Bereits beim Start in Weiher dieses Jahr im Februar hatte ich die Ausschreibung und Werbung zum Ultra Trail Pfälzer Weinsteig gesehen. Ein Blick damals in die Unterlagen sagte mir aber: Noch nicht ganz deine Kragenweite, 170km und rund 6000 Höhenmeter – keine Chance. Interessant wurde es, als ich mitbekommen habe, dass es auch zusätzlich einen „tiny Trail“ dort geben soll, 70km und immer noch 2000 Höhenmeter. Noch dazu hatte ich ja zwischenzeitlich meine persönliche Challenge „jeden Kalendermonat einen (Ultra-)Marathon“ aufgenommen. Dort wiederum klaffte im Oktoberplan noch eine Lücke. Somit habe ich mich dann doch kurzerhand angemeldet für den „Tiny“.
Mein Training leidet aktuell ein wenig, ich würde eigentlich gerne mehr machen, aber Job, Familie und auch das Vereinsleben (es geht auf den Herbstlauf zu) fordern ebenfalls Zeit. Daher waren einige recht lange und anspruchsvolle Trainingseinheiten rund um den weißen Stein bei Heidelberg das höchste der Gefühle, immer rund 30km und immerhin auch mal um die 1000 Höhenmeter – ob das wirklich ausreichend für den Weinsteig sein würde war durchaus fraglich. Einen Vorteil hat der Weinsteig für mich: Er liegt vergleichsweise nahe, das erspart Übernachtungen und längere Anreisen, zum Preis des frühen Aufstehens. Ich bin etwas knapp dran, aber immer noch rechtzeitig zur Vorbesprechung und Begrüßung durch Holger Gremmers. Die Einweisung ist relativ kurz, es wird nochmals auf die Umleitung an der Lindemanns-Ruh wegen Forstarbeiten hingewiesen und die klare Ansage: Es gibt keine Markierungen der Strecke, es wird nach GPS-Track gelaufen.
Der Start um 8h an der Jugendherberge ist recht locker, kein Gedränge wie bei Läufen wie etwa in Karlsruhe. Es geht durch die Bebauung in Richtung Weinsteig. Einen minimalen Teil kenne ich dann auch schon, letztes Jahr bin ich die Treppe vom Bahnhof beim Geburtstagsultra hochgekommen, diesmal geht es sie hinunter. Noch einige Schwenker durch die Stadt und dann geht es in den Wald und auch gleich an den ersten knackigen Anstieg. Wie angekündigt: alles Trail. Das Feld hat sich noch nicht ganz auseinander gezogen und es gibt auch recht bald schon erste Verwerfungen, denn die führende Gruppe biegt falsch ab, gut dass ich einen ortskundigen Läufer vor mir habe, der die Stelle sehr gut kennt und gleich Meldung macht: „ihr seid falsch – die gelb-rote Markierung ist die Abkürzung“. In der Folge überholen uns einige Läufer wieder, aber die Wege sind in der Regel auch ausreichend breit dafür.
Die erste markante Stelle entlang der Strecke ist die Wolfsburg. Auch dort haben wir einiges zu tun um den Weg zu finden. Der Weinsteig wurde an dieser Stelle verlegt und führt nunmehr um die Burg herum – nur wo ist der Abgang auf den Rundgang. Dank GPS finden wir den dann auch, verpassen aber prompt die nächste Abzweigung. Nun gibt es etliche Stimmen – „das passt schon, das geht gleich wieder seitlich hoch“. Ich selbst lasse mich da nicht drauf ein und nehme wiederum den Track auf der Uhr. Damit finde ich dann auch die Abzweigung auf den Weg direkt unterhalb der Mauer. Mit dabei ist die jüngste Teilnehmerin, während wir zügig, halb joggend halb marschierend den weiteren Anstieg nach der Burg bewältigen unterhalten wir uns etwas und erwarten doch jeden Moment, dass uns das Feld wieder überrollt. Stellenweise können wir die Läufer noch hören. Aber der GPS-Track und auch die Markierungen lassen keinen Zweifel: aktuell sind wir richtig.
Am Ausblick Bergstein machen wir einen minimalen Foto-Stopp. Im Tal ziehen noch die Wolken, von oben scheint die goldene Oktober-Sonne. Es erinnert mich ganz deutlich an den Geburtstagsultra, nur bin ich diesmal auf der anderen Seite des Tals und in die entgegengesetzte Richtung unterwegs. Noch dazu ist mir natürlich bewusst: Der Trail geht diesmal bis zum Ende als Trail und nicht nach der Hälfte in einen flachen Lauf in der Ebene über. Die Wege sind aktuell vergleichsweise flach, aber das bleibt nicht lange so, wir halten recht direkt auf die erste Versorgung am Weinbiet zu. Bis zur Hütte geht es dann nochmal richtig steil nach oben, aber es stehen auch schon die ersten Unterstützer an der Strecke – mit Glocken und Schellen die man gefühlt schon einen Kilometer vor der Versorgung hört. Die Versorgung halte ich bewusst kurz, ein paar Gummibärchen, einen Riegel für den Weg und einen Schluck Iso. Schon geht es weiter, das Feld hat uns noch nicht wieder ganz überrollt.
Wie auf den letzten Kilometern habe ich aber immer Sichtkontakt zu anderen Läufern. Es geht nun recht zügig die Höhenmeter auch wieder hinunter – einige Serpentinen, alles gut zu Laufen auch wenn ich mich zur Vorsicht mahne. Am Benjetal ist dann erst einmal wieder Wegsuchen angesagt, das aufgelaufene Grüppchen entscheidet sich letztlich für den Weg entlang des Bachs, mangels anderer Alternativen, zumindest ist das die Richtung die wir aus Track und Markierung heraus ermitteln können. An der nächsten Kreuzung ist die Markierung auch wieder zu finden. Dort fädeln wir allerdings allesamt auf einen Trail ein, der etwas oberhalb liegt als der eigentliche – kurz wird überlegt ob wir den Abhang an einer günstigen Stelle nach unten gehen sollen, wir sind rund 10-15m vom eigentlichen Trail weg. Ein ortskundiger Läufer beruhigt: Die beiden Wege kommen in ca. 400m ohnehin wieder zusammen, kein Grund zur Panik. Also geht es weiter und gefühlt sind alle erleichtert als erkennbar wird: Die Wege nähern sich wieder einander an und verschmelzen danach.
Ging es nunmehr die ganze Zeit eher flach durchs Tal, ist nun wieder der Bergmodus gefragt, wenn auch nur ein kurzes Stück, dann ist man schon an der Wasserstation. Ich nehme ein wenig Wasser und dann geht es auch schon weiter – meine Trinkblase ist noch ausreichend gefüllt für die nächsten 10km bis zur größeren Versorgung. Der Weg führt uns nun durch Königsbach hindurch, mit allen Sehenswürdigkeiten: von keinen Gassen bis hin zur Kirche. Ab dort ist dann auch schon wieder Trail. Das Feld ist recht stark gestreckt – ich laufe daher größere Abschnitte für mich, das ist aber auch ganz gut machbar. Zusätzlich zum Wald und den Bergen macht der Weinsteig dann seinem Namen auch Ehre, zuerst mit Ausblicken auf die herbstlichen Weinberge und einige Kilometer später tauchen wir dann auch ein in die Weinberge. Es geht einen Zacken nach Deidesheim hinein und von dort auch wieder durch die Weinberge hinaus. So bekomme ich Deidesheim auch einmal im „Normalzustand“ zu Gesicht, es ist mir eher für seinen schönen Weihnachtsmarkt in Erinnerung, nur dann stehen überall natürlich Buden und Weihnachtsbäume.
Ein Stück weit unterhalte ich mich mit einem Mitläufer, der Anstieg ist gerade so, dass man nicht weiß was jetzt günstiger ist: Joggen oder doch eher zügig bergan marschieren. Ich entscheide mich für zügiges Walking, es liegen ja noch einige Kilometer vor uns und laut Profil geht es nun auch nochmal kräftig zur Sache: Wir erklimmen den Kirchberg, etwas unterhalb ist die Michaelskapelle – dort haben wir ein akustisches Highlight, vor der Kirche singt ein Chor. Treffend: „viel Glück und viel Segen auf all deinen Wegen“ – wenn das mal nicht zum Lauf passt. Auf der Kuppe gibt es auch nochmal Kultur, wenn auch eher im historischen Sinne, es geht fast einmal um bzw. auf einer ehemaligen Befestigung, den Heidenlöchern entlang. Soviel ist sicher: Abwechslung fürs Auge ist geboten.
Die Strecke lässt sich weiterhin gut laufen, immer wieder abwechselnd kleinere Trails, ein wenig Forstweg und Steigungen. Erst ab der Ruine Wachtenburg oberhalb Wachenheims ist man wieder näher an der Bebauung, wenn auch immer noch im Wald geführt. Das gute Wetter macht sich bemerkbar, es sind auch zahlreiche Ausflugsgruppen und Familien unterwegs, immer wieder trifft man auf kleinere oder größere Gruppen, meist gibt es auch spontane Anfeuerung. Ich freue mich aber erst einmal auf die kommende Versorgung, denn langsam aber sicher ist die Trinkblase auf dem Rücken geleert. Es dauert dann auch nicht mehr lange: Am Campingplatz im Burgtal hat man ein reichhaltiges Buffet angerichtet. Insbesondere leckeren Kuchen und Kartoffeln mit Salz. Dazu gibt es noch etwas Hintergrundmusik, einige Läufer meinen man könnte doch noch ein paar Gymnastikübungen zu dieser Musik machen. Man merkt aber recht schnell, dass wir schon reichlich Kilometer gemacht haben, so richtig flüssig sieht keine der Übungen mehr aus. Ich rüste mich für die nächste Etappe aus, denn die wird deutlich länger: Erst in 24km ist der nächste VP. Immerhin ist es nicht übermäßig heiß.
Es geht wieder bergan, wohin denn auch sonst, wenn man im Tal ist. Auf diversen verschlungenen Pfaden geht es weiter durch den Pfälzer Wald. Weiterhin sind viele Wanderer unterwegs, immer wieder gibt es aufmunternde Worte . So kommen wir denn auch langsam aber sicher näher an Bad Dürkheim heran. Die Kilometer fliegen zwar ich an mir vorbei, aber es ist auch nicht so, dass ich mich gerade fürchterlich abkämpfen und quälen muss, einen Schritt vor den anderen und natürlich die Natur um einen herum genießen.
Kurz vor Bad Dürkheim habe ich dann ein unerwartetes Treffen, Tobias und Phillip mit denen ich immer mal wieder trainiere haben sich den ganzen Weinsteig vorgenommen und sind somit schon deutlich länger unterwegs als ich. Angesichts meiner letzten Tracking-Info kurz vor dem Start hatte ich vermutet, dass es allenfalls auf den letzten zehn Kilometern etwas werden könnte, dass wir uns auf der Strecke sehen. Aber ja, kurz unterhalb des Flaggenturms hole ich die beiden ein. Sie machen ohnehin deutlich langsamer, was ich angesichts der Strecke die sie schon zurück gelegt haben mehr als nachvollziehen kann. So laufen wir gemeinsam nach Bad Dürkheim rein und ich bekomme einen ersten Eindruck wie die Nacht wohl verlaufen ist. Da ich für Fotos dann ohnehin schon einmal das Handy aus dem Rucksack geholt habe, schaue ich mir auch die Meldungen an die eingetroffen sind, dort wurde schon auf unser Zusammentreffen spekuliert. Zudem erfahre ich, dass Norbert, ein weiterer Trainingspartner der die 170km absolviert aktuell ca. zehn bis zwölf Kilometer vor mir liegt. Ihn noch einzuholen wird mir wahrscheinlich nicht möglich sein. Da unser Tempo doch stark auseinander fällt, verabschieden wir uns kurz vor dem Ortskern Bad Dürkheims.
Bad Dürkheim kenne ich von verschiedenen Läufen, sei es der Weinstraßen Marathon (für nächstes Jahr bin ich bereits gemeldet) oder auch als Ziel für die Rheintalquerung (die muss ich für 2026 noch organisieren). Am Marktplatz läuft ein Passant ein Stück neben mir her und fragt nach, was dass denn für eine Veranstaltung sei, bei der wir da gerade mitmachen. Er ist sichtlich beeindruckt von den Distanzen – ich glaube für die allermeisten außerhalb der eingefleischten Ultra-Läufer-Szene sind Distanzen jenseits der zwanzig Kilometer eigentlich nicht vorstellbar. Einen ganz kleinen Teil Weinstraßen-Marathon-Strecke streifen wir dann auch noch: Die Unterführung unter der Talstraße nutzen beide Läufe, nur in unterschiedliche Richtungen.
Es naht der zweite wuchtige Zacken aus dem Profil der Strecke: fast direkt nach der Unterführung gibt es nur noch eine Marschrichtung: Aufwärts! Zuerst noch auf einigen Straßen in der Bebauung geht es bald eine steile Treppe in und durch den Wald nach oben. An Joggen ist da nicht mehr zu denken, für ein kurzes Foto an der Schäferwarte mit Blick in die Rheinebene reicht es aber immer noch. Am Steinbruch ist richtig viel Betrieb, es sieht fast aus wie eine Versorgung, ist aber eine andere private Party. Dennoch feuert man die Läufer an und weißt auf den rechten Weg hin. Ebenfalls ein bekanntes Ausflugsziel ist der Teufelsfels, dieser markiert eine kurze Verschnaufpause in den Höhenmetern, bevor es munter weiter bergan geht. Insgesamt sind noch immer sehr viele Wanderer unterwegs, immer wieder gibt es Anfeuerungen und auch die ein oder andere Frage, wie etwa: „woher wisst ihr eigentlich wo ihr lang müsst?“ Apropos Strecke: Ich mache mich langsam aber sicher auf das kurzzeitige Verlassen des Weinsteigs gefasst, laut einem Schild am Weg sollen es noch rund drei Kilometer bis zur Lindemannruhe sein, die Umleitung ist angeblich davor.
Die Forstarbeiten sind klar ausgeschildert, der Track zweigt wie angekündigt nun vom Weinsteig ab. Nun heißt es für mich: Ganz besonders auf den Track achten, denn zusätzliche Markierungen gibt es ja nicht. Nur eines ist klar: Es geht weiterhin bergauf. Es zieht sich etwas bis ich die Kuppe des Peterskopfs mit dem Bismarckturm erreiche – dort findet sich praktischerweise ein Familie die mir ein Beweis-Foto macht. Man unterhält sich kurz und ist doch sehr erstaunt was die Läufer bis hierhin schon an Strecke zurück gelegt haben. Auch mit einem Mythos räumen wir auf: Marathon ist definitiv nicht die längste Strecke die gelaufen wird und der Weinsteig ist auch eher „Mittelfeld“ was die Länge betrifft, insbesondere wenn man wie ich „nur den Tiny“ läuft.
An der Lindesmannsruhe ist nochmal reichlich Trubel und Verkehr, danach nimmt die Wanderer und Ausflügler-Dichte zusehends ab – klar wir bewegen uns in den Nachmittag hinein, die meisten Leute sind schon wieder auf dem Heimweg und noch dazu dringen wir etwas tiefer in den Pfälzer Wald hinein. Irgendwo auf der Strecke laufe ich auf Stefan auf, wir haben ein näherungsweise ähnliches Tempo und so laufen wir gemeinsam, so vergehen die Kilometer etwas schneller. Immerhin geht es aktuell fast durchgängig immer leicht bergab und auf breiten Waldwegen. Zwischendrin gibt es aber auch immer einmal wieder schöne Trailabschnitte. Während wir vor uns hinlaufen schätzen wir den Weg bis zur nächsten Versorgung ein: Laut GPS sind es noch run sieben Kilometer. Da es noch weiter ist als ich gedacht hatte, schnappe ich mir doch noch einen Riegel aus meinem Rucksack und krame auch einmal die Salztabletten hervor – die hatte ich bisher nicht benötigt, aber so langsam melden sich die Waden hinsichtlich Elektrolytbedarf. Auch muss ich nun ein wenig mit dem Wasser haushalten, es sollte noch reichen aber übermäßig wird die Reserve am VP nicht mehr sein.
Was mir auch auffällt und was sich beim Verlassen des Waldes in Battenberg bestätigt: Die Sonne ist weg, sie hat sich hinter einer Wolkendecke versteckt. Dementsprechend ist es auch nun deutlich frischer, ich überlege zwischenzeitlich doch schon die Jacke aus dem Rucksack zu packen, lasse es aber vorläufig sein. Der Weg führt nun wieder einmal durch den Ort, unterhalb der Burg treffen wir auf einen Abschnitt, den ich schon von einer Trainingseinheit kenne. Von daher bin ich nun im Vorteil gegenüber Stefan der mich noch immer begleitet – teilweise sind wir einige Meter auseinander, holen uns aber an verschiedenen Punkten immer wieder ein.
Immer wieder unterhalten wir uns auch ein wenig, wir kennen beide den Weinstraßen-Marathon von daher kennen wir auch die Ortschaften die wir sehen doch zumindest einmal vom Durchlaufen. Insgesamt gibt uns das auch etwas Orientierung. Der Anstieg in Neuleinigen hat es nochmal gut in sich und hört auch nach dem Ort nicht so recht auf. Wir unterqueren die A6. In der Ferne sehen wir schon ein großes Weingut mit einer gigantischen Dartscheibe, kurz darauf laufen wir daran vorbei, das ist doch noch nicht die Versorgung. Die folgt aber wenige hundert Meter später am Sportlerheim. Meine Trinkblase ist komplett leer, gut dass ich auffüllen kann. Zudem noch ein paar Happen: Riegel, etwas Obst und für mich auch wieder jede Menge Gummibärchen. Beim Loslaufen habe ich eine kleine technische Panne – der Verschluss der Trinkblase ist nicht ganz richtig zu und so schwappt mir eine größere Menge Wasser in den Rücken und läuft die Beine hinunter – Erinnerungen an Angkor Wat inklusive, dort war das Leck etwas schleichender und vor allem das Wetter deutlich wärmer. Also einmal Deckel richtig drauf und dann weiter laufen – Stefan ist schon ein gutes Stück voraus aber an einem Abzweig spurtet er dann doch vorbei – meine Uhr gibt mir deutlich früher Bescheid und so laufen wir dann wieder gemeinsam weiter.
Es liegen noch rund 15km vor uns, ich schaue ein wenig auf die Uhr. Hatte ich mir am Start noch Gedanken gemacht ob es mir vor der Dunkelheit bis ins Ziel reichen würde, so ist jetzt eher die Frage: Klappt es mit unter 10h? Es sollte auf alle Fälle reichen, dass ich die Kopfleuchte nicht doch noch auspacken muss. Die Waldabschnitte sind vorüber, es geht nun wesentlich stärker in die Weinberge und Felder. Wir streifen Grünstadt, genauer den Stadtpark mit diversen Sportvereinen. Obwohl wir direkt am Ortsrand entlang laufen, habe ich nicht das Gefühl dass ich in der Stadt wäre. Immerhin macht die Stadt ihrem Namen hier alle Ehre: Es ist alles saftig grün bzw. herbstlich bunt um uns herum. Soweit es flach ist jogge ich mir Stefan, die Steigungen gehen wir mittlerweile konsequent nach oben.
Laut Profil kommt noch ein kräftiger Anstieg, sozusagen das Äquivalent der „Asselheimer Wand“ des Weinstraßenlaufs. Nur ist es diesmal nicht Asselheim, sondern Mertesheim. Der Anstieg ist natürlich auch proportional zur Länge des Laufs angepasst, sowohl was die Steigung als auch was die Länge des Anstiegs betrifft. Das kostet nochmal reichlich Kraft. Im Gegensatz zu Stefan bin ich ohne Stöcke unterwegs, es muss also bei mir alle Kraft aus den Beinen kommen. Ich nutze die Gehpassage um nochmal etwas Energie nachzuschieben für die letzten Kilometer, es sind mittlerweile noch rund acht bis ins Ziel. Irgendwann hat auch dieser Anstieg ein Ende und wir erreichen den Segelflugplatz. Nun sind es laut Uhr nur noch unwesentliche Höhenmeter, auf alle Fälle weniger als hundert.
Das heißt leider nicht, dass nun ein einfacher Streckenabschnitt folgt: Es geht recht häufig recht steil bergab und durch die Weinberge, noch immer auf Trail-Untergrund – also entweder sehr holprig und steinig oder auf Graswegen. Das fordert nochmal richtig Konzentration und Kraft. Zudem will Bockenheim nicht so recht näher kommen. Aus der Entfernung erspähe ich dennoch das markante Haus der deutschen Weinstraße. Die unwesentlichen Höhenmeter gehe ich mit Stefan nach oben, so richtig Kraft und Spritzigkeit haben wir beide nicht mehr. Fast sind wir versucht am „SchorleXpress“ doch noch kurz Pause zu machen. Einen Riesling-Schorle entlang der Strecke würde ich jetzt glatt mitnehmen (ob es eine gute Idee wäre, steht auf einem anderen Blatt).
Noch ein paar Zacken weiter und wir sind am Ortsrand von Bockenheim – das Haus der deutschen Weinstraße ist deutlich näher gerückt, aber es liegt noch etwas mehr als ein Kilometer vor uns. Etwas angetrieben vom Blick auf die Uhr und dem Wissen, dass es jetzt gleich vorbei ist, mache ich doch noch ein klein wenig Tempo. Das hätte ich mir sparen können, vor lauter Tempo verpeile ich den geplanten Weg am Haus entlang – wird sind aber scheints nicht die ersten am heutigen Tag – man gibt uns gleich Zeichen dass wir falsch sind.
Es geht dann doch unter dem Haus der Weinstraße durch, allerdings ist dort nicht die Ziellinie, diese befindet sich am Sportgelände des TSV Bockenheim bzw. der Festhalle Emichsburg. Das Gelände kenne ich als Marathonmesse, aber die genaue Location des Ziels nicht, markiert ist auch weiterhin nichts – also weiterhin auf den Track schauen. Am Sportplatz steht dann auch endlich die ersehnte Beach-Flag zur Markierung, allerdings müssen wir noch bis in die Halle hinein und an den Tresen. Dort ist die offizielle Ziellinie. Geschafft! Ich beglückwünsche Stefan zu seiner Leistung und der steten Motivation, aber die Ehre ist ganz auf seiner Seite. Wären wir alleine gewesen wäre die Strecke viel eintöniger und wir wohl auch langsamer unterwegs gewesen. Am Ende sind es 9:48h und somit Platz 22 für mich, insgesamt waren 49 Teilnehmer am Start, angekommen sind 46. Mit einer Platzierung in der vorderen Hälfte hätte ich angesichts meines Trainings nicht gerechnet, aber es scheint ja doch nicht ganz falsch gewesen zu sein.
Ebenfalls im Ziel treffe ich Norbert, er hat die 170km erfolgreiche absolviert, ist aber nur rund 15 Minuten vor mir eingetroffen – ich hätte ihn deutlich schneller erwartet, aber wie er berichtet war er in Begleitung unterwegs. Ich freue mich über ein großes Buffet in der Halle, vom Riegel über Gummibärchen bis hin zu warmer Suppe ist für jeden etwas dabei. Dazu gibt es ein erfrischendes alkoholfreies Bier bzw. zwei. Mit diesem stoßen wir auch auf den Erfolg an. Das Essen unterbreche ich nur kurz um einmal unter die warme Dusche zu gehen und mich frisch zu machen, auch das eine Wohltat. Insgesamt habe ich trotz zwischenzeitlich andere Gefühle keine Blasen oder Scheuerstellen.
Mit dem Shuttle geht es dann zurück nach Neustadt, einige hatten schon gescherzt, dass wir auch zurück laufen könnten, zur Abwechslung in der Ebene, damit es nicht ganz so lange dauert. Am Auto angekommen erwartet mich noch eine nette Überraschung: als ich starte läuft im Radio Depeche Mode mit „Just can’t get enough“ – auch eine nette Umschreibung für Ultra-Läufer, denn im Kopf überlege ich durchaus: Den könnte man nochmal laufen – ob die volle Distanz bin ich mir aber nicht sicher.
Fazit: Ein hochinteressanter Lauf, der den Namen „Steig“ auch wirklich verdient. Im Vergleich zum Rennsteig natürlich deutlich kleiner, dafür um so bissiger was die Höhenmeter und den technischen Anspruch der Strecke betrifft. Eine weitere Wasserstation an der Lindemannsruhe wäre noch nett gewesen und an einigen Stellen war der GPS-Track mit der Wirklichkeit etwas schwieriger in Einklang zu bringen. Da würde ich mir für die wenigen kritischen Stellen wie im Benjetal für eine weitere Durchführung eine Markierung mit Sägespähnen oder etwas ähnlichem wünschen. Ein ganz großes Dankeschön gilt allen Helfern, die sich an der Strecke und drum herum engagiert haben. Die VPs waren mit sehr viel Hingabe eingerichtet und gut ausgestattet, preislich ist der Lauf absolut im Rahmen, für ungefähr einen Euro pro Kilometer kann man sich nicht beschweren.