostenpflichtige Leistung sein. Immerhin ist das Certificat dann auch immer ein Jahr gültig und kann bei verschiedenen Läufen in Frankreich verwendet werden. Ebenso gewöhnungsbedürftig und eine typisch französische Sache für Langstreckenläufe: Es wird häufig kostümiert gelaufen. Entweder einfach so oder wie beim Médoc-Marathon sogar vom Veranstalter mitorganisiert: In diesem Jahr war das Thema „à table“ (zu Tisch), also alles was irgendwie mit Küche und Gastronomie zu tun hat. Ich war da nicht ganz so aufwändig und kreativ unterwegs wie andere (oder gar ganze Gruppen) und bin als „hot chilli Sauce“ unterwegs: Rotes T-Shirt einer bekannten Hot-Sauce, rote Pants und einen grünen Buff mit Knoten als „Verschluss“ auf dem Kopf. Beim Schuhwerk bin ich keinen Kompromiss eingegangen, immerhin muss ich damit ja auch zuverlässig 42km laufen können.
Die Wettervorhersage für den Lauftag war alles andere als gut, es gab sogar Ankündigungen von Gewitter und Dauerregen, aber nichts davon ist am Morgen zu verzeichnen. Also nur das notwendigste mitgenommen zusätzlich zur Bekleidung die Sonnenbrille und den Laufgurt mit Getränke-Flasche. Bis zum Start ist es vom Campingplatz aus nicht weit, viele Teilnehmer spazieren oder joggen zum Start, ich nehme kurzerhand das Rad, das ich in der Nähe des Zielbereichs dann abstelle und anschließe. Bis zum Start gibt es noch ein wenig Programm auf einer Bühne, die oberhalb des Starts schwebt, leider ist die Akustik nicht wirklich gut, verstehen was gesungen bzw. gesprochen wird, klappt leider nicht. Aber auch so ist die Show kurzweilig und die Akrobaten zeigen was sie drauf haben, so vergeht dann auch die Wartezeit bis zum Start wie im Fluge. Um mich herum gibt es die unterschiedlichsten Kostüme, einige laufen mit überdimensionierten Messern und Gabeln auf dem Rücken, aber auch jede Menge Zutaten sind zu sehen: Hühner, Gemüse in aller Formen und Farben, Schnecken (mit Haus und Fühlern) und vieles mehr.
Nach dem Startschuss tut sich wie üblich erst mal nichts im Startfeld, es dauert ein wenig bis wir loskommen. Das Feld ist sehr dicht gedrängt, angemeldet sind 8500 Läufer. Ich merke sehr bald, dass ich im Feld viel zu weit hinten stehe: Zeiten jenseits der 8min/km für die ersten zwei Kilometer passen nicht so ganz zu meinem üblichen, wenn auch vorsichtshalber etwas geringer angepeiltem Tempo von um die 6 min/km. Es gibt auch immer wieder kurze Staus und Stockungen. Ganz allmählich entspannt sich die Situation dann aber und ich kann mich auf mein Tempo einschwingen, zumindest beim Laufen. Angesichts der 24 Verkostungen an der Strecke für Wein zuzüglich kulinarischer Köstlichkeiten wird mein Schnitt definitiv deutlich darunter liegen. Angepeilt habe ich 4h oder etwas darüber.
Bei Kilometer drei gibt es erst mal Frühstück: Ein kleines Croissant und ein Pain Choco und dann geht es auch schon weiter. Etwas nach der Versorgung mache ich dann auch noch einen kurzen Pinkelstopp am Rande eines Weinbergs. Angesichts der Menge Läufer, die in die Weinberge geht, muss man sich fragen, wie sich das womöglich auf das Aroma des Weins auswirken wird oder ob man demnächst im Wein Doping-Rückstände aller Art finden wird. Wobei rund um mich herum keiner wirklich Ambitionen hat eine Bestzeit aufzustellen, Doping gibt es hier nur in Form von Wein für die Geselligkeit und gute Laune.
Bei Kilometer fünf gibt es dann auch den ersten Wein, es ist kurz nach 10 Uhr am Morgen, sowas mache ich sonst nur, wenn ich auf die Weinmesse gehe, aber ja, dafür hat man sich ja angemeldet. Recht lecker und kurz darauf geht es auch schon weiter. Ich kann noch gut laufen und mein Pace hat sich auch halbwegs eingependelt bei meinem eher gemütlichen 5:30 bis 5:45, in Steigungen ein wenig langsamer, wenns in den Weinbergen abwärts geht etwas flotter. Die Châteaux folgen nun fast schon Schlag auf Schlag: überall noch ein wenig Gedränge, vor allem an den Verkostungsständen, ich lasse natürlich keine Verkostung aus.
Bei Kilometer zehn geht es auf das Château Langrange zu, eine sehr hübsche Allee führt auf das Gelände, natürlich alles auf schick und edel getrimmt. Etwas unangenehm ist dann der weiße Kies, der für die Wege verwendet wird, aber es sind ja nur kurze Abschnitte, vor allem lockt natürlich im Hof dann die nächste Verkostung. Weiter geht es in einer Schleife bei Beychevelle, einerseits um die Strecke aufzufüllen aber natürlich auch, um noch an weiteren Weingütern vorbei zu kommen und dort weiter fleißig zu verkosten. Meine Zeit ist im Rahmen und ich kann noch immer reichlich Läufer einholen, das ist ein gutes Zeichen.
Das Wetter ist weiterhin sonnig, das ist eigentlich gut, aber es bringt auch einige Herausforderungen mit sich: aufgrund der Regenschauer in der Nacht ist es nun unangenehm schwül und feucht, ich bin froh um jeden Windzug, der durch die Weinberge geht. Zusätzlich erschwert wird es natürlich durch den getrunkenen Wein, auch der macht sich mittlerweile zumindest ein klein wenig bemerkbar. Aber mehr als ein Viertel der Strecke liegt ja nun schon hinter mir, und es geht langsam wieder auf Pauillac zu. Die Strecke ist gut zu laufen, auch wenn es natürlich einige Weinberge zu erklimmen gilt, noch ist mir aber kein Vergleich zur Asselheimer Wand des Weinstraßenmarathons untergekommen (dort ist diese heftige Steigung aber auch erst bei Kilometer 38). Es ist fast schon ein wenig eine Durststrecke bis zur nächsten Versorgung.
Die steht dann bei Kilometer 18, also wieder das übliche Spiel: Anhalten, verkosten, Fotos machen. Ich mache wenn möglich auch immer Fotos der Etiketten, damit ich hinterher hoffentlich noch weiß, was mir besonders gut geschmeckt hat. Insgeheim denke ich darüber nach, dass ich mir wohl besser tatsächlich auch Notizen wie auf der Weinmesse hätte machen sollen. Aber ganz so viel Zeit will ich mir dann doch nicht lassen. Am Ortsausgang von St Lambert steht Marion mit den Kids, direkt danach geht es auch schon ins nächste Weingut und zur nächsten Verkostung.
Allmählich melden sich auch meine Oberschenkel zu Wort, eine Stelle, mit der ich bisher seltenst Probleme hatte, direkt oberhalb der Knie machen die Muskeln mehr und mehr dicht, nicht schön aber noch auszuhalten. Bei Bages gibt es die nächste Verkostung und der nächste Ort ist dann schon Pauillac. Im Stadtzentrum gibt es nochmal Verkostung und dann liegen auch schon 21,1km hinter mir. Halbzeit bei den Kilometern, für die Verkostungen liege ich gerade mal bei einem Drittel. Der aufwändigere Part kommt also noch. Zwischenzeitlich gab es auch immer wieder Versorgung mit Keksen, Chips und anderem Süßkram. Salziges ist leider deutlich in der Unterzahl und meine Salztabletten habe ich nicht eingepackt. Aber noch ist auch alles im Rahmen.
Die Weingüterdichte nimmt jetzt wieder rapide zu, man kommt fast schon aus einem raus und ins nächste hinein. Mittlerweile merke ich den Wein ganz kräftig und auch meine Beine machen mir langsam klar: Mehr Training hätte auf keinen Fall geschadet. Ich kann aber immerhin noch unsere Nachbarinnen vom Zeltplatz (verkleidet als Erdbeeren) überholen. Ich motiviere mich damit, dass es ja jetzt nicht mehr lange hin ist, bis die angekündigten essbaren Leckereien kommen. Die nächste Spezialität ist für Kilometer 33 angekündigt, also noch etwas mehr als 10km bis dorthin. Das ist für mich normalerweise eigentlich kein Problem. Aber was ist bei diesem Lauf schon normal.
Nachdem wir bei Lafitte-Rothschild vorbei sind, geht es wieder auf die Landstraße und eine Steigung nach oben. Ich merke, dass ich zu wenig trainiert habe: es fehlt mir einfach an Kraft, um die Steigung noch joggen zu können. Der Blick auf die Uhr sagt mir: Kein Thema, der Besenwagen ist noch sehr weit weg, die 4h Marke wird es auch nicht mehr, also kein Grund jetzt noch irgendetwas reißen zu wollen. Der nächste Ort heißt dann „Cos“, ich frage mich dabei, ob es in der Nähe dann auch die Orte „Sin“ und „Tan“ gibt. Auf alle Fälle gibt es nochmal leckeren Rotwein.
Bis zum nächsten Château geht es erst mal wieder abwärts und dann auch bald schon wieder bergauf, runter jogge ich und hole ein Gruppe ein, die unter dem Motto „Fromage“ (Käse) läuft, hübsch verkleidet mit überdimensionalen Käsestücken auf den Hüten. So ein Käse wäre jetzt echt was feines, immerhin denke ich mittlerweile auch daran regelmäßig ein wenig Wasser aus meiner Flasche zu trinken, einerseits, weil es noch wärmer geworden ist, aber natürlich auch, um den Rotwein im Körper wieder etwas zu verdünnen. Nachschub für sowohl Wasser als auch Rotwein gibt es im nächsten Weingut. Wie immer natürlich auch festlich geschmückt und mit Live-Musik.
Bei Kilometer dreißig ist dann nochmal richtig was los, es gibt nicht nur Wein, sondern auch tatsächlich schon etwas zu Essen und ungewöhnlicher Weise auch ein Bier. Das Essen erinnert fast schon ein wenig an die Ebertswiese am Rennsteig: das übliche Angebot an Snacks, aber auch Pommes und Eis in zwei Geschmacksrichtungen wird gereicht. Natürlich lasse ich da keine Köstlichkeit aus. Ich motiviere mich immer wieder zu joggen, immerhin sind es ja nur noch 12 km bis zum Ziel. Allerdings fällt mir das zunehmend schwerer, die Kombination aus unzureichendem Training, Wein und Hitze birgt ihre ganz eigenen Tücken. Man sollte zumindest bei einer der drei Punkte ausreichend trainiert haben, soviel ist mir mittlerweile klar.
Kurz nach Kilometer 33 gibt es dann auch die offiziell angekündigten Leckereien, insgesamt ist es ein wenig als Buffet angeordnet, man beginnt mit einer kleinen Süßigkeit als Vorspeise: Cannelés du Départment de la Gironde, das sind kleine sehr süße gugelhupfförmige Gebäckstücke. Mit Kilometer 34 erreichen wir dann auch den nördlichsten Punkt der Strecke in St. Estèphe, natürlich markiert mit einem Weingut und Verkostung.
Insgesamt ist mir der Wein bis jetzt dann auch schon wirklich gut zu Kopf gestiegen, innerlich sehne ich mich schon fast nach etwas Abwechslung in Form von Weißwein, aber der wird hier fast nicht angebaut. Entsprechend meines Zustandes ist es jetzt auch Essig (die nächste Oxidationsstufe des Alkohols) mit dem Joggen, ich bemühe mich möglichst zügig weiter zu walken. Hier kommt mir meine Erfahrung bei den Ultraläufen dann doch wieder zu Gute, auch wenn ich derartige Einlagen beim Marathon eigentlich nur ungern mache. Immerhin stehen an der Strecke auch immer wieder Zuschauer, die anfeuern und motivieren und jeder Kilometer ist mit einem netten Spruch markiert.
An einigen Stellen fühle ich mich sogar an Ultra-Läufe erinnert: Ein Einschnitt in den Weinbergen erinnert mich sehr stark an die berühmt berüchtigte Mördersenke bei der Ulmer Laufnacht. Auch die Temperaturen dürften dort ähnlich gewesen sein. Das letzte Weingut liegt bei Kilometer 36, das heißt nicht, dass es die letzte Weinverkostung ist, aber jetzt geht es „à table“, entlang der Strecke am Wasser geht es ab Kilometer 37 fast nur noch ums Essen (und ums Durchkommen). So gar nicht recht ins malerische Bild der Landschaft will das Atomkraftwerk auf der anderen Seite der Gironde (so heißt der Meeresarm, der bis kurz vor Bordeaux ins Landesinnere ragt) passen. Insgesamt wird die Strecke nun auch deutlich „hässlicher“, es geht schnurgerade und fast ohne Schatten auf Pauillac zu, vorbei am Industriegebiet der Stadt. Insgesamt fühle ich mich ein wenig wie auf Öland im vergangenen Jahr, nur dass man in Schweden wohl kaum derartig angeheitert einen Lauf machen könnte, Alkohol ist dort ja streng reglementiert.
Joggen ist mir nur noch in sehr kurzen Abschnitten möglich, immer wieder merke ich, dass die Waden kurz vorm Verkrampfen sind. Um so mehr freue ich mich natürlich über die Verpflegung: Kurz vor Kilometer 38 gibt es eine kulinarisches Highlight für mich: Ich probiere das erste Mal Austern. Immerhin schön salzig und es wird tatsächlich ein Weißwein und Zitrone dazu gereicht. Am Zelt ist auch ein wenig Schatten, danach heißt es wieder: Hombre ist das mörderheiß hier.
Im zügigen Gehen kann ich auch immer wieder noch einige Läufer einholen, in der Regel werde aber ich überholt, ein eindeutiges Zeichen mangelnden Trainings, aber mittlerweile ist mir das auch dank dem vielen Wein alles ziemlich herzlich egal, ebenso dass es wohl auch mit der 4:30 nichts mehr wird und auch die 5h Marke mit ziemlicher Sicherheit von mir gerissen wird. Auf die Austern folgen nun Entrecôte, sehr lecker zubereitet. Danach gibt es erst mal eine Ruhepause für den Magen.
Bei Kilometer 41 gibt es dann eine feine Käseauswahl und danach nochmal eine Weinverkostung, diesmal in dreifacher Ausführung: Rotwein, Weißwein und ein Rosé – in genau der angebotenen Reihenfolge verkoste ich die natürlich dann auch. Einige Meter weiter ist dann das Dessert fällig: Es gibt ein Eis am Stiel. Marion meldet sich aus dem Zielbereich, die Jungs wollen mit mir gemeinsam durchs Ziel laufen. Also nochmal alles zusammen genommen, was an Reserven da ist und ein letztes Mal anlaufen. Die Waden und auch die Oberschenkel protestieren ziemlich heftig, aber für die letzten rund 750m ignoriere ich sie jetzt einfach. Es geht nochmal um eine S-Kurve und dann ist man auch schon auf der Zielgerade entlang der Promenade. Jede Menge Leute feuern an und die Jungs machen sich bereit Papa durchs Ziel zu begleiten. Auf der Uhr oberhalb des Ziels geht es brutto auf 5:15 zu, ich gebe nochmal der Form halber Gas, die 5:15h möchte ich eigentlich nicht da stehen sehen und es klappt dann auch tatsächlich mit brutto 5:14:25 endlich im Ziel zu sein.
Ich bin total im Eimer, aber das Programm geht ja noch ein Stück weiter. Im Zielbereich gibt es die Medallie (in Form eine Küchenbrettchens), eine Flasche Wein (wie sollte es anders sein) und eine Sporttasche (damit man das alles auch nach Hause tragen kann). Nachdem die Familie wieder beisammen ist, mache ich noch etwas Pause am Straßenrand, bevor ich ins Versorgungszelt gehe. Dort geht die Völlerei, wenn man den möchte, gerade so weiter, wie es an der Strecke aufgehört hat. Ich genehmige mir ein kühles Bier und verschiedene Leckereien, unter anderem auch ein gesalzenes, hartgekochtes Ei.
Meine Support-Crew ist schon auf dem Weg zum Campingplatz, ich hole mein Rad und schwinge mich etwas unbeholfen in den Sattel: die Muskeln protestieren mit gefühlt jeder Faser, aber es sind ja nur einige wenige Kilometer. Am Campingplatz erfahre ich dann auch, dass unsere Zeltnachbarn als freche Früchtchen sogar vor mir ins Ziel gekommen sind. Keine Ahnung, wo die mich überholt haben, ich muss wohl wirklich einen absoluten Tunnelblick gehabt haben, denn sonst fällt mir sowas eigentlich auf.
Fazit: Es ist tatsächlich der längste Marathon, vor allem von der Zeit her, netto sind das 5:10:50 und somit meine schlechteste Zeit bisher bei einem Marathon. Aber eine gute Laufzeit sollte es ja ohnehin nicht werden. Ankommen und Spaß haben steht beim Médoc-Marathon wesentlich weiter oben, das zeigt auch meine Platzierung, mit Platz 1207 von 7552 Finishern bin ich sogar noch recht weit vorne mit dabei, in der französischen Altersklasse M1H lande ich auf Platz 142 von 770 Finishern. Von der Strecke her ist der Lauf auch nicht gerade als „einfach“ einzuschätzen, mit ca. 230 Höhenmetern hat er doch ein gewisses Profil (immer wieder Weinberg hoch und runter), zudem kann es auch vom Wetter her Anfang September hier nochmal richtig unangenehm heiß und stellenweise auch schwül werden, im Ziel zeigt ein Thermometer 30 °C an (gefühlt sind es nochmal 10° mehr …). Ich denke ich werde den Lauf nochmal mitmachen, wenn auch sicherlich nicht regelmäßig und auch nicht im nächsten Jahr, die Anfahrt ist doch etwas weit und wenn man nicht gerade einen Urlaub damit verbinden kann, dann ist der Aufwand der Anreise einfach unverhältnismäßig hoch. Vor allem werde ich mir aber ein passenderes Training vorab gönnen, also definitiv den Weinstraßen-Marathon, den Marathon du Vignoble d’Alsace und ggf. weitere ähnliche Formate zur Vorbereitung nutzen.
Herrlich und wie immer klasse geschrieben! Das macht Laune.