Nur alle zwei Jahre findet der Marathon der deutschen Weinstraße statt. Da die Startplätze limitiert sind, hatte ich mich bereits im Sommer des vergangenen Jahres angemeldet. Netter Nebeneffekt: Man hat eine kleine, leicht merkbare Startnummer.
Die Strecke wurde im Vergleich zur letzten Veranstaltung nicht verändert, sie führt vom Nordende der Weinstraße in Bockenheim am Haus der Weinstraße nach Süden bis Bad Dürkheim und wieder zurück. Für die Halbmarthonis ist der Wendepunkt bereits in Klein-Karlbach erreicht. Das Profil des Laufs umfasst für den Marathon ca. 800 Höhenmeter durch die reizvollen
Weinberge.
Da die Weinstraße für den Lauf teilweise gesperrt ist, und somit die Hauptverkehrsader der Region blockiert ist, ist man auf P+R-Parkplätze und Shuttle-Busse angewiesen. Im Gegensatz zur letzten Veranstaltung musste diesmal auch noch der Kinderwagen mit, insgesamt waren wir sehr knapp und gerade noch pünktlich um einen der letzten Shuttle-Busse zu nehmen. Entsprechend hektisch war auch die Übernahme der Startunterlagen, immerhin musste ich mich nicht mehr umziehen. Zeit zum Aufwärmen vor dem Start blieb auch nicht mehr, aber die Sonne wärmte einen zumindest einmal von außen auf. Noch ein kurzes Gespräch mit den Vereinsmitgliedern und schon ging es los.
In Bockenheim war die Strecke von vielen Schaulustigen gesäumt, und auch der erste kleine Anstieg am Ende des Orts war dank vielfältiger Unterstützung aus dem Publikum leicht zu bewältigen. Wie üblich habe ich mich erst einmal etwas einsortieren müssen was die Geschwindigkeit betrifft. Bei Kilometer 3 ging es dann eine berüchtigte Steigung hinab, die sogenannte Asselheimer Wand. Die Strecke führt auf dem Rückweg nach Bockheim auf der gleichen Trasse, was man nun locker bergab joggen konnte, muss man kurz vor dem Ziel wieder hinauf. Man erkennt die erfahrenen Läufer der Strecke daran, dass sie eine gewisse Ehrfurcht vor der Steigung haben.
Ab etwa Kilometer 5 in Grünstadt begleitete mich ein Teilnehmer des Duo-Marathons der „anonymen Läufer“, wir haben uns recht gut unterhalten, insbesondere über die Problematik Training und Familie – was kann man tun um dennoch gute Zeite zu erreichen? So sind die Kilometer auch recht schnell an uns vorbeigeflogen. Ehe ich es recht fassen kann sind wir bereits am Rande von Klein-Karlbach an der Halb-Marathon-Weiche bei Kilometer 8,7. Die Stimmung an der Strecke ist richtig gut, zudem greife ich bei der Verpflegung zu – Wasser, ISO und Obst. Da ich meinen üblichen Trinkgürtel vergessen habe, achte ich darauf an jeder Station ausreichend zu trinken, denn die Sonne hat doch ganz schön Kraft und es wird immer wärmer.
Warm wird uns Läufern auch weil es nach Kleinkarlbach eine kräftige Steigung zu bezwingen gilt – die nächsten Orte heißen nicht ohne Grund Bobenheim und Weisenheim am Berg. Auch in Weisenheim greife ich wieder zu bei den Getränken. Kurz vor der Versorgung muss bereits ein Passant einer Mitläuferin aushelfen – sie ist ob der Wärme etwas dehydriert, aber alles
kein Grund zum Aufgeben.
Nach einem weiterne Anstieg näheren wir uns bereits den Ausläufern von Bad Dürkheim – Leistadt ist erreicht und 15km liegen hinter uns. Wir werden Ohrenzeugen des örtlichen, sehr breiten Dialekts. Eine Anwohnerin erklärt ihrer Nachbarin den Streckenverlauf „a die laafe jezd erschd nach Däärgem unn donn widda zurigg iwwa ungstäe und kallschd“. Gemeint ist die Streckenführung über Bad Dürkheim, Ungstein und Kallstadt. Die Strecke läuft nun mit stetigem Gefälle und einem herrlichen Ausblick in die Rheineben nach Bad Dürkheim – kurz vor dem Wurstmarkt-Platz am großen Fass sind 19km erreicht. In der Unterhaltung mit meinem Laufpartner erfahre ich, dass wir ohne es zu merken uns wahrscheinlich schon einmal begegnet sind, auch er war 2007 bei Lucent-Technologies beschäftigt und häufiger in Nürnberg (der Wiege meiner Laufkarriere mit Helgas Lauffreunden als Betriebssportgruppe). Leider können wir die Unterhaltung nicht fortführen – für ihn ist die Wechselzone erreicht, auch wenn er die verbleibende Strecke mit seinem Partner zurück laufen will, dieser ist aber deutlich langsamer und so trennen sich unsere Wege bei Kilometer 20 im Herzen Bad Dürkheims.
An der dort aufgebauten Versorgung greife ich zu bei Wasser und Iso, zudem noch einige Stücke Banane für auf den Weg. Irgendwie ist es etwas einsam ohne Begleitung – aber ich kann das Tempo trotzdem gut halten. Es geht durch den Kurpark, wo wieder reichlich Leute an der Strecke stehen und anfeuern. Marion und den Sohnemann habe ich die ganze Strecke über noch nicht gesehen, aber die meisten Dörfer durch die wir gelaufen sind waren ja abgeriegelt bzw. nur über Feldwege noch erreichbar. Das wird im zweiten Streckenabschnitt etwas besser, wenn auch nicht viel. Vorerst gilt es nach der Saline die Flachlandschleife bei Bad-Dürkheim zu bewältigen – sie führt die flacheren Weinanbaugebiete und über die Bundesstraße – auf der ist reichlich viel los, vor allem Abbieger stehen im Stau, da an einer Kreuzung die Polizei die Querung für die Läufer frei hält. Kurz nach Kilometer 23 ist schon wieder einVersorgungsstation, auch hier greife ich nochmal reichlich zu, denn die Flachland-Etappe ist bald zu Ende, wie ich aus der Erfahrung weiß.
Auf dem Weg wieder gen Bad Dürkheim überhole ich die Winzerstaffel – dies ist eine Sonderwertung des Laufs – insgesamt 42 Winzer(innen) teilen sich die Strecke des Marathons – jeder läuft einen Kilometer, natürlich in Berufsbekleidung (also längs gestreiftes dunkles Hemd) und als Staffelstab ein Stück Rebstock. Hätte ich nicht ganz erwartet den Kopf dieser Gruppe einzuholen, oder zumindest nicht schon jetzt. Noch rund 1km geht der Weg durch die flachen Landschaften, bevor es in Ungstein erstmals wieder merklich bergauf geht. Aber es stehen wieder viele Menschen an der Strecke und freuen sich über die Läufer und das herrliche Wetter. Natürlich wird auch ganz kräftig verkostet, den guten Wein aus der Umgebung. Nach Ungstein geht es recht steil bergan, fast schon ein Hohlweg bis auf die Kuppe.
Dort kann man schon Kallstadt sehen, die Strecke wird wieder flacher, zudem kommt schon wieder eine Versorgungsstation, dankbar kippe ich mir reichlich Wasser und Iso in den Hals – die Steigung hat Schweiß gekostet und es war nicht die letzte auf der Gesamtstrecke, soviel ist sicher. Aber jetzt geht es erst einmal sanft in eine Senke hinunter – auf der andere Seite des Tals kann man schon Herxheim am Berg sehen, das große Gebäude der Winzergenossenschaft dominiert den Ortseingang. Im Ortskern steht wieder eine Wasserstation und eine spezielle Einrichtung: Die Riesling-Dusche (es wird nur Riesling-Aroma verwendet, der Wein an sich wird hier lieber getrunken) – die Stimmung ist prächtig. Weit und breit noch immer keine Spur von Frau und Kind.
Die Strecke führt nun direkt auf der Bundestraße in Richtung Norden, bis es bei Dackenheim scharf recht abgeht – eine kleine Extra-Schleife, aber auch wieder eine Versorgungstation. Zwischenzeitlich liegt Kilometer 30 hinter mir und ich fühle mich etwas matschig. Ich motiviere mich mit dem Gedanken, dass es nur noch 12km sind. Aber so recht mag das nicht gelingen, ich kann zwar weiter joggen aber es fühlt sich dennoch sehr anstregend an. Eine neue Bestzeit insgesamt habe ich von vorneherein nicht vorgehabt, dazu ist das Profil zu anspruchsvoll. Kurz nach Dackenheim gibt es dann eine weitere Spezialität: Den Riesling-Schwamm! Ich greife zu und versuche möglichst viel Riesling aus dem Schwamm in den Mund zu befördern, aber die Koordination nach 31km und im Laufen klappt nur bedingt, ein guter Teil landet daher auf dem T-Shirt – immerhin es kühlt.
Auf dem Weg nach Kirchheim merke ich, dass ich mein Tief überwunden habe – war es nur die Versorgung und der Nachschub an Obst und Getränken in Dackenheim oder vielleicht doch der Power-Riesling? Egal jedenfalls läuft es sich jetzt schon wieder deutlich leichter. Am Ortseingang ist richtig was los – eine Gugge-Musik-Gruppe steht an der Kurve und treibt die Läufer an. Bevor es wieder auf die Strecke vom Beginn des Laufs zurück geht, steht nochmal eine Härteprüfung an – nach Kirchheim geht es ins Tal und drüben gleich wieder hinaus – derzeit ist dort noch Baustelle für die Ortsumgehung, entsprechend grob geschottert ist der Untergrund. Aber ich habe wieder Kraft und kann die Steigung recht gut hochjoggen.
Von der Kuppe aus sieht man bereits die Autobahn und dahinter Grünstadt, die Strecke geht erst ein wenig bergab und steigt dann nach Grünstadt hinein ganz sachte wieder an – noch immer kann ich Läufer ein- und überholen, aber auch ich werde immer wieder überholt – beim Hinsehen entdecke ich, dass es die Duo-Marathonis sind, die mich überholen – klar die haben noch Kraft.
In der Fußgängerzone von Grünstadt steht die nächste Versorgung, dankbar greife ich nochmals bei Banane, Wasser, Iso und Cola zu. Letzteres klebt mir dann die nächsten Kilometer an den Fingern weil die Becher sich in diesem Jahr nicht so gut zum Trinken im Lauf eignen – nächstes Mal definitiv wieder mit Trinkgürtel, das macht das Trinken etwas leichter. Kurz vor der Kuppe nach Asselheim steht das Kilometerschild 38, also nur noch 3km. Ich hatte schon überschlagen wie lange es noch bis zur gefürchteten Asselheimer Wand sind. Im Kopf läuft eine Art Dauerschleife: „Noch 3km und eine Asselheimer Wand …“. In Asselheim kann man nochmal Kraft tanken ich greife natürlich zu, und versuche möglichst viel Schwung aus dem Ort mit zu nehmen.
In der Mitte der Asselheimerwand sind es dann nur noch 2km wie mir ein Motivations-Schild angibt. Ich jogge recht gut die Steigung hoch, um mich herum verfallen viele ins Gehen. Ich zwinge einen beginnenden leichten Krampf in der Wade beiseite, bevor es nach der Steigung erst mal flacher wird und dann nur noch eine ganz kleine Kuppe zu nehmen ist. Das Wetter ist absolut spitze, die Bäume rechts und links der Strecke stehen in voller Blüte und mit jedem Schritt wird die Strecke von mehr Menschen gesäumt die anfeuern. Kurz vor dem Ortsschild steht die 41km Marke.
Ich bereite mich langsam auf den Endspurt vor – nur nicht überstürzen, auch wenn das Gefühl sagt: Gleich geschafft. Von Marion noch immer keine Spur, ich vermute dass sie wohl im Zielbereich stehen wird. Leider ist das nicht der Fall – aber die Stimmung ist derart Klasse – man wird schon fast ins Ziel getragen von den vielen Anfeuerungsrufen. Die Uhr zeigt 1:39 brutto an, das ist auf alle Fälle mal sehr schön zu sehen.
Im Ziel gibt es die Medallie und etwas zu trinken – ich genieße es in der Sonne zu sitzen und ein alkoholfreies Bier zu trinken. Da der Rest der Familie noch nicht aufgetaucht ist, mache ich mich an die Gepäck-Ausgabe, damit ich sie anrufen kann. Während des Laufs gab es noch eine kurze Meldung von „Peters Ultra Lauf Treff (PULT)“ – die Gruppe ist auf der zweiten Etappe des Neckarwegs – sie hat vor ihn in einer Woche vollständig zurück zu legen. Die Bilder nach 50km kontere ich mit einem aktuellen direkt vom Handy aus. Vor dem Zelt treffe ich direkt auf Marion. Die Verkehrssituation für die nicht laufenden Gäste ist absolut katastrophal – man kommt nicht vernünftig an die Strecke heran und in Bad Dürkheim haben wir uns wahrscheinlich nur ganz knapp verpasst – für in zwei Jahren müssen wir uns hier etwas anderes einfallen lassen – vielleicht hat auch der Veranstalter dann ein anderes Konzept. Ich mache noch einen Stopp an der Massage und schaue auf die offiziellen Ergebnisse 3:37:53 und somit 106 im Gesamteinlauf und 13ter in der Altersklasse – damit bin ich ganz zufrieden, auch wenn es natürlich etwas nagt, die zweistelligen bzw. die einstelligen Platzierungen verpasst zu haben. Knapp drei bzw. fünf Minuten schneller hätte ich laufen müssen, aber das sagt sich leichter als es sich läuft.
Um meinen Durst zu löschen gehe ich nochmal am Zielbereich vorbei und bin etwas enttäuscht – noch immer kommen Läufer ins Ziel, aber das alkoholfreie Weizenbier ist schon aus – so etwas sollte eigentlich nicht passieren. Ich nehme daher noch reichlich Iso, Apfelsaftschorle und Wasser bevor ich mich mit der Familie wieder auf den Weg mache. Die Fahrt mit dem Shuttlebus ist länger als auf der Hinfahrt, da die gesperrte Strecke umfahren werden muss – insgesamt ist das Konzept an der Stelle auch bei der 10. Durchführung des Laufs noch nicht ganz rund.
Zum Abschluss fahren wir vom P+R Parkplatz auf der bereits wieder frei gegebenen Strecke nach Bad Dürkheim in ein Gastwirtschaft in der Nähe der Laufstrecke – dort hole ich dann bei einem Pfälzer-Trio (Saumagen, Leberknödel, Bratwurst mit Kraut und Brot) die verbratenen Kalorien wieder rein.
Fazit: Landschaftlich und von der Stimmung her ist der Lauf einfach sehr schön, auch das Teilnehmer-Präsent in Form einer Flasche Wein ist einmal etwas anderes als Trikots oder Laufutensilien. Etwas ärgerlich ist die schlechte Versorgung im Ziel – das bei warmen Wetter die Läufer im Ziel gut Durst haben und ein alkoholfreies Weizen einfach ein herrlich erfrischendes und isotonisches Getränk ist, sollte sich eigentlich von selbst verstehen. Auch bei den Möglichkeiten für Zuschauer an die Strecke zu kommen sollte nochmals überlegt werden was hier getan werden kann. Ich werde mir da auch einmal Gedanken machen, was wir vielleicht anders organisieren können (z.B. Fahrrad mitnehmen, oder uns bereits am P+R-Parkplatz trennen …). Teilnehmen würde ich auf alle Fälle gerne wieder.