Ziel erreicht – die Ulmer Laufnacht über 100km

Nachdem ich 2010 ja Diplomarbeit in den USA geschrieben habe (gelaufen bin ich ja dennoch – siehe Bericht zum Marathon in Frederick) war es mir ja nicht möglich an der 2. Ulmer Laufnacht teilzunehmen. Meine Kollegin Helga hatte sich erbarmt und dann eine Besichtigung meiner “Baustelle”gemacht – denn so 100% zufrieden war ich ja mit dem Ergebniss während der 1. Veranstaltung nicht.

Dafür war dann um so klarer: 2011 bist du wieder in Ulm am Start – und natürlich wieder über die volle Distanz und mit einigen gezogenen Lehren aus dem ersten 100km-Lauf für mich. Unter anderem hatte ich mir diesmal einen Begleitradler organisiert – mein Arbeitspartner Torsten hatte sich spontan bereit erklärt die 100km neben mir mit dem Fahrrad herzufahren. An einigen Wochenenden hatten wir dann auch schon ein wenig trainiert – Flasche anreichen, wie klappt es von der Geschwindigkeit etc.

2009 hatte ich die Gewissheit einen Marathon vorab erfolgreich hinter mich gebracht zu haben, bevor es über die lange Strecke ging – diesmal hatte ich beim Marathon abbrechen müssen – ein wenig mulmig war mir denn auch. So ein wenig Sicherheit und Selbstvertrauen ist doch durch nichts zu ersetzen. Zudem hatte ich die Wochen vor dem Lauf einiges zu tun und so gab es wieder eine Tappering-Woche vor dem Lauf mit stark reduziertem Kilometer-Umfang. Ob Tappering für mich eine gute Technik ist kann ich immer noch nicht sagen. Da muss ich wohl noch einige Vergleiche machen. Auch war ich ein wenig erkältungsgeschwächt während der Woche, aber bis zwei Tage vor dem Lauf sah es dann doch ganz gut aus – die Symptopme soweit abgeschlossen und nur noch ein wenig laufende Nase bei längerer Belastung. Wäre dem nicht so gewesen hätte ich wohl oder übel auf das praktische Angebot des Veranstalters zurück kommen müssen den Lauf kostenfrei um ein Jahr zu verschieben. Finde ich eine echt super Sache, denn wer kann schon garantieren, dass er an dem Tag nicht irgendwie doch krank ist oder sich beim intensiven Vorbereitungstraining irgendeine Verletzung holt.

Die Fahrt nach Blaustein war wie üblich – keine besonderen Vorkommnisse – und wenn man weiß wo man hin muss, dann wird doch auch vieles leichter. Allerdings machte mir das Wetter zunehmend Sorge – immer wieder doch recht ergiebige Regenfälle – wenn es irgendwann während des Laufs leicht regnet dann habe ich damit kein Problem, aber wenn man bereits auf den ersten Kilometern durchgeweicht ist, oder gar schon vor dem Start, dann macht mir das Laufen gar keinen Spaß mehr.

Startunterlagen, Transponder und die Spätzle-Party – alles wunderbar organisiert und nur in einigen Details gegenüber 2009 verändert – wie auch Details an der Streckenführung – aber dazu später mehr. Die Farbe des Begleitradler-Shirts hat meinen Partner dann doch etwas geschockt – lila/flieder keine Ahnung wer auf die Idee gekommen ist. Nach Organge 2010 ist man bei den Farben für die Teilnehmer-Shirts wieder zu dunklem schwarz mit hellem Aufdruck zurück gekehrt – gefällt mir für die Nachtveranstaltung deutlich besser. Auch gibt es keine 2 Funktionsshirts mehr (Teilnehmer und Finisher) sondern nur noch ein Baumwoll-Shirt auf das nach erfolgtem Lauf die Strecke und “Finisher” aufgedruckt wird. Auch nicht das schlechteste – Funktionsshirts gibt es weiterhin gegen Aufpreis.

Nach der Einweisung – wie immer: rote Bändchen rechts, gelbe Bändchen links, gelbe oder organge reflektierende Pfeile, teilweise mit Beleuchtung und zur absoluten Narrensicherheit noch Markierungen auf dem Boden mit gelber Neon-Farbe – bei der Redundanz kann man sich wirklich nicht verlaufen. Zudem liegen wieder an Gefahrenstelle rote Blinklichter oder auch Knicklichter – Respekt vor dem Organisationsteam, das die ganze Festtagsbeleuchtung vor dem Lauf rechtzeitig einschaltet und hinterher vor allem auch wieder abräumt. Auch auf die Pflicht zur Kopfleuchte für die Nacht wird nochmal hingewiesen – insgesamt alles was man für den Lauf nunmal unabdingbar wissen muss.

Ich habe dann noch versucht ein wenig zu schlafen – schließlich war ich den Tag über ja auch schon wach. Allerdings macht mir das geänderte Rahmenprogramm einen Strich durch die Rechnung – allenfalls ein wenig dösen ist drinn – besser als nichts. Passend zum Ballonglühen stehe ich dann notgedrungen auf und mache mich fertig – das Ballonglühen wurde im Vergleich zu 2009 vorverlegt damit mehr Leute etwas davon haben. Torsten hatte somit wenigstens einen Teil der Startvorbereitungen mitbekommen – die Begleitradler starten 15 Minuten vor den Läufern, damit es nachts auf den dunklen und teils engen Waldwegen nicht zu Unfällen kommt.

Am Start treffe ich nochmal Helga – sie hat einen technischen Ausfall zu beklagen – der Pulsmesser spielt verrückt und lässt sich auch so kurz vor dem Start nicht mehr zur Mitarbeit bewegen – da hilft dann nur das Gefühl. Mit einigen Minuten Verzögerung geht es dann um 23:00h auch endlich los – wie üblich ein schönes Feuerwerk zum Start. Eines ist im Vergleich zu 2009 definitiv anders – mir ist kalt – ich laufe daher im Zwiebel-Look bestehend aus langem Lauftrikot, Windjacke und einer Fleece-Weste die ich sonst bei winterlichen Trainingseinheiten verwende. Ein Läufer macht mich etwas komisch an, was ich im Winter dann wohl anziehen würde. Ich nehme das gelassen – was ich anhabe kann ich ausziehen – was ich nicht dabei habe kann mich im Zweifel nicht wärmen.

Nach dem Start geht es in Richtung Eggingen – ich unterhalte mich mit einem Läufer eine ganze Weile – wir mahnen uns beide immer wieder langsam zu machen, denn die Nacht ist noch lange und die Strecke auch. Immerhin ist man ja recht bald im zweistelligen Kilometerbereich. Nach dem gemütlichen Teil zum Warmwerden im Tal und einigen kleineren Steigungen geht es dann auch die erste langgezogene Steigung nach oben. Ich halte meine Pulsuhr fest im Blick – nur nichts überstürzen – dennoch saust der Puls gegen Ende der Steigung in ungeahnte Höhen um die 170 Schläge/Minute – so hoch wollte ich eigentlich vermeiden. Aber nachdem die Steigung überwunden ist geht der Puls gemäß der Steigung auch wieder etwas abwärts. Wir laufen nun nicht mehr entlang der Straße sondern auf einem geschotterten Weg durch den Wald – volle Konzentration sonst hat man sich schneller den Fuß vertreten als man schauen kann – aber ansonsten alles wunderbar zu laufen – im Wald ist es angenehm windgeschützt und ich ziehe das Fleece aus und binde es mir um die Hüfte.

In sanften Wellen erreichen wir dann Eggingen – erst eine Runde Iso-Getränk dann treffe ich auf meinen Begleitradler – ich bleibe nicht stehen sondern jogge langsam weiter. Zwischenzeitlich hat man einen ganz guten Blick auf die nächtlichen Dörfer und einen Ausläufer Ulms. Die Strecke windet sich durch die Felder, teilweise ist der Feldweg bewachsen und nur die Trekker-Spuren rechts und links sind sehr grob geschottert – gerade wenn es bergab geht ist das äußerst unangehm. Ansonsten ist es einfach angenehm zu laufen und ein herrlicher Anblick wenn sich die beleuchtete Läuferschlange vor einem durch die Landschaft windet.

Noch immer geht es durch die Nacht, teilweise stehen vereinzelte Gruppen an der Strecke und applaudieren – ansonsten zieht sich das Feld langsam aber sicher immer weiter auseinander. Ich lasse mich von nichts beirren und richte mich ganz nach meiner Pulsuhr – um die 150 Schläge habe ich mich eingependelt. Ich habe das Gefühl die Nacht diesmal mehr genießen zu können – ich nehme einige Details wahr, die ich so nicht mehr im Kopf hatte – einiges andere kommt mir wiederum vertraut vor. Zwischenzeitlich gibt es auch wieder Motivation in Form eines Schildes – 15km sind geschafft. Nach weiteren 5en
laufen wir auf dem Sportplatz in Erbach ein – eine größere Verpflegungsstelle mit Staffelübergabe – Kuchen, Bananen und Äpfel alles was den Läufermagen freut – ebenso gibt es wieder mal Iso-Getränk – bisher vertrage ich das ganz gut, also schütte ich weiter kräftig von dem Schmiermittel für die Muskeln in mich rein.

Nun kommt wieder eine altbekannte Strecke – entlang der Donau, besser gesagt dem Donau-Damm entlang – auf der leicht gekrümmten Strecke sieht man wieder die Läufer und Begleitradler in der Ferne – ein schöner Anblick. Zudem ist die Strecke zur Abwechslung mal angenehm flach. Zumindest bis es nach dem Wasserkraftwerk wieder moderat bergan geht. Nach einigen kleineren Hügeln geht es lange Zeit bergab zwischenzeitlich steht ein weiteres Motivationsschild – wieder 5 km geschafft. Kurze Zeit später ist es dann mit der Erholungsstrecke aber auch vorbei – rund um Unterweiler folgt eine starke Steigung auf die nächste – aber ich fühle mich noch immer gut und muss keine Gehpause machen. Aber nach den steilen Anstiegen geht es meist wieder langsam bergab – das freut auf alle Fälle mal die Gelenke und die Muskulatur in den Oberschenkeln.

Nächstes Ziel ist Illerkirchberg – der Name ist in diesem Fall ebenfalls Programm – es geht ganz ordentlich aufwärts bis nach einer Spitzkehre das Plateau erreicht ist. Kurz vor der Verpflegungsstelle steht ein weiteres Kilometer-Schild, 35km habe ich mittlerweile geschafft. Kurz vor der Verpflegung hat sich Helgas Mann postiert und macht natürlich auch gleich noch ein Foto.

Nun geht es langezogen den Bergrücken runter der Ausblick ist herrlich, auch wenn es verdammt frisch ist – Torsten liest auf seinem Fahrrad-GPS-Tacho 1,2°C ab – jetzt wundert mich auch nicht mehr, dass mir die Getränke alle so übermässig kalt vorkamen. Ich ziehe das Fleece wieder drüber um nicht übermäßig auszukühlen. Mit einigen Kehren schlängelt sich die Laufstrecke ins Illertal hinunter – die Strecke entlang der Iller habe ich in guter Erinnerung – angenehm zu Laufen und mit schönem Ausblick auf die Iller die munter neben uns im Dunkeln herplätschert. Unterbrochen wird die Idylle nur durch einen kurzen Abstecher ans Kloster Wiblingen – dort findet sich die nächste Versorgung. Kurz etwas essen und einige Fotos vor der schönen Kulisse machen, dann geht es aber auch schon weiter in Richtung Ulm. Vorher erst wieder runter an die Iller und weiter an derem idyllischem Lauf. Ich treffe auf einen Läufer der ein ähnliches Tempo wie ich läuft und wir unterhalten uns während wir uns langsam Ulm und der 50km Station nähern. So verfliegen die Kilometer die ich von 2009 als relativ zäh in Erinnerung hatte wie im Fluge.

In Ulm selbst gibt es auch eine Änderung gegenüber 2009 – die Versorgung findet nicht mehr direkt in der Bastion statt sondern im Donaustadion. Das liegt etwa 3 km weiter – ein Effekt den ich so nicht eingerechnet hatte und der mich dann doch etwas Nerven kostet – diese Kilometer wirken fast wieder wie aus Gummi. Immerhin muss man diesmal nicht über die Brücke an der Bundesstraße – eine Steigung weniger das ist auch etwas wert. Im Stadion mache ich Pause – versuche etwas mehr zu essen – auch wieder etwas Kuchen, aber so recht schmecken will er nicht – ich versuche die Pause kurz zu halten, denn 2009 hatte ich mit dem Wiederanlaufen doch erhebliche Probleme – nach 12 Minuten versuche ich es – und es geht mir ähnlich wie 2009: Mein Körper war schon voll auf Entspannung eingestellt und die Muskulatur wehrt sich. Wie auch 2009 denke ich kurzfristig an Aufhören, überwinde mich dann aber doch – und nach rund 1,5km ist die Sache auch wieder im Lot – merke für weitere Aktionen dieser Art – Pause bei 50km noch kürzer machen.

Kurz vor Ulm haben wir die Illermündung in die Donau passiert, daher joggen wir jetzt auch entlang der Donau weiter stromabwärts. Es ist jetzt irgendwie kurz nach halb fünf. Die ersten Vögel fangen an zu Singen und auch der Effekt, dass man streckenweise total alleine ohne Kontakt zu Vordermann oder Hintermann läuft stellt sich auf der Strecke wieder ein. Diese befindet sich bis Thalfingen noch auf der bayrischen Seite der Donau – und scheints ist man dort auf Läufer und Radler noch nicht so recht eingestellt – der Untergrund ist stellenweise sehr grob geschottert – das hat sich seit 2009 nicht geändert. Das macht die Lauferei nicht gerade einfacher, denn man muss sich weiterhin voll konzentrieren wo man hintritt. Immerhin ist es etwas wärmer und ich übergebe meine Fleece-Jacke an meinen Radler. Kurz vor der Brücke in Thalfingen steht dann ein weiteres Schild – 55km sind erreicht – kurz danach geht es über die Donau. An der Wasserstelle wird nochmal kurz getankt und die Kopflampe weggepackt. Dann geht es auf die lange Gerade entlang parellel zum Damm. Da sich die Kilometrierung etwas verschoben hat steht diesmal nicht irgendwo entlang der Geraden ein Motivationsschild. Das entfällt diesmal – dennoch habe ich ein Zwischen-Ziel: Einerseits das Ende der Geraden, andererseits kommt ein Läufer ins Blickfeld der etwas langsamer unterwegs ist – am Ende der Geraden habe ich beides erreicht – den Läufer eingeholt und die Gerade abgeschlossen.

Nun geht es auf Oberelchingen zu mit einem wunderschönen Blick auf die aufgehende Sonne, die glutrot über den Feldern steht. Direkt nach dem Bahnübergang steht dann auch das sehnlichst erwartete Schild – 60km liegen hinter mir. Ein Bild aus einem der Bittelschen Laufberichte kommt mir in den Sinn – “nur noch ein Marathönschen” – wie wahr, weniger als 40km liegen jetzt noch vor mir, aber ich weiß aus der Erfahrung, dass diese es nochmal so richtig in sich haben. Den Anfang im Steigungsreigen macht wohl die heftigste Steigung im ganzen Lauf aus – nicht umsonst hat sie den Spitznamen “Napoleonrampe”, erst geht es die Straße recht steil nach oben und zum Abschluss in Serpentinen durch einen Spielplatz. Ein Läufer flucht etwas auf die Steigung – ich motiviere ihn etwas – bei meinem Marathon in Frederick (USA) musste ich wegen der Hitze und der Steigungen auch viel gehen – dort hat mich die Erinnerung an genau diese Steigung der Ulmer Laufnacht motiviert – ich wusste wie man solche Fälle angehen muss. Außerdem ist nach dem steilen Anstieg auch Erleichterung in Sicht – im Kloster befindet sich eine Verpflegungsstelle. Wie üblich geht es aber vorher durch den Friedhof – ein Schelm wer böses dabei denkt.
Mein Begleitradler meint noch ich solle doch hier irgendwann einmal meine Trauung vornehmen lassen, wenn es denn soweit ist. Ich entgegne: “wenn dann aber am Tag der Laufnacht und als walktrough-wedding, denn drive-trough haben die Ammis ja schon …”.

Nach dem kurzen Stopp geht es weiter bergan, wenn auch nicht mehr so steil – immer entlang des Panoramawegs leider ist es diesmal etwas diesig und die Sicht somit nicht ganz so berauschend – aber es ist immerhin mittlerweile angenehm hell. Wir nähern uns zum zweiten Mal Thalfingen diesmal am Nordende, das Gefälle in den Ort rein mit Serpentinen hat es ganz schön in sich aber auch diese gehen irgendwann vorüber – vor allem mit der Gewissheit: “Das musst du auch wieder hoch…” In Thalfingen selbst gibt es nur eine reine Wasserstation der Feuerwehr – gut das mein Begleiter noch Studentenfutter vom letzten Stopp eingepackt hat – auf der nächste Steigung gehe ich und verspeise dabei die leicht gesalzenen Nüsse – wie leicht man einem Läufer doch eine Freude machen kann. Spontan muss ich an eine sinnvolle Erfindung aus den USA denken – “Trailmix” heißt das Zeug dort und ist eine Art “gepimptes” Studentenfutter, es ist zusätzlich leicht gesalzen und mit Schokolade (meist M&Ms) angereichert. Davon könnte ich in dem Moment gefühlt einen ganzen Eimer verdrücken (in den Staaten wird es in Dosen zu rund 1kg verkauft). Die Steigungen scheinen nun kein Ende zu nehmen – immerhin ist es immer noch vergleichsweise kühl – ich laufe noch immer mit Windjacke. In den Feldern wird mir um so bewusster wie wichtig die Jacke ist: Wir haben einen kräftigen Westwind, der uns die gesamte Zeit bis ca. 7km vorm Ziel begleiten wird.

Die Strecke führt teils hügelig durch eine größtenteils abwechslungsreiche Landschaft – immer wieder Waldstücke, dann wieder Felder. Am Ende eines Waldstückes steht eines der herbeigesehnten Schilder – 65km! Es ist noch immer vergleichsweise mild, im Gegensatz zu meinen Erinnerungen ist die Sonne diesmal herzlich willkommen – sie wärmt ein wenig und mildert das kalte Gefühl, dass der Wind in der mittlerweile auch überlasteten Funktionskleidung aufkommen lässt. Nach einer leichten Kehre taucht auch schon wieder ein Schild zur Motivation auf: 70km sind vollbracht – nur noch 30 km bis zum Ziel. So lang kamen mir die letzten 5km gar nicht vor, auch wenn sie sicherlich nicht länger oder kürzer als die anderen wahren.

Nun folgt ein Streckenstück, dass sich von 2009 deutlich unterscheidet – anstelle eine weitere Senke und dann entlang der Bahnlinie zu verlaufen, geht es diesmal auf den nördlichsten Teil der Strecke – einmal über die Autobahn A8 und dann parallel zu selbiger weiter gegen Westen. Wie gesagt, keine Senke, dafür diesmal ein leichter Hügel. Dennoch gehe ich die langgezogenene Steigung hoch – ich bin doch etwas ausgepowert. In der Ferne ist das Zentrallager der Firma Müller (Drogerie-Martk) zu sehen – auch das charakteristische Firmengebäude “Müller-Türmn ist weithin sichtbar. Es geht wieder quer zur Autobahn – diesmal nicht über eine Brücke, sondern untendrunter durch. Danach eine Steigung hoch, ich verfalle wieder ins Gehen und unterhalte mich mit einem anderen Läufer. Gemeinsam motivieren wir uns, nach der Steigung geht es flach weiter und wieder in Richtung der mir bekannten Strecke, die Brücke über die Eisenbahn kommt näher – vorher eine kleine Senke. Die Brücke gehen wir auch wieder hoch. Ich wähne schon die nächste Verpflegung kurz hinter der Kuppe – aber meine Erinnerung trügt mich – es geht noch einen knappen Kilometer durch die Bebauung bis die 75km-Station erreicht ist: Brühe, Salz, Magnesium, Hartwurst und jede Menge Iso-Getränk. Nach ein wenig Verschnaufen geht es weiter. Nächstes Ziel: Wilhelmsburg bei Kilometer 80.

Die Strecke schwingt sich nun in sanften Hügeln gen Ulm. So lange es flach ist, oder leicht bergab geht jogge ich, ansonsten schalte ich die Untersetzung zu – sprich ich gehe die Steigungen hoch. Es geht am nächsten Lager von Müller vorbei. Immer wieder ein wenig bergauf, ein wenig bergab. Ich passiere mit meinem Radbegleiter das Ortschild von Ulm (mal wieder) – die Schilder entlang der Strecke sprechen eine deutliche Sprache: “Bundeswehr-Krankenhaus” – sehen wir etwa schon so übel zugerichtet aus? Ich will es gar nicht wissen, auch wenn Torsten schon wieder fleißig Bilder macht. Wir überholen zwei Läuferinnen – eine hat scheinbar ihre Staffel schon beendet und ist ihrer Kollegin entgegen gelaufen. In der Gruppe sind wir um so motivierter – aber auch die erste Ecke der Wilhelmsburg zeigt sich, was zusätzlich für Motivation sorgt. Bei der ersten Laufnacht hatte ich in der Hochschule noch verkündet: “wenn ich die 80 geschafft habe, dann sind die letzten 20 Ehrensache” – diese Worte fallen mir auch jetzt wieder ein. Und wieder ist klar: Aufgeben? Jetzt nicht mehr bzw. nur noch wenn irgendwas gravierendes passieren sollte. Diesmal ist die Verpflegung im Burggraben aufgebaut, nicht wie 2009 im Innenhof.
Wieder eine Portion Magnesium, Kuchen, Isogetränk und Wasser. Ebenfalls vor der Burg hat sich Helgas Mann wieder postiert – nicht mehr so dick eingepackt wie in der Nacht. Auch hier ganz klar gibt es wieder Fotos.

Danach geht es weiter – nicht mehr wie bei der ersten Laufnacht den Wehrgang hinunter sondern gleich quer dazu auf Höhe des Burggrabens. Es folgt eine Strecke die liebevoll mit “Achterbahn” betitelt ist – eine gewisse Ähnlichkeit zu einer solchen ist auch nicht abzustreiten. Es geht immer wieder kleine knackige Steigungen hoch und runter – selten wirklich flach. Mittlerweile machen sich die Oberseiten der Oberschenkel langsam bemerkbar, vor allem wenn es steiler bergab geht – einfach laufen lassen geht nicht mehr. Wir laufen immer in Sichtweite der B10 und in der Ferne ist diesmal die andere Seite des “Müller-Turms” zu erkennen. Langsam nähern wir uns dem Örtchen Lehr – in der richtigen Schreibweise, innerlich fühle ich mich auch leer, aber halt mit doppeltem “e”. Der Effekt wird durch die starken Anstiege vor der Ortschaft. Um so besser, dass an der Feuerwehr schon wieder Energie und Wasser getankt werden kann – kurz danach passieren wir den Kilometer 85.

Nach einer Kuppe stehen wir vor einem weiteren Highlight der Strecke: Die “Mördersenke”, diese liegt vor dem Truppenübungsplatz der Bundeswehr. Diesmal ist die Strecke leicht anders als 2009 – nach der Senke muss man sich nicht entlang des Kasernen-Geländes den Hügel hoch und durch die Sonne quälen. Diese scheint diesmal sowieso nicht so intensiv wie damals – ein wenig mehr wäre immer noch wünschenswert. Stattdessen geht es durch ein wenig Wald auf dem Übungsplatz und am anderen Ende trifft sich die Route dann wieder – von der Strecke her dürfte es kaum ein Unterschied sein – auch die unbetreute Wasserstelle ist wieder aufgebaut. An einem der Hügel treffen wir auf ein weiteres Team aus Läufer und Begleiter – wir unterhalten uns ganz nett – auch wenn uns beiden mittlerweile jede Muskelfaser in den Beinen wehtut – nur aufgeben wollen wir nicht. Soweit es geht joggen wir – ca. einen Kilometer vor der 90km-Sation muss ich langsamer machen – es geht einfach nicht mehr. An der Station sind wir wieder gleichauf. Vor uns läuft schon geraume Zeit ein etwas außergewöhnlicher Teilnehmer her: Ein Mitglieder Bundeswehr in Uniform, Stiefeln und Rucksack. Der ist noch reichlich fit und legt ein recht ordentliches Tempo vor – an der 90km-Station ist er aber total entkräftet und pausiert noch als ich mich wieder auf den Weg mache. Noch 10km, das muss zu schaffen sein.

Die Strecke führt wieder übers freie Feld, der vorletzte Ort ist Bollingen oberhalb des Kiesentals. Bis an die Sportanlagen Bolligen sind es noch 4km, dort steht die letzte Versorgungsmannschaft vor dem Ziel. Ich fasse nochmal Energie in Form von Kuchen und Iso und dann geht es an die letzte Etappe über 6km – die Schilder stehen seit Kilometer 90 ja jetzt auch jeden Kilometer da. Geistig motiviere ich mich damit, dass ich mir vorstelle wo auf meiner Heimat-Laufstrecke ich jetz ungefähr wäre (die ist ziemlich genau 10km lang). Nach ein wenig angenhm weichem Feldweg mit Gras und Moos geht es an den Abstieg ins Kiesental – letztes Mal musste ich da Gehen, diesmal kann ich vorsichtig joggen. Ich fühle mich nicht wirklich schlecht dabei.
Bei Kilometer 96 geht es nochmal einen steileren Anstieg im Kiesental hoch. Der letzte wirklich große Anstieg. Am Gipfel steht noch eine zusätzliche Wasserstelle bereit aber ich brauch nichts, zu verlockend ist das nahe Ziel. Die lange Strecke abwärts geht recht gut zu joggen. An der Bundesstraße geht es nochmal über einen Hügel, dann vorbei an der Forellenzucht und dem Kilometer 97. Ich kann das Ziel schon förmlich riechen. Auch eine leichte Steigung jogge ich jetzt hoch – wissend, dass es die letzte wirklich spürbare ist.

Mit Kilometer 98 erreichen wir Blaustein – Torsten fährt voraus und postiert sich für ein Bild bei Kilometer 99. Es geht an die Blau, über eine kleine Brücke und dann nur noch flach entlang der Blau. Torsten macht ein Foto als ich den Kilometer 99 passiere, dann schwingt er sich wieder in den Sattel und gibt Gas, damit er ein Foto vom Zieleinlauf machen kann. Ich nehme mich auch nochmal zusammen, hinter dem Stadion vorbei, an der Lix-Sporthalle entlang, an meinem Auto und Zelt am Parkplatz nochmal rechts ab Richtung Station. leichter Anstieg bis an die Tartanbahn und dann nur noch 700m – ich gebe Gas und versuche so gut als möglich zu lächeln. Letzte Kurve und dann die Zielgerade entlang und durchs Ziel. Da gerade die Siegerehrung stattfindet, stehen auch genügend Leute an der Strecke und applaudieren – nicht nur für die Geehrten – auch für jeden Ankömmling wird Beifall gespendet. Auf der Zielanzeige stehen 11:52:37 – langsamer als 2009 aber immerhin unter 12h – Ziel erreicht.

Nach dem Lauf gönne ich mir jede Menge Getränke, Brötchen und was sich sonst noch so bietet. Ich ziehe meine dampfenden Lauschuhe und Socken aus und inspiziere mein Laufwerk eine Blase am Zehen und zwei je rechts und links an der Unterseite ansonsten alles ok. Nur Gehen fällt mir schwer und mir wird langsam kalt. Ich ziehe nach und nach wieder meine Jacke und auch das Fleece an.Bevor ich ein warmes Mittagessen zu mir nehme (zum Frühstück bin ich leider zu spät – muss ich mich nächstes Mal mehr anstrengen und noch intensiver vorbereiten) hole ich noch die Aufdrucke für die T-Shirts ab “Finischer 100km” – für mein Shirt von 2009 gibt es leider keinen Aufdruck der Kilometerzahl – den werde ich mir jetzt wohl irgendwoher selbst organisieren.

Nun lasse ich den Tag noch ausklingen im Bad Blau – der Eintritt ist mit der Startnummer kostenlos. Eigentlich dachte ich ja, ich hätte diesmal die alten Fehler nicht mehr gemacht – dennoch bin ich total verausgabt und mir ist teilweise doch noch recht kalt. Die Aufwärme-Sauna mit ihren 60°C ist leider diesmal außer Betrieb. So muss ich mit Whirlpool und warmer Steinbank Vorlieb nehmen. Ich bin so platt, dass ich erst mal 2h schlafe. Danach etwas essen, denn mir ist immer noch kalt. Ein fettig triefendes Schnitzel mit einem Berg Pommes soll Abhilfe schaffen. Mittlerweile ist der Körper eine einzige Regenerationsbaustelle – alle Muskeln schmerzen, es ist äußerst mühsam auch nur zu gehen. Aber es gibt noch andere 100km Läufer im Bad und keinem geht es anders. Danach nochmal 2h Entspannen und Schlafen im Ruhebereich. Auf dem Weg zur Umkleide fragen mich ein paar Passanten ob es mir gut ginge und was passiert sei … als ich sage, dass ich 100km gelaufen bin fällt Ihnen fast die Klappe runter. “Kann man sowas überhaupt laufen?”

Diesmal fahre ich auch nicht direkt am Samstag wieder heim – auch das eine Lehre von 2009 – so total verausgabt fährt es sich schlecht. Stattdessen gibt es noch ein Abendessen und dann haue ich mich aufs Ohr. Die Nacht ist äußerst gemischt – einerseits schwitze ich wie verrückt und mir ist mollig warm. Andererseits proben die Muskeln den Aufstand – es fühlt sich an wie Schüttelfrost und ich wache bei jedem Versuch mich im Schlafsack zu drehen vor Schmerzen auf. Am Sonntag geht es schon wieder deutlich besser – gut wäre übertrieben. Für die Heimfahrt reicht es aber allemal aus. Montag und Dienstag sind noch gekennzeichnet durch starken Muskelkater in den Oberseiten der Oberschenkel – Treppen aufwärts geht schon wieder recht gut, aber abwärtst ist jedesmal Hölle. Am Mittwoch ist der erste Tag an dem Treppenlaufen wieder ok ist.

Fazit: Die Laufnacht ist anstrengend, hat aber auf alle Fälle auch ihren Reiz. Mit den kleinen Detailverbesserungen an der Streckenführung und den zusätzlichen Versorgungspunkten wurde die ohnehin gut gemachte Veranstaltung weiter verbessert. Wenn der Muskelkater weg ist, kann man die Erinnerungen so richtig genießen. Noch weiß ich nicht, ob ich 2012 wieder mit dabei sein werde, aber eine Überlegung ist es auf alle Fälle wert. Was ich nicht mehr missen möchte ist ein Radfahrer als Begleitung – es läuft sich ungleich angenehmer, wenn man zwischenzeitlich die Jacke loswerden kann und auch ggf. mit Getränken und Energie versorgt wird, wenn man sie gerade braucht. Auch der Motivationsfaktort spielt dabei eine Rolle – man gibt einfach nicht so leicht auf. Was die Erfahrungen nach der 50km-Pause und im Ziel betrifft so muss ich weiter an mir arbeiten und werde mir auch definitiv einige richtig lange Laufstrecken jenseits der Marathondistanz auf den Plan setzen um noch besser zu werden.

Mit dem Ergebnis bin ich von der Zeit her nicht ganz zufrieden, wohl aber mit der Platzierung die sich danach ergibt. Zwar rutsche ich aus mir noch unerklärlichen Gründen im Laufe von Montag und Dienstag noch zwei Plätze in der Gesamtwertung nach hinten – Platz 61. von 148 Finishern, aber der 1. Platz in der Altersklasse (MHK) bleibt. Das hätte ich so gar nicht erwartet. Aber nichts ist unmöglich – weder 100km zu laufen noch der 1. Platz in der Altersklasse.