Die Nacht auf dem Zeltplatz war verdammt kalt, um nicht zu sagen Popo-kalt im wahrsten Sinne des Wortes. Dabei hatte ich nun wirklich alles angezogen was irgendwie wärmt. Noch ein Grund sich abends einen besser ausgestatteten Campingplatz zu suchen. Denn auch telefonisch sah es gerade übel aus – T-Mobile kann man hier im Hinterland echt vergessen – kein Empfang. Von daher wäre mir jede Möglichkeit recht gewesen um die Gemüter daheim etwas zu beruhigen, ist ja nicht normal, dass ich mehr als 3 Tage nichts von mir hören lasse.
Immerhin konnte ich auf dem Handy ja die Blog-Einträge schon vorbereiten. Ist aber doch reichlich mühsam auf der Tastatur.
Halb angefroren habe ich dann um kurz nach sechs Ortstzeit mein Zelt zusammen gepackt und das übliche Frühstück der Champions gefuttert: Toastbrot, Marmelade und Erdnussbutter. Vieles andere verbietet sich von selbst, denn ich habe ja keine Möglichkeit die Sachen zu kühlen.
Die letzten 40 Meilen haben sich gewaltig hingezogen – mitten durchs Nirgendwo – aber immerhin abwechselungsreich und grün. Die Temperatur ist sogar noch etwas gefallen, der Bordcomputer meinte irgendwann 0°C und piepte mal wieder so von wegen: „Es könnte glatt sein“. Hätte ich so nicht erwartet. Point Imperial war der erste Aussichtspunkt den ich angesteuert habe. Die Strecken sind immer noch verdammt lang – ein weiterer Aussichtspunkt sind nochmal 25 km mehr, dass habe ich dann sein gelassen. Stattdessen auf in Richtung Visitor Center. Das ist wirklich alles sehr überschaubar hier auf der Nordseite. Der Angelsviewpoint ist recht interessant, und auch ein Blick in die Lodge ist echt beeindruckend. Die Preise leider auch. Definitiv nichts für den studentischen Geldbeutel mit Preisen ab ca. 80 US$/Nacht. Auch was Essen scheidet aus – die Preise sind einfach nur noch unverschämt.
Im Norden gibt es nur einen Trail, den North Kaibab-Trail. Das war ursprünglich mal ein Indianer Pfad in den Canyon, den eine Erkundungsmission dann verwendet hat, weil sie im Norden vom Schnee überrascht wurden – angesichts der Temperaturen kann ich mir das lebhaft vorstellen.
Der Trail hat es dafür ziemlich in sich, mehrere Warnungen sich gut auszurüsten und vorzubereiten – inklusive jeder Menge Wasser und auch Verpflegung. Definitiv abgeraten wird von der Idee an einem Tag bis ins Tal und wieder rauf zu wandern – das sind zwar nur 12km einfache Strecke, allerdings hat das Ding denn auch an die 3000 Höhenmeter in einer Richtung. Die meisten Touristen kommen nur an den Tunnel und kehren dann um, ich habe mir den nächsten wichtigen Punkt rausgesucht, die Roaring Springs. Am Grand Canyon ist es ja etwas verkehrte Welt, was Wandern und Klettern betrifft. Sonst ist es am Anfang anstregend und geht bergauf, hier geht es erst mal nur bergab, und dann wieder hoch. Es wird empfohlen im Verhältnis 1:2 zu planen: Doppelte Zeit um wieder rauszukommen. Ich war schon etwas spät dran, empfohlen wird, den Trail morgens gegen 7:00h zu beginnen. Bei mir war es schon 9:30h – geschätzte Zeit laut Trailplan: um die 7h – also immer noch passend vor Sonnenuntergang.
Der erste Abschnitt des Trails wird auch von geführten Maultier-Touren genutzt. Auf die muss man ein wenig achtgeben. Vor allem aber ist der Untergrund total sandig und laufend muss man aufpassen, dass man nicht in einen Haufen biologischen Düngers tritt. Nicht gerade eine tolle Sache – ich weiß warum man in Deutschland separate Wege für Huftiere eingeführt hat. Der Ausblick entlang des Trails ist aber einfach gigantisch – man bekommt einen Einblick den man sonst nicht haben würde. Der Weg ist abwechslungsreich – immer wieder sonnige und schattige Passagen. Das ist bei den Außentemperaturen nicht zu unterschätzen und ich machte mir schon Gedanken wie das bergan wohl werden würde.
Schneller als gedacht stand ich dann auch vor dem kleinen Tunnel der unter einen Felsvorsprung vorbei führt. Zumindest heute war für den Bereich keine Maultiergruppe angesetzt, und der Weg wurde insgesamt besser, weniger feiner Sand, sondern eher Schotter – von der Höhe her hatte ich etwas weniger als die Hälfte zurück gelegt. Bis zu den Quellen waren es aber noch 3 Meilen. Der Pfad schlängelt sich in reichlich engen Serpentinen den Hang runter und ist immer noch ordentlich steil.
Nächstes Zwischenziel: eine Brücke über den Teil des Canyons, praktischerweise läuft man dann auf der Westseite am Berg entlang und hat daher wenigstens etwas mehr Schatten. In einer weitläufigen Innenkurve habe ich dann nochmal Pause gemacht und den Sand, der sich in meinen Schuhen angesammelt hatte wieder entfernt – meine Laufschuhe sehen aus wie Hund – ich bin fast am Überlegen mir einen Satz neue zu kaufen, wenn ich wieder in Deutschland bin und die Laufschuhe für den Rückflug anzuziehen.
Bis man dann endlich an den Quellen ist, zieht sich der Trail schie endlos durch die wunderschöne Landschaft – man kann auf der gegenüberliegenden Seite die verschiedenen Sedimentschichten und Erosionsprozesse nachvollziehen, die hier vor Jahrmillionen stattgefunden haben. Einfach unglaublich – das in Bilder zu packen ist fast schon unmöglich, man sollte es einfach selbst erleben.
Zwischenzeitlich wird der Pfad deutlich flacher, was echt angenehm ist, und der Muskulatur eine kleine Erhohlung ermöglicht. Irgendwann kamen dann auch die Quellen in Sichtweite – anfänglich dachte ich das sei schon der nächste Punkt, weil die Strecke so ewig weit aussieht. Aber es ist tatsächlich das Toiletten-Häuschen, das man da unterhalb sieht. Dort habe ich dann erst mal ausgiebig Pause gemacht, Wasser aufgefüllt und mir einen Bagel samt Apfel gegönnt. An den Quellen ist es angenehm schattig und kühl, das war der Trail vorher nicht mehr wirklich, teilweise in der direkten Sonnen und rechts und links ein paar Kakteen.
Nun ging es an den anstrengenden Teil der Übung: „What goes down must come up …“ Die Gallone Wasser auf dem Rücken habe ich doch deutlich gemerkt, aber lieber zu viel Wasser dabei als zu wenig. Praktischerweise kann man sich, was die Höhe betrifft, im Canyon recht gut an den Sedimenten orientieren – unten ist es eher gelblich grauer Sandstein, in der Mitte ist er vornehmlich rot in allen möglichen Schattierungen, und im oberen Bereich ist es eher weißlich bis gräulich. Die untere Sektion ist zudem nur teilweise Sandstein, ein anderer Teil ist ehre Granit oder Gneis, das merkt man auch beim Laufen, es knirscht etwas anders.
Die rote Zone ist eine der anstrengendsten. Es geht kontinuierlich wieder bergauf – mit verdammt wenig Schatten. Etwas frustrierend ist der Blick in die Ferne – man sieht Formationen und weiß genau: An der musst du vorbei kommen, und die ist noch weit weg und vor allem ein gutes Stück oberhalb. Fast automatisch schaltet man in den Langstrecken-Modus den ich seit der Ulmer Laufnacht kenne, einfach einen Fuß vor den anderen setzen. Damit man nicht austrockent fängt man mit lustigen Trinkspielchen an: Jede Kurve mit mehr als 90° heißt einen Schluck Wasser – insebsondere an den Serpentinen trinkt man so doch ganz ordentlich was. An der gleichen Stelle wie am Weg nach unten habe ich nochmal eine Pause im Schatten gemacht – einen Apfel und die Flasche am Gurt wieder auffüllen. Irgendwie war ich doch ziemlich zügig unterwegs – hätte ich so nicht erwartet. Aber die Kondition ist halt einfach da – und die Beinmuskulatur ist ja einges gewohnt. Andere Wanderer haben gemeint, sie hätten zwischenzeitlich etwas Probleme mit der Muskulatur gehabt – ich nicht. Laufen ist doch der richtige Basis-Sport.
Bis zum Tunnel sind es die wirklich anstregendsten Sepertinen, ständig bergauf mit großen Stufen die teilweise ordentlich ausgewaschen sind. Am Tunnel habe ich dann nochmal Pause gemacht, Bagels, Apfel und jede Menge Wasser. Nach zehn Minuten ging es dann an den letzten Abschnitt des Aufstiegs. Der hat zwar auch nochmal ordentlich Höhenmeter, allerdings ist er zusätzlich schwerer durch den losen Sand man läuft fast wie am Strand – auf Dauer nervt das einfach nur.
Reichlich fertig bin ich dann am Auto angekommen. Ein tolles Gefühl. Erst mal frisches T-Shirt und frische Socken, den Rest zum Trocken ans Auto gehängt. Zeit sich über den weiteren Verlauf des Trips Gedanken zum machen. Da ich noch immer keinen Empfang hatte, habe ich kurzerhand das Münz-Telefon am Visitor-Center in Anspruch genommen und in Moab-Hostel in der Nähe des National Arches Park angerufen um ein Zimmer zu reservieren.
Ich hatte ja nicht geahnt wie weit das noch zu fahren ist – rund 400 Meilen … Damit ich noch vor Rezeptionsschluss dort aufschlage habe ich mich gleich auf den Weg gemacht. Die Landstraßen hier ziehen sich ewig wie Kaugummi – allerdings hat man auch noch wunderschöne Landschaften im Abendlicht – teilweise wie aus dem Bilderbuch oder der Tabak-Werbung in Deutschland – einfach nur Wahnsinn. Anstrengend wird es irgendwann aber doch – denn die Straße nimmt scheints wirklich kein Ende. Einen Berg hoch und wieder runter, und dann kommt auch bald der nächste. Die Abzweigungen hier sind auch wie aus den schlechten USA-Filmen – Mitten im Nirgendwo treffen sich zwei Straßen. Um so besser, dass ich das Navi habe, das hilft gerade Nachts. Auch in einer anderen Hinsicht ist es praktisch: Man weiß schon vorab welche Kurve da als nächstes lauert, denn hier hält sich kaum jemand penibel ans Speedlimit – 10 Meilen mehr sind normal gelegentlich auch mehr – vor allem Nachts kontrolliert hier wohl auf den Seitentraßen keiner.
Ich habe es just-in-time ins Hostel gepackt – 10 Minuten vor 11 war ich dort. Richtig angenehm wieder im Bett zu schlafen und nicht zu frieren. Außerdem eine Dusche, Steckdosen und Internet-Verfügbarkeit.
Ich habe jetzt erst mal ausgeschlafen und das ganze organisatorische Geraffel für die nächsten Tage erledigt. Unter anderem mal wieder etwas Ordnung im Auto gemacht. Bevor ich abfliege muss ich definitv nochmal neu packen, damit alles in den Koffer passt. Derzeit ein einziges Chaos.
Jetzt werde ich aber mal den Arches Nationalpark besuchen.