Radschnellverbindung Mannheim – Heidelberg – eine Einschätzung

Vor etwa einem Monat gab es eine Befragung am Radweg in Mannheim. Genauer gesagt, an der Brücke von Neuostheim über die Schleuse in Richtung Neckarplatt. Abgefragt wurde dabei die Verwendung des Radwegs (Häufigkeit, Streckenlänge, Zweck der Fahrt). Hintergrund ist die geplante Radschnellverbindung zwischen Mannheim und Heidelberg. Da mich das Thema zumindest teilweise täglich betrifft habe ich mal nachgeschaut wie denn der aktuelle Stand ist und bin doch sehr erschrocken. Die wesentlichen Informationen hat man mittlerweile auf einer eigenen Website zusammen getragen. Ich werde die kommenden Tage und Wochen noch versuchen die Punkte mit Bildern anzureichern.

Ganz neu ist das Thema nicht, bereits 2018 gab es erste Untersuchungen zur Machbarkeit einer Radschnellverbindung zwischen Mannheim und Heidelberg. Warum wird hier von einer Radschnellverbindung geschrieben, nicht jedoch von einem Radschnellweg – das liest sich doch besser …  Leider steckt der Teufel hier im Detail: Für einen Radschnellweg (wie man in landläufig aus Kopenhagen oder auch in den Niederlanden kennt) gibt es in Baden-Württemberg spezielle Qualitätsrichtlinien – danach ist ein Radschnellweg das Äquivalent zu einer Autobahn für den motorisierten Verkehr: Exklusive Nutzung und mit 4m mehr als ausreichend breit. Alles andere darf schlichtweg nicht Radschnellweg genannt werden. Für die Verbindung Mannheim-Heidelberg wurden die Vorgaben ein wenig an die Realität angepasst: Damit die Strecke als Radschnellweg ausgewiesen und gefördert werden kann müssen diese Kriterien auf mindestens 80% der Strecke eingehalten werden. Soviel zu den technischen Details.

Aus der ersten Untersuchung ergaben sich im Wesentlichen drei mögliche Streckenführungen, wie im nebenstehenden Bild zu sehen.

  • Die blaue, südlichste Trasse wurde entlang der bestehenden S-Bahn-Strecke geführt, was verschiedene Herausforderungen mit sich bringen würde – wer die dabei schon existierenden Teilstrecken schon einmal ausprobiert hat, weiß um die Qualität der Strecke und die aufwändigen Arbeiten um hier eine Veränderung zu erreichen, wenn es überhaupt möglich ist.
  • Die rote, nördliche Strecke nimmt den Neckarkanal als Referenz und führt weitestgehend an diesem entlang, nach Ladenburg geht es durchs freie Feld nach Heidelberg. Insbesondere in Mannheim hat diese Strecke auch noch erhebliche Lücken und viele Stellen an denen es derzeit noch hapert.
  • die grüne Strecke kennen vermutlich die meisten Radler die schon einmal von Mannheim nach Heidelberg (oder umgekehrt) unterwegs waren: auf der Südseite des Neckars, unterhalb Seckenheim vorbei und ab Edingen Neckarhausen durch die Felder (fast durchgängig gerade aus, parallel zur OEG-Trasse)

 

Sowohl in einer Befragung der Bürger als auch in der weiteren Untersuchung wurde klar, die südlichste Planung ist kaum umsetzbar und hat wenig Akzeptanz. Bleiben also nur die Strecken näher am Neckar übrig. Angeblich sind diese sehr nah beieinander was die Kosten und die Akzeptanz betrifft. Daher hat man eine Kombilösung erstellt, die bisher niemand so vorgesehen und bewertet hat: Entlang der gerade in Bau befindlich (und lange überfälligen) Umgehung für Ilvesheim soll eine Querverbindung der beiden Strecken realisiert werden. Von Mannheim aus, auf de roten Trasse bis an die Querung und dann auf der grünen weiter. Soweit einmal der Vorschlag.

Schaut man sich die Planung dann etwas genauer an, so wird es recht schnell komisch: Die geplante Trasse enthält jede Menge fragwürdige Passagen, bei denen selbst ich als ortskundiger Radler sagen muss: Das kann so nicht funktionieren oder ist zumindest einmal deutlich am Ziel vorbei geplant. Zur Erinnerung: es geht um eine Radschnellverbindung Mannheim-Heidelberg.

Auf einer Informationsveranstaltung am 24.07.2019 wurde dann klar, dass die Entscheidung für die Kombilösung wohl schon nahezu gefallen ist, man sich jetzt nur noch mit Details der Realisierung beschäftigen möchte um etwaige Konfliktpotentiale zu vermeiden. Ein Abweichen von der geplanten Kombitrasse ist nur noch in einem recht engen Korridor (man spricht von ca. 100m rechts und links) angedacht. Das finde ich sehr schade, denn die Strecke weißt derart viele Schwachpunkte auf, dass man eigentlich nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen kann und sich fragen muss, ob die Planer die Strecke auch nur wenigstens einmalig abgefahren sind. Damit es nicht in Vergessenheit gerät, fasse ich hier einmal meine Kritikpunkte zusammen, ich habe die bereits auf der Infoveranstaltung angebracht und auch auf der Website des Projekts in die interaktive Karte eingetragen.

Mannheim Innenstadt

Vom Ausgangspunkt Marktplatz bzw. Paradeplatz hat man wenig Möglichkeiten aufgrund der dichten Bebauung – hier kann man allenfalls einen guten Radweg entlang der Straßen anbieten, oder die Straßen zumindest soweit in Stand setzen, dass man mehr Freude am Radfahren hat. Zwei wichtige Strecken sind hierfür schon vorhanden, jeweils östlich und westlich der “breiten Straße” (für nicht-Mannheimer: Die Achse welche vom Schloss bis an die Kurpfalzbrücke führt). Die Führung noch ein Stück weiter westlich bringt keinerlei Vorteile für den Radler, abgesehen davon dass man sich durch die westliche Unterstadt mit ihrem chaotischen Verkehr quälen darf (es gibt dort tatsächlich wenig Alternativen für die Anwohner, da man viele Straßen nicht mehr durchgängig befahren kann – städteplanerische Fehler wohin man schaut). Zudem muss man noch den Ring queren und die ohnehin schon schlecht einsehbare Unterführung unter der Kurpfalzbrücke nutzen. Alles Dinge die man sich mit der Führung des Radwegs auf der Ostseite der Achse komplett sparen kann. Belag erneuern oder zumindest Schlaglöcher ausbessern reicht, sogar eine brauchbare Querung am Kurpfalzkreisel mit getrennter Radwegführung ist bereits vorhanden.

Weiterführende Analysen

Da der Artikel sonst zu lang wird, habe ich die weiteren Abschnitte in getrennte Posts verpackt:

Fazit

Als leidenschaftlicher und täglicher Radfahrer kann ich der aktuellen Planung leider nahezu nichts Positives abgewinnen. Einzig, dass man sich überhaupt einmal Gedanken zum Thema Radverbindung zwischen Mannheim und Heidelberg Gedanken gemacht hat ist zu begrüßen.

In der weiteren werden allerdings die Bedürfnisse der Zielgruppe mit Füßen getreten. Die Streckenführung ist in keinster Weise nachvollziehbar, länger (wenn auch angeblich nur 600m), mit zahlreichen potentiellen und schwer zu entschärfenden Unfallschwerpunkten und fragwürdigen Eingriffen in die Landschaft und Umwelt. Der vorgeschobene Umweltschutzaspekt im Bereich Seckenheim ist in meinen Augen mehr als scheinheilig, die Eingriffe sind vertretbar und es bestehen genügend Möglichkeiten für Ausgleichsmaßnahmen.

Es stimmt mich höchst bedenklich, wenn ich sehe dass hier für viel Geld neue Strukturen geschaffen werden sollen (Wege, Markierungen, Bauwerke) die mit hoher Wahrscheinlichkeit am Bedarf vorbei gehen. Stattdessen sollte man sich nochmals genau mit den bestehenden Strecken beschäftigen, hier gibt es einige Schwachstellen zu beseitigen, die aber bei weitem nicht derart umfangreich sind oder sein müssen. Ich kann mich dem Gefühl nicht erwehren, dass sich hier einige Planer und Lokalpolitiker ein Denkmal setzen wollen.

Es gilt auch bei derartigen Vorgaben das Parreto-Prinzip zu beachten wonach man für 80% der zu leistenden Aufgaben rund 20% der Ressourcen benötigt, für die letzten 20% hingegen 80% der Ressourcen aufgewandt werden müssen: Es gibt einige “harte Nüsse” zu knacken und kreativ zu werden. Andererseits sind schon 80% des Radwegs praktisch in ausreichender Qualität vorhanden oder bedürfen nur geringen Maßnahmen. Man muss das (Fahr)Rad(fahren) nicht neu erfinden, es reicht aus wenn endlich die bestehenden Schwachstellen beseitigt werden. Niemand braucht einen neuen Radweg der am Ziel vorbei geht und weitere Schwachstellen aufreißt anstelle alte Lücken zu schließen und bestehende Probleme endlich aus dem Weg zu räumen.