Nur alle zwei Jahre findet der Marathon der deutschen Weinstraße statt. Aufgrund der Pandemie ist sogar eine Ausführung ausgefallen, daher gibt es erst in diesem Jahr den 12. Marathon der deutschen Weinstraße. Für mich ist es die 5. Teilnahme, ich zähle mich also zu den Wiederholungstätern bzw. Streckenkennern. Angesichts des Höhenprofils ist Streckenkenntnis ein wichtiger Faktor.
In diesem Jahr bin ich mit der Familie etwas knapp dran, da es sich angesichts der Spritpreise (und dem Umweltschutz) verbietet nur für die Abholung der Unterlagen am Vortag schon einmal rund 120km mit dem Auto abzuspulen muss ich das direkt im vor dem Lauf erledigen. Bereits auf der Anfahrt sieht es nicht gerade einladend aus was das Wetter betrifft – stellenweise Regenschauer und auf den ersten Erhebungen des Pfälzer Waldes bei Grünstadt liegt tatsächlich noch oder schon wieder Schnee. Das Wetter macht diesen April wirklich was ihm gerade beliebt. Eine übermäßig lange Schlange an der Haltestelle für die Shuttle-Busse bei der Witterung ist dann auch nicht gerade das was mich entspannter werden lässt. Immerhin muss man sagen: Die Organisation ist sehr gut eingespielt, die Beschilderung der Parkplätze und der Shuttleverkehr vorbildlich.
Ich nutze die Etappe vom Bahnhof in Bockenheim an den Festplatz neben dem Haus der deutschen Weinstraße um mich ein wenig warm zu machen. Die Schlange vor dem Ausgabezelt ist zwar lang aber immerhin geht es sehr schnell. Zwischenzeitlich treffe ich noch auf Erik, er ist schon etwas früher da, für mich heißt es jetzt schnell noch die Tasche mit den Wechselklamotten und den Präsentebeutel (es gibt wie üblich eine Flasche Wein) abgeben und dann auf zum Start. Dort befestige ich dann auch endlich noch meine Startnummer – es sind dann noch sieben Minuten bis zum Start. Beim Zurechtrutschen der Jacke habe ich dann wohl auch einen meiner Haltemagnete für die Startnummer eingebüßt, schade aber nicht zu ändern, immerhin hält die auch mit dreien noch sehr gut.
Nach dem Startschuss tut sich erst mal nichts, es staut sich, bis ich endlich über die Startlinie komme. Aber es gibt ja eine Netto-Zeitmessung, von daher kein großes Drama, wenn man etwas später über die Startlinie geht. Allerdings war ich diesmal wohl wirklich zu vorsichtig und auf der engen Hauptstraße in Bockenheim kann sich das Feld noch nicht so richtig sortieren. Da hilft nur Geduld – immerhin vergeht so der erste Kilometer, kurz vor dem Ortsende beginnt es dann auch noch zu regnen. So hatte ich mir den Lauf definitiv nicht vorgestellt. Zumal das Handy in der Jackentasche lästig auf und ab tanzt – eigentlich hatte ich ja vor mal Bilder von der Strecke zu machen, aber es erweist sich als unpraktikabel während des Laufs das Handy heraus zu holen. Da muss ich mir mal etwas besseres einfallen lassen.
Ehe ich es mich versehe ist auch Kilometer zwei schon geschafft und die erste leichte Kuppe des Laufs genommen. Jetzt geht es erstmal abwärts nach Asselheim rein, die bekannte Asselheimer Wand hinunter, ich weiß ja schon, dass es diese bei rund Kilometer 39 auch wieder hoch geht. Der Anstieg durch Asselheim wird durch die erste Versorgung versüßt, allerdings habe ich noch keinen rechten Bedarf, daher lasse ich sie einfach aus und laufe weiter. Immerhin hört der Regen dann auch schon wieder auf. Nach dem Anstieg geht es wieder leicht bergab und dann mit fast kaum wahrnehmbarer Steigung in die Fußgängerzone Grünstadts. Dort gibt es schon wieder eine Versorgung, diesmal greife ich wenigstens etwas Iso-Getränk ab. Am Ende der Fußgängerzone steht die Familie und feuert mich an.
Es geht aus Grünstadt raus, unter der A6 durch und dann durch die Weinberge, das nächste Ziel ist Klein-Karlbach, bis dahin gibt es einige kleinere Weinberge zu bezwingen, zudem verlassen wir den Pendelstrecken-Anteil, ab jetzt geht es auf eine große Schleife. Der Abstieg nach Klein-Karlbach ist recht steil und im Tal lauert eine wichtige Entscheidung – hier trennt sich das Feld – die Halbmarathonis nehmen eine zusätzliche kleine Schleife mit, für die Marathonis geht es fast direkt in den Ort. Dort vereinigen sich die Strecken nochmals und führen an einer weiteren Versorgungsstation vorbei. Kurz danach ist die zweite Weiche, an der man aber eigentlich keine Wahl mehr hat – egal welche der beiden falschen Kombinationen man nehmen würde – es wäre kein Marathon oder kein Halbmarathon. Für die Marathonis geht es ab dem Abzweig dann auch nochmal kräftig zur Sache, wieder einen Weinberg hoch.
Die nächsten Orte heißen denn auch passend – Bobenheim am Berg und Weisenheim am Berg. Ich laufe auf einen Rennsteigläufer auf und wir unterhalten uns ein wenig, das lenkt ab und so verfliegen die Kilometer schon fast. In Bobenheim ist Kilometer 12 erreicht und kurz nach Weisenheim liegt das erste Drittel der Strecke hinter mir. Dank Iso-Getränk und Apfelschorle läuft es auch immer noch recht rund, auch wenn ich die Anstiege deutlich an meiner Pace sehen kann. Allerdings machen sich auch erste Probleme der kalten Witterung bemerkbar: Die Getränke sind gefühlt eiskalt und liegen um so schwerer im Magen. Eiskalt war es wohl auch die letzten Tage rund um die Strecke – es liegen noch viele Schneereste rechts und links der Fahrbahn, auch wenn sie langsam auftauen.
Vor Leistadt ist nochmal eine kleinere Kuppe zu überwinden, danach folgt eigentlich ein sehr schöner Streckenabschnitt, es geht fast drei Kilometer stetig bergab nach Bad Dürkheim. Allerdings will diesmal nicht so recht Freude aufkommen, es ist schlichtweg zu kalt und windig. Auch die sonst wunderschöne Aussicht auf die Rheinebene ist reichlich wolkenverhangen. Einzig der Blick auf die Pace macht mich glücklich – ohne große Anstrengung stehen dort Zeiten deutlich unter 5 min/km. Wobei mir natürlich klar ist: Die Höhenmeter muss ich nachher auch wieder hoch.
In Bad Dürkheim heißt es dann erst einmal wieder sich umzugewöhnen, erst geht es ein gutes Stück flach, dann in die Innenstadt zur Wechselzone der Duo-Marathon-Staffeln. Wobei die Aufteilung des Duo-Marathons ja nicht ganz exakt ist, die Wechselstation liegt direkt im Anschluss an Kilometer 20. Bis zur Halbmarathonmarke hat man schon den Kurpark mit der bekannten Saline passiert. Die Stimmung entlang der Strecke ist angesichts des Wetters noch recht gut, wenn auch kein Vergleich zu meinen anderen Teilnahmen.
Nun folgt ein eher langweiliger Streckenabschnitt auf eine Kilometer-Sammel-Schleife raus aus Bad Dürkheim und nach einem Wechsel auf die andere Seite der Umgehungsstraße wieder zurück. Immerhin gibt es noch eine weitere Versorgung – ich packe mir etwas Bananen in die Backen, aber auch die sind vergleichsweise kalt. Bei heißen Temperaturen bin ich für derartige Kühlung ja dankbar, aber diesmal gärt und rumort mein Magen schon wie ein Weinfass in einem der Weinkeller.
Ab Ungstein ist dann die Erholungsphase definitiv vorüber, kurz nach Kilometer 25km geht es wieder in die Weinberge, verbunden mit reichlich Höhenmetern. Ein Blick auf die Uhr sagt mir: Bestzeit wird das heute nicht, aber unter 4h sollten dennoch machbar sein. Immerhin geht es nach dem Anstieg auch wieder leicht bergab durch Kallstadt, vorbei an der nächsten Versorgung – auch hier greife ich wieder zu. Allerdings klappt das nicht mehr so flüssig und ich muss kurz Anhalten.
Vor Herxheim am Berg liegt nochmal eine Senke – oberhalb der Strecke thront das Gebäude der Winzergenossenschaft. Da ich die Strecke ja kenne weiß ich wie anstrengend der Anstieg sein kann wenn es deutlich wärmer ist. Ich zwinge mich dazu nicht ins Gehen zu verfallen und nach dem Ortseingang geht es zwar weiterhin kontinuierlich bergauf, wenn auch nicht mehr so steil. Die angebotene Riesling-Dusche lasse ich aus, es ist ohnehin schon recht feucht und kalt und den Riesling habe ich lieber im Glas denn als Dusche. An der Wasserstation gäbe es auch eine lokale Spezialität, den Saumagen. Eigentlich esse ich den ja recht gern und bin auch bei Läufen nicht gerade ein Kostverächter, aber diesmal nehme ich lieber Abstand davon. Das Problem mit der Magenverträglichkeit der kalten Getränke hat sich nicht gelöst, gefühlt liegt das alles noch im Magen und die Energie kommt erst gar nicht dort an wo sie eigentlich gerade benötigt wird.
Die nächste Station ist Dackenheim, dort steht auch wieder eine Versorgungsstation, direkt am Kilometer 31. Es sind also nur noch 11km bis ins Ziel. Dankbar nehme ich an der Versorgung auch den warmen Tee an, das erste Getränk das nicht eiskalt ist und noch dazu ordentlich gezuckert ist. Dazu nochmal Banane, auch wenn ich mir nicht sicher bin ob es eine gute Idee ist. In normalen Jahren steht am Ortsausgang auch die Wanne mit dem Riesling-Schwamm, aus Hygiene-Gründen unter Corona-Bedingungen entfällt diese Einlage diesmal.
Der nächste Ort ist dann auch nicht mehr all zu weit – aber es gibt eine Neuerung – die Umgehungsstraße um Kirchheim ist fertig, das war sie vor vier Jahren noch nicht, das ändert an der Strecke aber nur minimal etwas. In Kirchheim gibt es schon wieder eine Verpflegung und auch hier greife ich dann doch nochmal zu, auch wenn ich dazu auch diesmal kurz anhalten muss. Beim Verlassen des Orts kann ich auch zum ersten Mal die Brücke der Umgehungsstraße in voller Ausführung sehen, beim letzten Lauf ging es noch durch die Baustelle – jetzt ist alles fertig. Was sich nicht geändert hat ist, dass es aus dem Tal recht steil nach oben geht. Kurzerhand schalte ich in den Energiesparmodus und gehe das steile Stück nach oben.
An der nächsten Kreuzung ist dann auch die Schleife beendet, jetzt geht es auf bekannter Strecke zurück gen Bockenheim. Kurz vor der Unterquerung der Autobahn stehen noch einige Personen und feuern zusammen mit ordentlich Musik die Läufer nochmals kräftig an. Es sind jetzt noch rund 7km bis ins Ziel. Das ich ankommen werde ist also nahezu sicher. Allerdings ist das Laufen mittlerweile doch recht gequält, ich merke die Höhenmeter (und das fehlende Training dafür) und auch das Gegrummel in der Magengegend ist nicht besser geworden. In der Fußgänger-Zone steht nochmal die Familie und kurz danach die vorletze Versorgung, ich nehme doch nochmal ISO und Apfelschorle. Nach der Versorgung steht das Schild „37km“. Also wirklich keine große Strecke mehr.
Aus Grünstadt geht es nochmal etwas bergan, die Strecke ist recht verlassen, ich habe gut Abstand zu den Läufern vor und hinter mir. Dennoch versuche ich natürlich weiterhin mein Tempo ungefähr zu halten – nach dem Anstieg geht es nach Asselheim rein. Dort gibt es nochmal etwas Versorgung – aus blankem Übermut ersetze ich an dieser Stelle dann auch den Riesling-Schwamm durch einen Schluck Riesling pur, in der Hoffnung, dass es die „Asselheimer Wand“ leichter wird. Es ist der letzte signifikante Anstieg, ab der Hälfte schalte ich dann doch nochmal auf Gehen zurück. Eine Läuferin überholt mich und motiviert mich. So jogge ich dann doch wieder los. Bei schönem Wetter ist die Einmündung auf die Bundesstraße eigentlich immer ein Highlight, an und auf der Brücke stehen immer viele Leute. Aber bei dem derzeitigen Wetter hat natürlich niemand so lange durchgehalten bis die Mehrzahl der Marathonis aus Bad Dürkheim wieder zurück ist, das ist auch verständlich denn der Wind ist einfach nur ekelhaft kalt.
Noch ein klein wenig geht es bergan, danach kann man es eigentlich gut nach Bockenheim rein laufen lassen. Ich kann sogar noch einige Läufer einholen, auch wenn ich total fertig bin. Ich ertappe mich, wie ich regelmäßig auf die Laufuhr schaue um festzustellen wie weit es noch ist. Am Ortseingang steht das 41km Schild und in Bockenheim sind doch noch einige Zuschauer unterwegs. Rund 800m vor dem Ziel geht dann der nächste Graupelschauer runter – die Strafe wenn man zwischenzeitlich zu viel getrödelt hat. Im Endspurt muss ich leider noch einen Läufer ziehen lassen, der verheddert sich fast noch im Flatterband weil nur eine der Gassen am Haus der deutschen Weinstaße offen ist. Endlich im Ziel! Nun macht auch der Magen seinem Frust etwas Luft, während um den Zielbereich der Schauer runter geht hänge ich etwas in der Ecke und fühle mich gar nicht gut. Immerhin geht es bald wieder besser und ich gehe meine Sachen holen – noch immer graupelt es recht ordentlich. Angesichts meines Zustands und dem Wetter lasse ich auch die Zielverpflegung sein.
An der Turnhalle hat die Feuerwehr wie bei jedem Weinstraßenlauf wieder ihre Dekon-Zelte mit Duschen aufgebaut. In der Halle ist wenig los, das kenne ich wesentlich voller. Nach der Dusche hat auch das Wetter ein Einsehen und die Sonne spitzt vereinzelt durch die Wolken. Ich mache mich auf den Weg zum Shuttle-Bus, die Familie wartet schon am Großparkplatz. Zudem bekomme ich erste Meldungen: Platz 168 im Gesamtfeld von 558, in der Altersklasse Platz 16 von 56 im Ziel. Netto sind es 3:49:45 geworden, nicht unbedingt hitverdächtig, aber angesichts der Profils und der Witterung ok.