Es ist 3. Oktober, Tag der deutschen Wiedervereinigung und für ganz viele auch endlich wieder Stadtlauftag in Nürnberg. Der ist traditionell immer am 3. Oktober und das zumindest seit ich 2007 das erste Mal dran teilgenommen habe. Meine Serie ist dank Corona leider „abgerissen“ – bis 2019 war ich jedes Jahr dabei. 2020 fiel komplett ins Wasser wegen Corona und 2021 wurde der Lauf kurzfristig abgesagt – für mich wäre es eine interessante Kombination geworden, denn am 2.10.2021 war ich ja am Rennsteig. Aber es ist ja nur ein Halbmarathon, den kann man durchaus am Tag nach dem Supermarathon als „Lockerungseinheit“ einplanen. Man dürfte ggf. nur keine gute Zeit oder Platzierung erwarten. So ist der Lauf aber bei mir auch wieder in Vergessenheit geraten, um so erstaunter war ich dann Mitte September über die Teilnehmer-Info zur Ausgabe 2022. Man hatte freundlicher Weise einfach meinen bezahlten Startplatz auf 2022 umgebucht.
Was da nicht auf der Rechnung stand, war meine Fortbildung zum C-Trainer, die ich in diesem Jahr endlich in Angriff genommen habe. Einer der Wochenendtermine: 30.09. bis 2.10. – genau passend eigentlich. Auch wenn ich ungern die Fahrt nach Nürnberg nur für einen Tag mache, auch das habe ich in der Vergangenheit einige Male gehabt. Verlängern geht aufgrund mittlerweile schulpflichtiger Kinder nicht mehr. Leider hat sich nach der Pandemie noch eine weitere Änderung in den Ablauf eingeschlichen: der Halbmarathon ist vom Nachmittag auf den Vormittag gewandert und auch die Kinderläufe sind gefühlt deutlich nach vorne gerückt. So finde ich mich kurz nach der Rückkehr vom Trainer-Lehrgang am Sonntag Abend schon wieder auf der Autobahn in Richtung Nürnberg. Mit dabei auch ein ordentlicher Muskelkater aus dem Lehrgang, denn wir haben einige Muskelpartien angesprochen, die ich sonst eher nicht nutze.
Die Unterkunft ist diesmal auch wieder in direkter Nähe zum Start, es gab noch günstige Übernachtungsmöglichkeiten. Für eine kurze Nacht sind wir da auch nicht übermäßig wählerisch. Etwas weniger geplant verläuft unsere Anreise auf den letzten Metern. Eigentlich hatte ich das Parkhaus in Röthenbach als Park&Ride-Punkt ausgewählt, nur leider ist das nicht mehr, vollständig abgerissen. Im benachbarten Parkhaus des Einkaufszentrums darf man aber nur 3h stehen. Kurzerhand fahren wir eben doch mit dem Auto bis ans Hotel (das direkt an der U-Bahn-Haltestelle liegt), wir haben Glück und finden sogar noch einen Parkplatz in der Seitenstraße der an Sonn- und Feiertagen kostenfrei ist.
Der Feiertag beginnt recht früh, bereits um kurz vor 8h laufe ich mit den Jungs ans Opernhaus und wir holen dort unsere Unterlagen ab. Etwas enttäuschend finde ich, dass es selbst für den 1,7km Lauf gibt es keine Zeitmessung gibt. Für den Bambinilauf kann ich das noch nachvollziehen, hier steht das Ankommen und das Erlebnis im Vordergrund, aber für Schüler bieten wir selbst bei unserem Herbstlauf über 1,2km eine Zeitmessung. Ich löse derweil noch ein Problem mit meinen BOA-Schuhen – da ich keine klassischen Schnürsenkel habe, muss ich den Chip kurzerhand mit Sicherheitsnadeln am Schuh befestigen. Nach einem kurzen Frühstück geht es dann auch für den Jüngsten in Richtung Startblock – zur Sicherheit begleitet der große Bruder – so können die Eltern an der Strecke stehen oder hinterher laufen. Am Endes des Feldes treffe ich dann natürlich auch den langjährigen Besenläufer: Erwin Bittel ist wie jedes Jahr wieder mit von der Partie.
Indem ich die 600m recht locker hinterherlaufe kann ich mich auch schon mal ein wenig aufwärmen, dabei geht mir aber die Aussage von Erwin nicht aus dem Kopf: Es gibt aufgrund einer Baustelle eine Streckenänderung, die betrifft angeblich die Pegnitz-Querung bei Mögeldorf und auch einen Teil der Strecke in der Innenstadt. Yann bewältigt die 600m ohne große Schwierigkeiten, auf die Zeit kommt es ja ohnehin nicht an.
Für mich geht es dann bald in den gefüllten Startblock – ich sortiere mich vorsichtig optimistisch etwas hinter dem Pacemaker für 1:45h ein. Mein Muskelkater macht mir bereits beim Start etwas Sorgen, aber es ist ja nur ein Halbmarathon, Ankommen ist wie immer das wichtigste Ziel und dafür wird es auf alle Fälle reichen. Nach dem Startschuss löse ich mich dann recht bald aus dem Pulk um den Pacemaker, es tut gut wieder in Nürnberg zu laufen. Es geht wie gewohnt am Bahnhof vorbei runter an die Pegnitz. Bei der ersten Runde geht es aufgrund des noch sehr gedrängten Feldes am Prinzregenten-Ufer oberhalb der Wöhrder Wiese entlang. Die ersten beiden Kilometer liegen bald hinter mir und ich bin recht flott unterwegs – anfänglich hatte ich sogar eine Pace um die 4min/km, bei der mir absolut klar war: das ist zu schnell, das klappt beim aktuellen Trainingsstand nicht für 21,1km.
Ich lasse mich weiter mit dem Feld treiben, auch wenn ich mich doch etwas ranhalten muss, richtig entspannt laufe ich nicht. Immerhin kommt bald die erste Versorgung in Sicht, dort greife ich gleich mal einen Becher ISO ab. Kurz darauf folgt auch die erste Streckenänderung – es geht nicht weiter an der Pegnitz entlang sondern durch das angrenzende Wohngebiet. Hierbei wird eine zusätzliche Schleife gelaufen, darin sind auch einige ungeplante und ungewohnte Höhenmeter versteckt. Ich bin fast schon erleichtert als wir kurz nach Kilometer 5 wieder auf die reguläre Strecke einschwenken.
Es geht jetzt auf der Südseite der Pegnitz zurück in Richtung Innenstadt, ich verbinde mit der Strecke jede Menge Erinnerungen an schöne Läufe mit Helgas Lauffreunden. Von Schniegling über Fürth in die Nürnberger City, weiter bis Mögeldorf und natürlich auch wieder zurück war eine schöne und häufige Trainingseinheit. Es hat sich seit meiner ersten Teilnahme einiges verändert: der Spiel- und Sportbereich am Tullnaupark war damals in der Planung mittlerweile ist die Baustelle natürlich lange abgeschlossen und es sieht richtig gut aus. Vor allem stehen ab dort auch wieder vermehrt Zuschauer an der Strecke und feuern an.
Nicht geändert hat sich die Position der Versorgung an der Wöhrder Wiese, zuverlässig und routiniert geben die Helfer dort Wasser und ISO aus. Kurz darauf erreichen wir die Stadtmauer und es geht auf die Insel Schütt in der Pegnitzmitte. Kilometer 8 liegt nun hinter mir, vor mir das steilste und anstrengendste Stück der Strecke, der Nonnensteig hinter der Lorenzkirche. Vom Pegnitzufer geht es mit einem leichten Schlenker nach oben. Ich kann mich auch noch an Durchführungen erinnern, die ohne die zusätzliche Verschwenkung auskamen. Das fühlte sich noch steiler an. Nach dem Anstieg versuche ich möglichst schnell wieder meine Geschwindigkeit zu finden – ich habe mich bei 4:30 min/km eingependelt. Allerdings habe ich etwas Zweifel ob das wirklich auf die gesamte Strecke klappt.
Nach der Fußgängerzone mit dem Motivationspunkt (mit Buzzer für eine kurzes Funkenfeuerwerk und einen netten Motivationsspruch) geht es an die nächste Streckenanpassung: Wir laufen keine Extra-Schleife durch die Innenstadt sondern auf direktem Weg an die Stadtmauer und von dort aus auf die Start-Ziel-Gerade. Ungewohnt aber nicht unwillkommen, immerhin erspart es so die U-Bahn-Senke am Opernhaus und den U-Turn um von dort auf die Gerade zu gelangen. Der Sprecher verkündet, dass wir noch unter 43 Minuten liegen, als ich die 10km-Marke passiere sind wir bei etwas mehr als 44 Minuten. Soweit also alles im Lot, wenn mir auch klar ist: Um die 1:35 bis 1:40h muss ich wohl rechnen. Ich greife mir noch einen Becher ISO an der Versorgung als ich die zweite Runde beginne.
Nach dem Bahnhof geht es wieder an die Pegnitz, allerdings diesmal direkt an den Weg am Ufer. Die Kehre am Stadtgraben ist reichlich eng und steil, ich verfluche es etwas, dass ich keine etwas profilierteren Schuhe angezogen habe, mit den sehr spartanischen New Balance muss ich doch etwas mehr auf den Untergrund achten, insbesondere wenn er voller feuchtem Laub ist. Am Pegnitzufer entlang ist recht viel los und gute Stimmung. Unter anderem fällt mir ein Schild auf: „Make Pace not War“ – beim Blick auf die Uhr stelle ich dann auch fest, dass ich an meiner Pace etwas tun muss: 4:40 min/km stehen dort zwischenzeitlich. Immerhin gibt es genügend Läufer um mich herum um motiviert zu bleiben.
Nach der Versorgung geht es wieder auf die Extra-Schleife, ich verfluche die zusätzlichen Höhenmeter innerlich. Aber immerhin gibt es auch ein Motivatinsschild: 14km liegen hinter mir, also nur noch rund ein Drittel vor mir. Nach der Pegnitzquerung auf dem Weg in Richtung Wöhrder Wiese merke ich langsam aber sicher, dass ich mich wohl etwas zu gut eingeschätzt hatte. Einige Läufer überholen mich, während ich mich doch recht ordentlich quälen muss. Immerhin kann auch ich noch einige Läufer überholen. Es sind ja bald auch nur noch 5km zu bewältigen und zudem gibt es ja auch nochmal ISO-Getränk und Wasser. Damit die Strecke auf 21,1km kommt gibt es noch einen Extra-Schnörkel durch die Wöhrder Wiese. Dass passt mir weniger und ich merke dass ich ziemlich ausgepowert bin. Da hilft auch das Anfeuern der Familie nichts welche sich an der Wiese postiert hat.
Im Kopf läuft die Rechenmaschine an, 18km liegen hinter mir, also nur noch 3km und einige hundert Meter vor mir. Die haben es aber nochmal in sich, denn es gilt wieder den Nonnensteig zu bewältigen. Als ich dort oben ankomme, ist es richtig schwer wieder Fahrt aufzunehmen, aber entlang der Lorenzkirche wird es schon wieder besser. Die Strecke ist nun auch wohl bekannt, nochmal auf den Buzzer hauen bevor es auf die letzten 2km geht. Der Motivationsspruch vom Band lautet diesmal „ab jetzt nur noch Sprinten“. Das klappt bei mir aber nicht mehr so ganz, ich merke einfach, dass ich das Jahr über doch eher auf der Ultramarathondistanz unterwegs war, denn auf derartig kurzen und flotten Halbmarathons.
Es folgt diesmal die Schleife durch die Innenstadt und somit auch die Gewissheit, dass wir die U-Bahn-Senke immerhin einmal durchqueren müssen. Am Eingang in den Stadtgraben hat sich wie üblich eine Samba-Band postiert und treibt die Läufer nochmal richtig an. Es geht nun auf Höhe der U-Bahngleise an der Station Opernhaus vorbei, es ist richtig gute Stimmung an der Strecke. Die Brücke der U-Bahnstation über den Graben ist wie üblich mit jeder Menge Bannern geschmückt und es stehen jede Menge Menschen zum Anfeuern an der Strecke. Ich merke das ich wirklich auf Reserve laufe, aber das ist mir jetzt auch egal, immerhin sind es ja weniger als 500m bis ins Ziel. Daher Zähne zusammen beißen und die letzte Steigung des Tages in Angriff nehmen. Nach dem U-Turn am Ende geht es auf den Torbogen zu. Ein Läufer neben mir zieht nochmal ein wenig das Tempo an. Erst bin ich versucht, ihn einfach ziehen zu lassen. Aber so ganz einfach will ich ihm das Feld dann doch nicht überlassen. Kurzerhand nehme ich nochmal Tempo auf als er auf meiner Höhe ankommt. Nach einigen Schritten bin ich wieder vor ihm und jetzt gebe ich die Position auch nicht mehr auf bis an die Zeitmessung unter dem Bogen.
1:37:48h zeigt die Brutto-Messung im Ziel an, netto sind es am Ende 1:37:08h, damit reicht es für Platz 148. im Gesamtfeld und Platz 24. in der Altersklasse. Damit bin ich jeweils im Bereich der ersten 20%. Für den Trainingszustand und den Muskelkater ist das Ergebnis für mich absolut ok. 1:40h ist für mich eine wichtige Marke beim Stadtlauf in Nürnberg. Bei meiner ersten Teilnahme habe ich so lange für die Distanz gebraucht.
Ich lasse mir die Zielverpflegung schmecken und hole mir meine Jacke am Auto ab. Danach erhalte ich die Nachricht, dass es wohl in der U-Bahn Chaos gab und der Rest der Familie sich jetzt zu Fuß von der Wöhrder Wiese ans Opernhaus bewegt. Es dauert also noch ein wenig bis wir alle wieder beisammen sind. Glen hat die 1,7km souverän hinter sich gebracht, ggf. müssen wir beim nächsten Mal hier mit einer Stopp-Uhr arbeiten (oder es gibt doch eine Zeitmessung für die Schüler…). Schade, dass sich mein Lauf und seiner zeitlich überlagern, so kann ich ihn nicht unterstützen.
Erwin scheucht derweil die letzten Läufer des Halbmarathons mit dem traditionellen Besen ins Ziel. Als sich der Startblock für den 10km Lauf langsam füllt treffen wir auch noch Helga und Heinrich aus meiner Trainingsgruppe bei der die ganze Lauferei einmal ihren Anfang genommen hat. Wenn es sich einmal ergibt will ich in Nürnberg auch einmal wieder die alte Laufstrecke abspulen (in der Hoffnung, dass ich im Wald am Nordostpark nicht irgendwo falsch abbiege). Da wir zeitig zurück müssen, klappt es dieses Mal leider nicht mit dem gemeinsamen Abendessen, aber immerhin hat man sich nach 2 Jahren Pandemie einmal wieder gesehen. Der nächste Termin steht auch schon fest: am 7. Mai sind wir dabei in Bamberg beim Weltkulturerbelauf (am 4.10. um 6h öffnet die Anmeldung und die begrenzten Startplätze sind jedes Mal innerhalb weniger Minuten ausverkauft).