Zumindest gefühlt ist die Pandemie auf dem Rückzug, ein untrügliches Zeichen dafür sind die wieder angebotenen Laufwettkämpfe. Unter anderem war der Heidelberger Halbmarathon zwei Jahre lang ausgefallen. Um so ärgerlicher für eine Laufkollegin, dass sie sich kurz vor der Veranstaltung doch noch angesteckt hat. Teilnahme unmöglich – so bin ich kurzfristig und auch etwas ungeplant zu einem Startplatz beim Halbmarathon gekommen – ob ich jetzt einen Trainingslauf über 15km mache oder einen Halbmarathon laufe, das macht für mich wenig Unterschied. Zudem ist man beim Wettkampf natürlich immer etwas motivierter als wenn man nur seine übliche Trainingsrunde abspult.
Der Lauf in Heidelberg hat zudem den Vorteil, dass es keiner langen Anreise bedarf. Ich war fast schon versucht die Strecke zum Lauf mit dem Rad zurück zu legen, entscheide mich dann aber ob des etwas kühlen und nebligem Wetter doch für das kostenlose ÖPNV-Ticket. Die Organisation ist auch nach den Ausfällen in den letzten Jahren sehr gut eingespielt – bereits am Bahnhof stehen erste Helfer die den Läufern den Weg zum Shuttle-Bus weißen. Auch die Ummeldung ist recht fix erledigt, fast schon schneller als gedacht bin startklar. Heißt aber auch noch ein wenig warten bis zum Start. Mit dem dritten Startblock geht es erst um 9:25h auf die Reise – 10 Minuten nach den Profis, aber da mache ich mir ja ohnehin keine Illusionen.
Immerhin ist die Stimmung im Startblock sehr gut, alle sind froh, dass es wieder Wettkämpfe gibt. Zum Start gibt es neben dem üblichen „final countdown“ von Europe dann auch noch „danger zone“ von Kenni Loggins – wenn das mal keine Ansage für die Strecke ist. Aus meiner letzten Teilnahme und dem Streckenplan weiß ich nur zu gut: die ersten 7km werden locker und recht schnell werden, danach wird es hügelig bis bergig. Ich sortiere mich im Läuferfeld ein, die Stimmung rund herum ist gut, es geht in einer Schleife durch die Altstadt Heidelbergs, erst an den Bismark-Platz und von dort durch die Fußgängerzone bis an die alte Brücke – dort ist dann die erste minimale Steigung. Ich erinnere mich an meine Teilnahme am Gelita MTB&Run, da ging es eine ähnliche Runde und nach der Brücke ging es auf dem direkten Weg zum Philosophenweg nach oben. Heute ist erst noch die Schleife nach Neuenheim, es bleibt also alles flach.
So richtig entspannt laufe ich allerdings nicht, etwas verkrampft halte ich schon auf den ersten Kilometern Ausschau nach einer Möglichkeit zur Erleichterung. An der Neckarwiese stehen dann gleich mehrere Dixies bereit – das kostet zwar Zeit aber verkrampft die Anstiege hoch ist auch keine Option. Irgendwie bin ich von meinen Ultratrails doch etwas verwöhnt – wenn es durch die Wälder geht, ist das mit dem Druckablass weniger ein Problem. In Neuenheim gibt es dann auch die erste Versorgungstation, dankbar greife ich beim ISO zu und muss mit Freude feststellen: Es gibt keine Papp-Becher, sondern Mehrweg, ganz ähnlich denen die wir auch beim Herbstlauf in Feudenheim einsetzen. Wichtige Erkenntnis: unser Ansatz ist gut, wenn er schon kopiert wird. Weniger praktisch ist die Aufnahme der Getränke beim Laufen mit den Bechern – da muss ich wohl noch etwas an meiner Technik feilen, das übliche „Zusammenfalten“ zum Trinken klappt bei Mehrweg leider nicht.
Mittlerweile sind schon 6km gelaufen, die Strecke nähert sich unerbittlich dem ersten Anstieg, hoch zum Philosophenweg. Direkt nach dem 7. Kilometer gibt es dann auch nur noch eine Richtung: nach oben! Damit pendelt sich meine Geschwindigkeit dann auch wieder ein – auf der flachen Strecke war ich fast durchgängig mit unter 5 min/km unterwegs – für mich eher etwas zu schnell. Der Kilometer zieht sich gefühlt ewig hin, es geht in Serpentinen bis an den Philosophenweg, danach wird es wieder etwas flacher aber es geht weiterhin bergauf. Ich verkneife mir das Gehen und quäle mich den steilen Anstieg hoch. Der Ausblick auf die Alt-Stadt entschädigt dann aber wieder für die Mühen, auch wenn er immer noch etwas wolkenverhangen ist. Die Stimmung entlang der Strecke ist immer noch sehr gut, es stehen jede Menge Leute an der Strecke und feuern die Teilnehmer nach Kräften an. Erst als wir den Wald erreichen werden die Zuschauer etwas weniger.
Die Strecke führt weiter bergan, wenn auch nicht mehr all zu steil, zudem gibt es wichtige Motivationsschilder, 10km liegen bereits hinter mir. Zudem zeigen die Schilder auch immer das Höhenprofil und wo man sich darauf gerade befindet. Das macht Hoffnung, bald den höchsten Punkt der Strecke überwunden zu haben. Noch immer im Wald geht es dann langsam bergab – am Mausbach geht es in einer engen Kurve („vorsicht nass und rutschig“) langsam wieder aus dem Wald heraus. Viele lassen es nun etwas schneller rollen, und ich gebe auch ein wenig Gas. Allerdings weiß ich es bei Kilometer 13 auf den Stiftsweg am Kloster Neuburg entlang geht, der macht nochmal richtig Höhenmeter gut. Auch hier lasse ich nicht locker und jogge verbissen den Anstieg hoch. Oben gibt es dann auch gleich nochmal ISO damit alles im Fluss bleibt.
Im Zick-Zack geht es nun nach unten nach Ziegelhausen hinein, wieder runter bis an den Neckar. In der Bebauung hängen auch einige lustige Schilder wie etwa „Micheal: Laufen tut weh, bleib lieber beim Fechten, deine Team-Kollegen“. Es ist fast schon ungewohnt wieder auf ebener Strecke zu laufen, und so vergeht auch der nächste Kilometer. Kurz vor der Brücke über den Neckar steht auch schon das Schild für km 15. Nicht mal mehr ein Drittel der Strecke liegt vor mir. Kurz danach gibt es Bananen, die kommen gerade recht. Insgesamt bin ich mit der Zeit sehr zufrieden, allerdings muss ich auf der Brücke einen technischen Halt machen, ein Steinchen hat sich seitlich in den rechten Schuh geklemmt und alle Bemühungen ihn dort durch Drehen oder Schwung aus dem Sprunggelenk wieder raus zu bekommen sind nicht erfolgreich. Bleibt nur: Schuh aus, Stein raus und Schuh wieder an. Besser als eine Scheuerstelle oder Blase.
Der folgende Abschnitt ist nicht unbedingt ein Highlight, es geht entlang der Bundesstraße durchs Neckartal wenn auch nicht all zu lange – in Schlierbach steht nochmal eine Versorgungsstation, kurz danach geht es an den letzten knackigen Anstieg – den Wolfsbrunnenweg hoch. Der ist so steil, dass ich dann doch auf Gehen umstelle. Zumindest bis kurz vor Kilometerschild 17, danach raffe ich mich wieder auf, das Schlimmste liegt nun hinter mir, auch wenn mir die leichten Wellen in der Strecke doch noch etwas zu schaffen machen. Ich ertappe mich dabei wie ich auch immer wieder auf meine Uhr schaue, um besser einschätzen zu können wie weit es noch bis ins Ziel ist. Aus einem der Gärten schallt zudem eine Anfeuerungsmusik: „Don’t stop me now“ von Queen. Da haben die Sänger absolut recht: Jetzt aufhören wäre irgendwie sinnlos. Ab Kilometerschild 19 geht es dann auch wirklich ständig bergab.
Ich lasse es nochmal etwas laufen, weit ist es ja nicht mehr. Aber ich merke die Höhenmeter dann doch etwas in den Beinen. In mehreren Serpentinen geht es recht zügig nach unten in Richtung Altstadt. Diese erreichen wir am Kornmarkt bzw. der Talstation der Zahnradbahn. Jetzt heißt es nochmal Zähne zusammen beißen, es geht nochmals in die Fußgängerzone – die Menschen an der Strecke werden wieder deutlich zahlreicher, auch wenn es seit Schlierbach immer wieder kleinere Gruppen gab ist es doch etwas ganz anderes wenn die Strecke von Menschen vollständig gesäumt wird. Das gibt nochmal richtig Kraft und Schwung für den Endspurt. Laut meiner Uhr bin ich schon etwas jenseits der Halbmarathon-Marke aber maßgeblich ist ja die Kilometerangabe an der Strecke. Laut der sind es jetzt noch 100m bis zum Uni-Platz. Mit reichlich Schwung geht es um die letzte Kurve und über die Zielmatten. Geschafft.
Die Zielverpflegung ist reichlich, es gibt Obst, Müsliriegel, Waffeln dazu Wasser, Iso und alkoholfreies Bier – das kommt richtig gut nach dem Lauf. Ich hole meine Tasche und mache mich dann aber auch recht bald auf den Heimweg. Die Planung gibt mir aus, dass ich am geschicktesten zum Bismark-Platz laufe und dort in die Bahn steige. Während ich auf die Bahn warte, versuche ich die Ergebnisse abzurufen. Das birgt eine echte Überraschung, wenn auch nicht wegen der Zeiten – 1:51:31 netto sind ok, wenn auch nicht meine Traumzeit. Allerdings hat es mit der Ummeldung wohl nur zur Hälfte geklappt: Nachname, Jahrgang und Verein sind umgestellt, Vorname und Geschlecht sind aber falsch. Daher habe ich noch keinerlei genaue Info wie es um meine Platzierung steht – eine erste Abschätzung anhand der Ergebnisliste wird wohl etwas um den Platz 575. im Gesamtfeld der Männer, von 1527. im Ziel ergeben und irgendetwas um den Platz 75 in der Altersklasse (im Ziel 156). Die Platzierungen gehen so in Ordnung, immerhin habe ich ja nicht einmal auf dem Lauf explizit hin trainiert, sondern ein Ersatztraining gemacht. Nachdem das für den Halbmarathon in Oggersheim der Fall war, bin ich mal gespannt ob mir noch weitere „ad-hoc“-Halbmarathons bevor stehen. In zwei Wochen steht jetzt erst einmal ein geplanter Wettkampf an: Mannheim über die Marathon-Distanz und ne Woche später der Rennsteiglauf in Thüringen. Da kam der Lauf heute als Testlauf doch gerade recht.