Neue Laufveranstaltungen haben es gerade in der Pandemie echt schwer – nicht nur der übliche organisatorische Aufwand wie Helfer und Strecke sondern auch noch so Dinge wie Hygiene-Konzepte fallen stehen dann mit auf der Liste der Organisatoren. Um so schöner, dass die Laufsportgemeinschaft Weiher e.V. sind dazu entschlossen hat einen neuen Ultra zu wagen. Namensgebend für den Lauf ist der Hardtsee um den gelaufen wird. Daraus entwickelte sich dann HaWei50 – Hardtsee Weiher 50km. Nicht zu verwechseln mit der bekannten Fernsehserie Hawaii 5-0 (die auch nicht verkehrt ist aber bei weitem nicht so viele Kalorien verbrennt wie ein Ultralauf).
Die Anreise ist für mich ein Kinderspiel – gerade mal eine halbe Stunde Fahrt. Die Einweisung am Parkplatz ist vorbildlich und auch die Abholung der Startnummern geht absolut mühelos von der Hand. Meine Familie als Fan- und Support-Crew wird die ersten der insgesamt zehn Runden noch an der Strecke stehen, danach geht es für sie weiter ins Elsass – ich werde nach dem Lauf per ÖPNV folgen – so ist der Plan. Um so praktischer ist es, dass es eine Möglichkeit zur Gepäck-Abgabe gibt, die auch noch ständig besetzt bzw. bewacht ist. Man muss sich also keine Sorgen um Handy und sonstige Wertsachen machen, auch wenn man per Rad kommt.
Ich sortiere mich im Startfeld ein – irgendwo um die 5h schätze ich mal sollte es klappen – schneller laufen und überholen kann man ja immer noch. Das Startfeld ist corona-konform deutlich in die Länge gezogen. Mit einem Countdown geht es dann auch los um wenige Sekunden nach 10h in der Frühe überschreite ich dann auch die Startlinie. Gleich auf der ersten Runde unterhalte ich mich mit einem weiteren Teilnehmer der Ulmer-Laufnacht – gut zu erkennen am entsprechenden Buff (das ich ob des frischen Winds auch noch um den Hals habe). Er hat leider nur die „light“-Version mit erlebt – von der legendären „Napoleon-Rampe“ oder der „Mördersenke“ hat er leider nur gehört. Wir laufen auch einen deutlich unterschiedlichen Pace und so trennen sich noch vor dem ersten Kilometerschild unsere Wege.
Die Strecke als 5km Runde führt einmal rund um den Hardtsee – teilweise mit etwas mehr Abstand, dafür ist die Strecke durchgängig sehr breit ausgebaut und befestigt – keinerlei Trail-Passagen. Soweit ist die Strecke dann doch vergleichbar mit dem Ultra-Lauf in Rodgau. Im Gegensatz zu Rodgau sind wir allerdings schon rund 4 Wochen später im Jahr, es ist also etwas wärmer und Eis und Schnee sucht man vergeblich. Auch ähnlich wie in Rodgau gibt es eine Pendelstrecke um die 5km tatsächlich aufzufüllen, allerdings hier schon gleich im ersten Kilometer enthalten.
Nachdem die erste Runde gelaufen ist, habe ich zumindest einen groben Überblick bekommen, am See steht dann auch Marion mit den Kids. Ich werfe ihr kurzerhand meine Jacke zu – es ist zwar noch etwas frisch, aber zu warm für eine Jacke, immerhin habe ich noch ein dünnes Langarmtrikot an. Zudem mache ich einen kurzen Stopp an der Versorgung und fülle meine Gürtelflasche auf, das hatte ich vor dem Start irgendwie verpasst, zudem gleich noch einen Happen Schokolade. Danach geht es schon auf Runde zwei. Irgendwo ab der Hälfte der Runde laufe ich auf Ralf auf, und wir merken beide das wir eigentlich ein klein wenig zu schnell sind. Als Ablenkung unterhalten wir uns über verschiedene weitere Läufe die wir schon gemacht haben, Trainingspläne und Methodik und diverses Equipment. So vergehen die Runden doch recht schnell, die Familie steht auch noch in Runde zwei und feuert an. An der Versorgung greife ich nur im Vorbeilaufen etwas warmen Tee ab.
Die nächsten Runden vergehen dank der guten Unterhaltung wie im Fluge – das Wetter macht auch immer weiter auf, von einigen Wolken einmal abgesehen ist es durchgängig sonnig und angenehm warm, aber nicht so dass man ständig am Schwitzen wäre. Ich mahne mich bei jeder Runde wenigstens etwas zu trinken abzugreifen, vor allem Brühe und Iso. Dazu immer auch weniger eine Kleinigkeit zu essen – Banane, Riegelstücke, Schokolade. Das Tempo versuchen wir bei ungefähr 5:30 min/km zu halten, meist sind wir aber doch etwas darunter, also schneller als angepeilt. Als sich die Runde 5 dem Ende nähert machen wir nach hinten die Anmerkung, dass wir uns „geschoben“ fühlen, daraufhin kommt zurück „ihr zieht uns ja auch die ganze Zeit mit“ – allerseits ein kurzes Gelächter. Ralf kündigt an, dass er bei diesem Durchgang etwas länger Pause machen will um etwas zu essen. Ich kenne mich leider selbst zu gut, als das eine längere Pause bei mir gut wäre. Daher trennen sich ab der Runde unsere Wege.
Als ich die 6. Runde beginne bin ich auf einmal für einige hundert Meter alleine – alles drum herum ist vergleichsweise still – ich höre eigentlich nur das Abrollen meiner eigenen Schuhe – auf der einen Seite bremst das auf der andere Seite merke ich wie ich mehr und mehr in mein eigenes Wohlfühltempo falle, dank meiner Uhr weiß ich dass ich deutlich schneller werde – die Pace schwankt nun zwischen 5:10 und 5:20 min/km. Auf der einen Seite will ich nicht sklavisch auf die Uhr schauen, aber ich muss mich dennoch etwas einbremsen, immerhin liegt ja noch ungefähr die Hälfte der Gesamtstrecke vor mir und das muss ich ja auch noch durchhalten.
Ich ertappe mich dabei wie anfange rückwärts zu zählen – vorerst noch in Runden aber relativ schnell dann auch Abschätzungen über die verbliebenen Kilometer. Das begleitet mich dann auch den Rest der Strecke. Immerhin so bleibt der Kopf beschäftigt. Es gibt aber auch entlang der Strecke immer wieder einiges zu sehen. Die schnellsten Läufer haben mich bereits mehrfach überrundet, und auch ich arbeite mich langsam aber sicher wieder von hinten durch das Läuferfeld. Man hat also immer wieder auch kurzweilige Ziele wie die ein oder andere Läufergruppe an die man sich heransaugen kann. Es sind wie immer die unterschiedlichsten Läufertypen dabei – von jung bis alt, jeder in seinem Tempo wobei das nicht zwingend korreliert. Auffällig sind vor allem die Barfußläufer aber auch aktuelle politische Statements (der Ukraine-Konflikt färbt auch auf den Lauf ab). Wir schmunzeln über Sprüche wie „und wenn der Putin kommt? – dann rennen wir …“.
Mit der Rechnerei im Kopf geht es auf Runde 8 – noch 3 Runden und somit 15km. Ich motiviere mich, immerhin sind 15km ja eigentlich keine Strecke für mich, auch wenn die 35km davor und die Zahlen um die 40km herum einen doch etwas erschrecken lassen. Das Tempo stimmt weiterhin, ich habe mich bei um die 5:15 eingependelt, allerdings mit leicht fallender Tendenz. Wie ich nach dem Lauf sehr schön sehe, stimmt die Geschwindigkeit meist in den Kilometern zwei bis fünf. Nicht weiter verwunderlich, denn im Kilometer eins liegt ja die Versorgung und ein wenig langsam machen muss ich da dann doch. Ich kippe mir weiter reichlich Brühe, Tee und Iso bei jeder Runde rein. Auch zwischendrin auf der Strecke greife ich mittlerweile das ein oder andere Mal zur mitgeführten Flasche.
Die vom Kopf her anstrengenden Runden sind vorüber – noch zwei liegen vor mir, das nächste Zwischenziel für mich ist die Marathon-Marke – auch wenn die nicht direkt markiert ist, dank GPS kann man sie ja doch recht gut auf der Strecke wieder finden. Als es wieder durchs Schwimmbad und somit den Start-Ziel-Bereich geht motiviere ich mich innerlich nochmal, immerhin sind es ja nur noch 5km und mehr als 45km liegen ja bereits hinter mir. Allerdings muss ich an der Versorgung etwas länger stehen bleiben – es haben sich Krämpfe angekündigt und die Salztabletten am Stand kommen zwar gerade recht, allerdings habe ich doch etwas Schwierigkeiten die hinunter zu spülen. Aber frisch gesalzen sollte das kein Problem sein.
Kurz nach Kilometer eins auf der letzten Runde überholt mich Adelheid Brumm – das tut im ersten Moment schon weh, denn auch ohne nachschlagen sieht man ihr an: eine erfahrene Läuferin und mindestens drei Altersklassen älter als ich selbst. Aber immer noch ein flotter Spruch dazu „komm mit“ – ich lehne erst mal ab, zu groß ist mir der Gefahr jetzt dann doch noch einen Krampf einzusammeln. Aber so ganz ziehen lassen will ich sie ja dann doch nicht und so erhöhe ich das Tempo doch nochmal ein klein wenig in Richtung 5:20 min/km, auch wenn eigentlich keine rechte Kraft mehr da ist. Es geht ein letztes Mal auf die „Schweinehundgerade“ bis zum Kilometer drei. Kurz danach treffe ich nochmal auf Ralf, er ist ziemlich eingebrochen, sonst hätte ich ihn nicht mehr überrunden können. Er beglückwünscht mich zur nächste Runde, ich motiviere ihn auch nochmal, auch wenn er noch eine Runde mehr als ich zu vor sich hat.
Auf dem letzten Kilometer verschärfen wir nochmal das Tempo, Adelheid hatte schon zwischenzeitlich gefragt ob es wohl reicht für 4:30h, im Schwimmbad steht eine öffentliche Uhr, laut der wird das klappen, es es ist nur noch die Frage wie knapp. Also geben wir nochmal mehr Gas, auch wenn bei mir die Oberschenkel sich mit deutlichem Protest melden – noch einige Kurven entlang des Sees und der Liegewiese und schon sind wir auf der Zielgerade durch den Campingplatz. Ich ziehe mit dem Tempo noch ein wenig an, Adelheid will mich schon ziehen lassen, aber ich pushe sie dann doch noch ein wenig. Es geht ins Star/Ziel-Zelt und dort über die Matte – geschafft! Und noch dazu deutlich unter 4:30 – Adelheid hat ihre Wunschzeit erreicht und ist überglücklich. Wir beglückwünschen uns gegenseitig und bedanken uns für die jeweilige moralische Unterstützung – wenn man zu zweit läuft lässt man sich doch deutlich weniger hängen. Im Zielbereich schlage ich dann zu bei Gummibärchen, Tee und Brühe. Dazu noch salzige Cracker und jede Menge Schokolade.
Danach geht es zur Gepäckablage – dort hat Marion zusätzlich meine Jacke deponiert. Allerdings ist mir immer noch reichlich warm, auch wenn der Wind bei weniger Bewegung doch etwas frisch ist. Die Dusche für die Herren liegt noch dazu am anderen Ende des Platzes, es kommen also noch ein paar Meter zusätzlich dazu, aber das ist ja auch nicht schlimm, ganz im Gegenteil, so kann man die Muskulatur etwas lockern, wenn ich auch definitiv nicht zur Dusche jogge. Nach der Dusche fühle ich mich gleich viel besser. Ich nutze die Chance im After-Run-Bereich noch etwas zu trinken und zu essen bevor ich mich auf den Weg zum Bahnhof mache. Auf der Strecke treffe ich ein letztes Mal Ralf, er hat noch rund 500m vor sich, da schadet aber Anfeuern auch nicht. Es sind immer noch einige Läufer unterwegs.
Noch ein Blick auf die Ergebnisse – 4:28:06 netto sind es am Ende für mich, damit bin ich 62. im Gesamtfeld, wobei 285 Finisher gezählt wurden, die 50km haben 204 Teilnehmer bewältigt. In der Altersklasse reicht es somit für Platz 15 von 23 Teilnehmern in der gleichen Altersklasse. Da hatte ich mir insbesondere in der Altersklasse etwas mehr erhofft. Im Vergleich zur letzte Teilnahme in Rodgau Anfang 2020 bin ich rund 10 Minuten langsamer unterwegs gewesen, wobei das auch nicht die Menge Plätze in der AK gut gemacht hätte. Selbst Adelheid war netto einige Sekunden vor mir, aber ich habe ja noch Respekt vor dem Alter und der Leistung. Ralf erreicht am Ende nach 5:12h das Ziel, wie ich an seinen Rundenzeiten sehe hat er nach 25km deutlich langsamer machen müssen, das ist sicherlich nicht ganz so gelaufen wie er sich das vorgestellt hat. Soviel ich weiß war es aber sein erster Ultra, da ist Ankommen noch immer das Wichtigste.
Insgesamt ein gut organisierter und sehr nett gemachter Lauf und ein gelungener Start für einen eigenen Ultra. In etwas mehr als einem Monat findet dann der 100km Lauf im gleichen Format statt – wobei ich mir die 100km in 5km Runden irgendwie nur schwer vorstellen kann. Zudem ist einen Tag später der Marathon der deutschen Weinstraße für den ich auch wieder gemeldet bin. Und dass wäre wohl wirklich etwas zu viel des Guten – 142km an einem Wochenende – allenfalls wenn ich mich jemals auf einen 100 Meilen-Lauf vorbereiten sollte wäre das eine Möglichkeit, aber bis dahin wird es wohl noch etwas dauern.