Es ist schon wieder zwei Jahre her, dass ich beim Marathon du vignoble d’Alsace am Start war. Damals leider eine ziemlich „hektische“ Aktion, weil ich nachmittags noch auf ein Konzert wollte. Dieses Jahr habe ich mir vorgenommen ein wenig langsamer bzw. mit mehr Genuss zu laufen, denn der Marathon durch die Weinberge bietet insgesamt 12 Stationen mit gastronomischer Versorgung an, sprich jedes Mal eine Spezialität aus dem Elsass und den passenden Wein dazu.
Leider kann auch dieses Jahr die Familie nicht mit dabei sein, da am gleichen Tag auch noch ein Baseballspiel ist. Immerhin verkürze ich die Anfahrt ein gutes Stück indem ich bei Marions Mutter in Gambsheim übernachte – so muss ich nicht um 4h in der Frühe los (wobei das im Vergleich zum Start in Kambodia ja immer noch human war). Dennoch ist die Nacht fast so früh vorüber wie unter der Woche, gegen 6:30h mache mich auf den Weg nach Molsheim, vorbei an Strasbourg ist es doch nochmal eine gute Stunde Fahrt.
Das Team vor Ort ist sehr gut eingespielt und auch für mich ist es ja nicht das erste Mal und so habe ich noch jede Menge Zeit bis zum Start, also ganz entspannt noch einen Schluck Kaffee nehmen und meine Tasche für den Zielbereich abgeben. Da Start und Ziel rund 4km auseinander liegen gibt es einen Gepäcktransfer. Das Wetter ist noch recht frisch, an den Bergflanken hängen sogar noch einige Nebelfetzen, aber es soll sonnig und warm werden. Passend zum Wein habe ich mein Trikot des Médoc-Marathon angezogen – das ist ein Singlet, die Sonne kann also kommen. Der Start verzögert sich noch um einige Minuten, da es über einen Bahnübergang geht und sogar noch einige Läufer ökologisch korrekt mit dem Zug kommen.
Das Startfeld füllt sich und um 8:10h setzt sich der Pulk dann auch in Bewegung. Wie üblich dauert es etwas bis sich alle Läufer passend einsortiert haben. Ehe wir es uns versehen geht es aus Dorlisheim raus ins Feld. Die ersten zwei Kilometer sind schon geschafft als wir eine markante Brücke erreichen, nach einem U-Turn geht es etwas bergan auf die erste gastronomische Versorgung zu. Auf der Kuppe gibt es Brioche und Sylvaner zum Einstieg. Danach geht es schwungvoll wieder nach unten und wir bekommen einen ersten Eindruck wie es nach dem Regen der letzten Tage in den Weinbergen aussieht: die Wege sind ausgewaschen und teilweise schlammig.
Aber es ist nur eine kurze Passage und schon geht es nach Mutzig hinein, einige Schlenker und es geht auf der Hauptstraße über die Bruche und direkt danach ist auch schon die nächste Weinverkostung angesagt: Bei Kilometer gibt es Kougelhupf und einen Pinot Blanc. Die Strecke danach folgt der Bruche teilweise auf dem Damm, teilweise auf befestigten Wegen. Die Sonne gewinnt langsam an Kraft es wird wärmer, die morgendlich Kühle verschwindet. Es dauert auch nicht mehr lange und schon sind wir in Molsheim und somit kurz vor Kilometer 10 und einer weiteren gastronomischen Versorgung: diesmal gibt es Sauerkraut und Riesling, zudem spielt eine Band als Begleitung – das motiviert fürs Weiterlaufen. Einige hundert Meter später trennt sich die Spreu vom Weizen: Die 10km Läufer laufen in Richtung Ziel, für die Marathonis beginnt die große Schleife nördlich von Molsheim.
Die Strecke ist nun fast schon etwas langweilig, es geht entlang der Route National durch die Felder, fast zwei Kilometer lang. Ich fühle mich richtig gut, es läuft einfach und meine Pace ist teilweise gar nicht so schlecht, ich habe mich bei ca. 5 min/km eingependelt und kann das gut laufen. Im Schnitt wird das natürlich langsamer sein, denn an den Gastro-Stationen halte ich ja an. Es geht durch Dachstein, den Ort verlassen wir durch das markante Tor mit seinem Turm. Es ist aber auch nicht mehr weit bis Ergersheim – nach dem Einschwenken an den Canal de la Bruche gibt es auch schon wieder eine gastronomische Versorgung. Diesmal sogar von einem vigneron independant, was mich besonders freut. Es gibt Laugengebäck und einen Auxerrois, der schmeckt richtig gut fruchtig.
Die weitere Strecke führt uns nach Wolxheim, dort verlassen wir den Kanal und es gibt die erste kräftige Bergwertung aus dem Ort hinaus. Der Untergrund ist nun nicht mehr immer ganz einfach: teilweise loser Schotter in der Baustelle und in den Weinbergen ist es recht glitschig, die Streckenposten warnen sogar vor besonders rutschigen Abschnitten. Mit dem Erreichen der Kuppe sind auch bereits 17km geschafft, danach wird die Strecke erstmal wieder etwas flacher. Das ist aber nur von kurzer Dauer, bis nach Dahlenheim gibt es dann nochmal Wiesenweg und einen kräftigen Anstieg. Teilweise ist der nur im Gänsemarsch zu bewältigen, es sei denn man möchte die Extra-Anstregung durch das hohe Gras. Ich bin recht gut dabei und laufe die Strecke hoch, während andere Läufer auf Gehen zurück schalten müssen.
In Dahlenheim gibt es wieder etwas zu verkosten: Würstchen und einen Pinot Blanc. Auch nicht schlecht, vor allem ist die Wurst gut gesalzen, das kommt mir sehr entgegen, denn mittlerweile ist mir wieder bewusst geworden: Das ist der Lauf bei dem es zwar Wein, aber kein Iso gibt. An meine Salztabletten als Ersatz habe ich natürlich auch wieder nicht gedacht. Noch ist das alles kein Problem, auch die Steigung in Richtung Scharachbergheim bewältige ich recht flott. In Scharachbergheim selbst ist die Stimmung sehr gut, denn hier starten die Halbmarathonis, als ich vorbei laufe stellen sie sich gerade im Startblock auf, direkt neben der Marathonstrecke – es wird kräftig angefeuert. Beinahe hätte ich die Verkostung übersehen, es gibt eine Art Stollen und einen Pinot Gris. Am Stand tummeln sich schon reichlich Marathonis, welche die Halbzeit feiern.
Mit mehreren Zacken geht es aus dem Ort hinaus, bis wir auf einer Art Damm auf Kirchheim zulaufen, 24km liegen hinter uns und das etwas längere flache Stück lässt sich gut laufen. Kurz nach dem 24km Schild wird es etwas hektisch: die ersten Halbmarathonis rollen das Feld der Marathonis von hinten auf, die sind noch richtig schnell, aber klar die haben auch weniger Kilometer in den Beinen. Die Station in Kirchheim ist tatsächlich nur eine sportliche Versorgung, angesichts der Temperaturen greife ich dann doch einmal beim Wasser zu, ein klein wenig habe ich auch noch in der mitgeführten Flasche.
Bis zur nächsten gastronomischen Versorgung sind es nunmehr noch etwas mehr als 1km, ich freue mich auf diese Station in Marlenheim besonders, denn dort gibt es tatsächlich etwas richtig salziges: Hering und dazu wird ein Riesling gereicht. Zudem lasse ich mir meine Flasche mit Wasser auffüllen. ich bin derart beschäftigt das ich erst am Ortsausgang merke, dass ich diesmal kein Bild gemacht habe. Im Ort selbst gibt es auch noch Musik, als ich durchlaufe wird gerade eine Interpretation on Green Days „Basket case“ zum besten gegeben.
Wir kommen nun wieder mehr in die Weinberge und das merkt man auch im nächsten Ort: in Wangen geht es steil bergauf, auf der Kuppe gibts aber auch wieder die Belohnung: Knackwurst und einen frischen Riesling. Kilometer 28 liegt hinter mir, es ist jetzt nur noch ein Drittel zu bewältigen, allerdings weiß ich auch um die Tücken der Strecke die da noch auf uns lauern: Nach Wangen geht es wirklich durch die Weinberge, nicht immer sind die Wege befestigt, es geht teilweise kilometerlang auf Feldwegen mit doch recht hohem Gras entlang. Da muss man aufpassen wo man hintritt und überholen ist besonders anstrengend.
Bald darauf ist Traenheim erreicht, dort gitb es nur eine sportliche Versorgung, ich greife bei ein wenig Trockenobst und Wasser zu. Der Ort ist nett zum Durchlaufen, es geht teilweise direkt durch die Innenhöfe mit diversen Torbögen. Danach geht es direkt wieder in die Weinberge, die Strecke hat hier nochmal einige Höhenmeter zu bieten. Mitten im Weinberg gibt es dann aber auch wieder eine gastronomische Versorgung, es gibt Münster-Käse und einen Gewürztraminer, also eher einen lieblichen bis süßen Wein. Geschmacklich kombiniert sich das hervorragend. Begleitet wird das ganze wieder einmal von einer Liveband, diesmal mit einem echten Klassiker von Petula Clark: Downtown. Wobei die Strecke jetzt nicht gerade nach downtown sondern einfach nur down hill geht.
im nächsten Ort ist auch wieder richtig gute Stimmung mit jeder Menge Menschen an der Strecke, es gibt eine Art Energiedrink – geschmacklich finde ich den nicht überzeugend, schon gar nicht im Vergleich zu den gereichten Weinen. Im Kopf gehe ich durch was jetzt noch kommt: eine Senke, soviel weiß ich noch und somit auch nochmal ein Anstieg. Den erreichen wir bei Kilometer 36 in Dangolsheim – nach dem Anstieg gibt es aber auch direkt wieder eine Belohnung: Pâté en croûte und einen Pinot gris. Die Station könnte fast einige Meter weiter liegen es ist direkt nach dem Anstieg recht eng auf der Straße.
Wenn meine Erinnerung nicht verkehrt ist, dann gibt es jetzt eigentlich nur noch die folgende etwas länger gezogene Steigung bevor wir nach Soultz-les-Bains kommen und dort an die Mossig einschwenken. An einem Ausläufer von Wolxheim mündet sie in die Brûche. Insgesamt hat es den Vorteil, dass die Strecke nunmehr sehr flach ist. Meine Pace liegt immer noch bei um die 5:15 min/km, wenn ich nicht gerade einen Kilometer mit einer gastronomischen Versorgung habe: Im Ausläufer von Wolxheim ist es dann wieder soweit: es gibt eine Art Lebkuchen / Weihnachtsgebäck und einen leicht lieblichen Muscat dazu. Derart versorgt gehe ich die letzten drei Kilometer der Strecke an.
Die Kilometer ziehen sich nun etwas, vor allem da die Strecke gut einsehbar ist. Die Brücke bei Molsheim ist gefühlt doppelt so weit weg wie sie es tatsächlich ist. Darunter findet sich aber ein wichtiges Motivationschild: 41km liegen hinter mir, getoppt wird es noch durch die wenige hundert Meter weiter liegende letzte gastronomische Versorgung: es gibt nochmal eine Art Spritzgebäck und dazu einen Cremant, also einen Schaumwein. Der macht den letzten Kilometer besonders heiter. Zudem sehe ich etwas vor mir einen Läufer einen neongelben Shirt. Den habe ich immer wieder einmal überholt, aber an den Verkostungen hat er mich natürlich wieder eingeholt. Ich fasse etwas Mut und nehme mir vor ihn wenn möglich noch einzuholen. Auf der Zielgeraden in Molsheim ist es soweit, allerdings habe ich nicht ganz mit seinem Sprintvermögen gerechnet: Kaum ziehe ich an ihm vorbei setzt er zum Zielsprint an. Das lasse ich mir natürlich nicht bieten und beschleunige ebenfalls. Es können nur Bruchteile von Sekunden Unterschied sein, als wir über die Ziellinie gehen. Leider gibt es nur Brutto-Messung, der Unterschied wird also haarscharf, ich muss mich am Ende mit Platz 121 begnügen von 803 ins Ziel gekommenen. In der französischen Altersklasse „Master 1 Home“ reicht es für Platz 16 von 77, bei den Männern bin ich insgesamt Platz 71. Angesichts der „Trödelei“ an den Versorgungen kann ich mit der Platzierung und einer Zeit von 3:56:25 sehr zufrieden sein. Mein Blick auf die Uhr sagt mir, dass ich ohne die gastronomischen Pausen wohl auf ca. 3:40h gekommen wäre. Aber das ist ja bei diesem Lauf nicht der Sinn, wenn man nicht verkostet entgeht einem der ganze Spaß.
Die Organisation ist auch nach der Ziellinie hervorragend eingespielt: Weinpräsent und T-Shirt abholen und an der Versorgung ein wenig Wasser und etwas zu Futtern. Danach heißt es für mich erst einmal zur Gepäckausgabe und zur Dusche. Danach fühle ich mich schon deutlich erfrischter und kann auch guten Gewissens zur angebotenen Massage gehen. Im gleichen Gebäude kann ich dann auch meinen Essensgutschein einlösen: Es gibt einen Art Braten „palette à la diable“, dazu etwas Salat und ein Stück Kuchen als Desert. Ich gönne mir zudem noch ein frisch gezapftes Bier, bevor ich mich auf den Heimweg mache. Die Shuttlebusse fahren diesmal schon recht häufig, ich muss nicht lange warten bis ich am Parkplatz bin.
Fazit: Den Lauf sollte man nicht als sportlich ernste Veranstaltung sehen, er reiht sich bei ähnlichen Veranstaltungen wie dem Médoc-Marathon ein (und es gibt noch einige mehr in diesem Format in Frankreich). Man merkt der Organisation an, dass diese mittlerweile alles im Griff hat: von den Startnummern über die Versorgungen und alles drum herum: es funktioniert einfach. Die Strecke selbst ist insgesamt nicht übermäßig anspruchsvoll, es gibt einige knackige Passagen aber im Mittel passt das alles sehr gut zusammen. Es geht ja schließlich um die Weinberge, wenn es da keine Höhenmeter hätte wäre wohl etwas falsch. Den Lauf kann ich durchaus empfehlen, ob ich ihn direkt im kommenden Jahr wieder ins Programm nehme weiß ich noch nicht, das hängt auch davon ab was es sonst noch an Läufen gibt. Die Kombination zwei Marathons an zwei aufeinanderfolgenden Wochenenden habe ich recht gut verkraftet, insgesamt wäre ein etwas gründlicheres Training sicherlich nicht ganz verkehrt gewesen, aber es gibt auch noch andere Verpflichtungen als das Lauftraining.