Ich mag meine Wohnung – soviel steht fest. Mittlerweile sind große Schritte getan um sie endlich fertig einzurichten – auch wenn es sicherlich noch eine Weile dauern wird, bis ich sagen kann: Jetzt bin ich wirklich mit der Einrichtung zufrieden so wie sie ist. Noch wandern einzelne Möbel praktisch im Wochentakt umher. Aber kommt Zeit kommt Rat.
Um so ratloser werde ich mittlerweile bei meiner Nachbarschaft hier. Nicht dass man sich nicht sehen und nicht grüßen würde, aber es sind diverse zwischenmenschliche Auswüchse bei denen ich manchmal echt denke „was ist denn das für ein Film?“ bzw. „was geht hier denn ab?“.
Gerade eben hatte ich mal wieder so ein „Aha“-Erlebnis: Es ist ja kurz vor 0:00h – und ich wollte noch eine Kleinigkeit essen. Also raus dem Bett und ins große Wohnzimmer – wie üblich schlafe ich nur mit einem etwas längeren T-Shirt. Im Wohnzimmer habe ich eine recht breite Fensterfront zum Balkon hin. Auf dem Nachbarhaus steht wild gestikulierend ein Mensch – er scheint mich zu meinen. Für nach draußen ziehe ich mir dann doch lieber mal eine Hose an.
Als erstes Mal muss ich mir anhören ich wäre dumm … und würde spinnen. Ich versuche erstmal das Gespräch wieder auf ein sachliches Niveau herunter zu bewegen um heraus zu finden, was eigentlich los ist. Es stellt sich heraus: Der Mann hatte wohl gerade mal wieder nichts besseres zu tun als aus dem Fenster zu schauen – was tut man nicht alles wenn man Langeweile hat. Und er fühlt sich angegriffen weil ich nackt durch meine Wohnung laufen würde. Mir ist das eigentlich leidlich egal – auf die Distanz kann man meines Erachtens nach eh nur mit dem Fernglas was erkennen (selbst wenn es eines der Monstergeräte mit 3cm Durchmesser und 25cm Länge sein sollte). Was den guten Mann umtreibt ist die Sorge um seine Kinder. Eine Sorge die ich nicht wirklich teilen kann – wie gesagt auf die Entfernung sieht man eigentlich nur etwas wenn man explizit hinschaut und am Besten noch optische Hilfsmittel benutzt. Erschwerend kommt hinzu das aufgrund meiner Ausbau-Arbeiten die Fenster derzeit vor Staub doch reichlich milchig sind – in einer ruhigen Minute werde ich (bei Abwesenheit des Nachbarn – man will ja niemandem zu nahe treten) mal die Gegenprobe machen was ich im Haus gegenüber alles erkennen kann.
Ich schlage mehrfach vor, dass er ja nicht hinzuschauen braucht, aber das interessiert ihn nicht – er will lieber gelich rüber kommen – der Ton klingt leicht gereizt und aggressiv – aber ich kenne solche Leute ja zur Genüge – die insgesamt 8 Stockwerke sind da doch ein signifikantes Hindernis. Zudem habe ich ja auch noch eine Treppenhaustür und auch die Wohnungstür ist solide. Wenn er da dagegen bollert bekommt er es wohl eher mit den anderen Nachbarn wegen Ruhestörung zu tun…
Nachdem mit Argumentation nichts zu erreichen ist und sich einige Nachbarn (diesmal sicherlich teilweise berechtigt) über unsere Argumentation beschwert haben – die Distanz zwischen den Häusern braucht halt doch ein paar Watt an Lautstärke, aber ich kann noch immer auf das Training aus der Jugendgruppe bauen.
Ich solle doch die Rollläden zumachen oder mir Vorhänge hinhängen – wie oben geschrieben ich bin noch immer mit der Einrichtung beschäftigt, und Vorhänge kommen sicherlich auch irgendwann an dieses Fenster aber eben nicht von jetzt auf gleich. Und lichtdicht will ich das Fenster auch nicht machen – wobei es bei Nacht sowieso niemanden stören würde. Aber ich mag es nunmal gerne wenn morgens gleich Licht zum Fenster herein kommt. Vorhänge machen aber so lange keinen Sinn, wie ich noch am Werkeln bin – sie würden nur den ohnehin vorhandenen Staub auffangen und ich müsste sie regelmäßig abhängen um sie sauber zu bekommen. Soviel zum sachlichen Stand.
Im Nachgang muss ich ehrlich sein: Ich finde es fast schon amüsant und würde ja am liebsten noch eine passenden (vielleicht rote) Beleuchtung bei mir im Wohnzimmer aufhängen, damit es noch expliziter wird. Irgendwie fühle ich mich an die Zeit in den USA erinnert – dort darf man an einigen Stellen nicht mal die Unterwäsche im Hof auf die Leine hängen – Umkleiden am Strand ist ein ganz heißes Eisen. Ich dachte eigentlich, dass wir in Deutschland in einer aufgeklärten Gesellschaft leben, aber scheints ist die allgemeine Bildung in Sachen Moral bei einigen auf der Strecke geblieben.
Angeblich würden wegen ja sogar wegen meines Verhaltens soviel Sexualdelikte geschehen – wie der Nachbar auf dieses dünne Brett kommt kann ich gar nicht nachvollziehen – und es wird wohl auch sein Geheimnis bleiben, denn erklären ist ja nicht sein Ding.
Nächste Frage die ich mir stelle: Was regt den Mann eigentlich so furchtbar auf? Ich habe aus meinem Fenster auch einen sehr freien Blick in die Wohnungen meiner Nachbarn – dank dem Hang zu immer größeren Fernsehern kann ich teilweise sogar direkt mitgucken – nur der Ton fehlt mir dann halt. Aber das Fernsehprogramm meiner Nachbarn ist eh meist recht öde oder es fehlt das Niveau – RTL und Co brauche ich nicht wirklich. Seit mittlerweile mehr als 4 Monaten komme ich sogar ohne eigenen Fernseher aus. Es keimt ein weiterer Verdacht bei mir auf – der gute Nachbar hat vielleicht gerade einen defekten Fernseher und war deshalb gezwungen sich in der Nachbarschaft umzuschauen – weil auf die Nähe können die Augen dank übermäßigem Fernsehgenuss ja nicht gleich wieder fokusieren.
Weiterer Gedanken-Gang: Es ist, wie geschrieben kurz vor Mitternacht – was machen angeblich kleine Kinder die angeblich Schaden nehmen könnten um diese Zeit noch auf? Und wenn ich mir so anschaue was heute auf den Schulhöfen (oder auch in der Jugendgruppe – ich weiß wie gesagt wovon ich spreche) – da würde ich mir viel eher Gedanken über das Wohlergehen meiner Kinder machen. Aber wahrscheinlich werden die Nachbarskinder ja auch durch den Fernseher erzogen – zumindest läuft das Gerät in dem Haushalt auch recht häufig.
Hab mich jetzt ein wenig kundig gemacht – so direkt habe ich mal nichts zu befürchten und werde mich das nächste Mal einfach köstlichst amüsieren wenn der Kerle wieder auf dem Balkon rumhampelt, weil er Langeweile hat.
Ich habe keine – ich hab genügend andere Dinge um mich zu beschäftigen als mich ans Fenster hängen zu müssen und zu gaffen was meine Nachbarn machen…