Insolvenz von Schlecker – ein Zeichen der Vernunft?

Jetzt ist es also raus: Schlecker ist pleite. Nachdem ja bereits weitere Schließungen angekündigt waren und die roten Zahlen auch ein offenes Geheimnis, war das eigentlich nur der nächste logische Schritt.

Ich finde es gerade bezeichnend, dass ein Geschäftsmodell, welches uns in der Hochschule als eines der effizientesten angepriesen wurde sich in Wohlgefallen aufgelöst hat. Damals wurde uns wunderbar erklärt warum das Konzept so super erfolgreich sei und die größte Drogeriekette dennoch ein Familienunternehmen ist.

Ehrlich gesagt bin ich ja mal gespannt welcher Dominostein der BWL-Weißheiten demnächst wackelt oder gar umfällt. Ich hätte da so ein paar Ideen
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[*] ständiges Just-in-time für alles und jedes
[*] kaum stimmen die Zahlen nicht muss gespart werden, egal was es kostet
[*] Forschung und Entwicklung darf nichts kosten, Entwicklung über mehrere Jahre ist schlecht
[*] Know How kann man einkaufen und verkaufen wie man es braucht, Ausbildung machen doch andere …
[*] Outsourcing löst alle Probleme
[*] Hauptsache ISO-zertifiziert
[*] Immobilien mieten ist günstiger als sie zu besitzen
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Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit – mit ein wenig Überlegung ließe sie sich sicherlich noch bedeutend erweitern.
Irgendwie finde ich es erheiternd, wie mehr und mehr an verschiedenen Stellen diverse angeblich so tolle Techniken der BWL hinterfragt und teilweise demontiert werden. Es scheint, als ob einige Dinge der „Altvorderen“ – den Geschäftsleuten vom Anfang des letzten Jahrhunderts doch nicht so verkehrt waren.

Sicherlich hat sich die Welt verändert und gewisse Anpassungen sind ja auch richtig. Dazu gehört auch der ein oder andere Irrweg, keine Frage. Im PC-Bereich wurde ja auch einige Zeit auf objektorientierte Datenbanken gesetzt, weil Objektorientierung ja das „Allheilmittel“ schlechthin ist. Mit Maß und Ziel eingesetzt ist Objektorientierung ein mächtiges Werkzeug, nur für die Datenhaltung in Datenbanken hat es sich als nicht effizient genug erwiesen – da ist man einfach relational besser bedient.

Einige Denkanstöße zu den oben genannten Punkten in dieser Richtung:

[b]Just-in-time[/b] Ein wichtiges Prinzip, das die Herstellung von komplexen Maschinen wie Autos revolutioniert hat – aber ist es deshalb plötzlich falsch einen gewissen Teilepool auch weiter als Lager zur Verfügung zu haben? Sicherlich ein Lager kostet auch Geld, aber es hat auch seine Vorzüge. Manchmal ist etwas weniger Dynamik und geringfügige Flexibilitätseinschränkungen im Endeffekt doch besser: Störungen auf dem Transportweg wirken sich nicht sofort negativ aus – mit intelligenter Technik lässt sich auch etwas längerfristig planen.

[b]Sparen egal was es kostet[/b] Sparsamkeit ist kein Fehler an sich – aber panisch zu reagieren, wenn die Gewinne mal nicht über denen des Vorjahres liegen ist in meinen Augen einer. Es kann nicht immer nur nach oben gehen – die Finanzkrise hat das sehr deutlich gezeigt. Vielleicht muss man für das ein oder andere Projekt einfach einen etwas längeren Atem haben. Es gilt immer den Kontext zu sehen. Am Beispiel Schlecker hat man gesehen wohin übermäßige Sparsamkeit führt – es wollte dort keiner mehr einkaufen. Merke immer den Kontext beachten und sich nicht kirre machen lassen.

[b]Forschung zum Nulltarif[/b] Klar will jeder irgendwann die Früchte der Arbeit ernten insbesondere in der Forschung und Entwicklung. Nur leider werden oftmals Projekte und Versuche sehr frühzeitig eingestellt, nur weil sie nicht profitabel sind. Klar, irgendwann muss man einen Schlussstrich ziehen – nur hat man das in den letzten Jahrzehnte oftmals zu früh getan und sich zu kurzfristig orientiert. Ich halte es durchaus für möglich, dass man schon heute mit Brennstoffzellen und Wasserstofftechnik Autos bauen kann – Projekte dazu gab es mehrere. Leider wurde oftmals gesagt: Rentiert sich nicht, daher machen wir erst mal nicht weiter. Nun haben wir derzeit den Salat: Öl wird langsam aber sicher knapp, Atomkraft wollen wir nicht – aber wir wollen dennoch mobil sein. Jetzt hat man das Nachsehen, weil man die Entwicklung nicht weiter verfolgt hat und derzeit die sich bietende Chance nicht nutzen kann.

[b]Know How Zukauf/Verkauf[/b] Am Arbeitsplatz merke ich es gerade immer wieder: An vielen Stellen fehlen derzeit die „alten Hasen“, Menschen die schon geraume Zeit für ein Unternehmen gearbeitet haben und viele Dinge aus ihrer Erfahrung angehen und lösen können. Lange Zeit hat man darauf gesetzt, dass ja genügend Potential vorhanden ist, in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit klappt das auch halbwegs. Aber wehe die Konjunktur zieht ein wenig an, dann ist der Acker recht schnell abgeräumt. Da man ja auch keinen Anlass hatte etwas nachzusähen (im Personalbereich nennt man das auch Ausbildung) muss man jetzt wohl warten bis die neuen Pflanzen endlich Früchte tragen. Leute entlassen und damit Know How abgebaut ist sehr schnell passiert, Know How zu bilden dauert sehr lange. Man denke an Eugen Roth:
„Zu fällen einen schönen Baum, braucht ’s eine halbe Stunde kaum. Zu wachsen, bis man ihn bewundert, braucht er, bedenk‘ es, ein Jahrhundert.“

[b]Outsourcing als Dauerlösung[/b] Man muss nicht alles wissen, man muss nur wissen wo es steht. Dieser Satz ist im Prinzip das Prinzip Outsourcing auf das Gedächtnis angewandt. Sicherlich muss man heute nicht mehr alles selbst produzieren was man braucht. Schon im Mittelalter gab es aber auch spezialisierte Betriebe, die einander zugearbeitet haben oder in etwas, das man heute Projekt nennen würde gemeinsam etwas erreicht haben. Wie bei fast allem muss man hier aber mit Augenmaß arbeiten um Erfolg zu haben. Komplexe Produkte zuzukaufen ist kein Fehler – jedoch einfach alles zuzukaufen, auch das was man eigentlich selbst machen könnte oder auch einmal gemacht hat, da wird es schnell kritisch. Ich würde sicherlich heute nicht anfangen einen Prozessor noch selbst zusammen zu Löten, wenn ich einen benötige. Aber bestimmte innerbetriebliche Arbeiten und Herstellungsprozesse sind Gold wert, wenn man sie direkt im Griff hat – man gewinnt an direktem Einfluss und somit an Flexibilität und Know How – das gibt man sonst einfach aus der Hand. Mitarbeiter vor Ort haben einen entscheidenden Vorteil: Sie kennen die Bedürfnisse in aller Regel deutlich besser als externe Kräfte, die nur gelegentlich da sind. Ergebnis ist oftmals mangelnde Flexibilität und lange Reaktionszeiten weil man vertraglich gebunden ist. Immerhin haben immer mehr Firmen erkannt, das Verkaufen nicht alles ist und auch eine eigene Produktion oder eigene interne Dienstleistungen sinnvoll sind.

[b]ISO-Wahn[/b] Normen und Regelungen vereinfachen die Arbeit verschiedener Organisationen – man denke gerade an Maße für Strecken und Gewichte oder auch Schrauben. Man kann sich darauf verlassen, das man bei Berufung auf die Norm etwas bestellt, das Gegenüber genau weiß was man möchte.
Warum muss man aber jeden Arbeitsprozess normen und exakt festhalten? In meinen Augen ist das eine Folge von mangelndem Zutrauen und Vertrauen in den Mitarbeiter – auch weil diese (siehe oben) immer weniger Erfahrung mitbringen. Jeder ist ersetzbar, wenn es eine idiotensichere Anleitung für eine Tätigkeit gibt. Vielleicht sind die Mitarbeiter aber nicht alle Idioten – ganz im Gegenteil, ich denke jeder anständig ausgebildete Mitarbeiter ist in der Lage seine Arbeit zu überblicken und zu wissen was er tut. Ich wehre mich ausdrücklich nicht dagegen bestimmte Verfahrensweisen zu dokumentieren – damit auch mal ein Anfänger nachschlagen kann oder die Vertretung auch weiß wie etwas zu machen ist. Dokumentierte Prozesse haben aber einen wesentlichen Vorteil: Sie sind flexibler und lassen sich anpassen. Einen genormten und zertifizierten Prozess zu ändern ist verdammt aufwändig, vom Nerv-Faktor für die Mitarbeiter mal ganz abgesehen – die fühlen sich nämlich beim Audit regelmäßig verschaukelt um es mal höflich auszudrücken.

[b]Mieten statt kaufen[/b] Auch ich leihe oder miete mir Dinge, zum Beispiel auch meine Wohnung. Aber ich weiß, dass ich dafür ab einem gewissen Punkt mehr bezahle als die Wohnung eigentlich wert ist, wenn ich sie kaufen würde. Miete ist hilfreich für Dinge die man nicht en Block finanzieren kann oder die man selten braucht. Aber gerade bei Immobilien weiß doch jeder wie praktisch es ist, Eigentum zu besitzen. Die Pleite von Karstadt hat das Prinzip verkaufen und zurückmieten klar und deutlich als wenig sinnvoll abgestempelt. Selbst wenn ich für eine Immobilie oder ein anderes Objekt Instandhaltungsarbeiten durchführen muss – vieles davon kann ich geschickt auch mit eigenen Kräften sehr effizient lösen.

Wie gesagt, ich warte mal ab was da noch kommen mag und freue mich über jeden Schritt in Richtung mehr Verwendung des gesunden Menschenverstandes.