Die Entdeckung der Langsamkeit

Freitag nachmittag – Feierband und die Freude auf zwei arbeitsfreie Tage. Eigentlich eine prima Sache. Ich habe mich aufgemacht meine Freundin zu besuchen, uns trennen derzeit ca. 600km. Aber wir sind ja in Deutschland, haben ein gut ausgebautes (und teilweise auch in Stand gehaltenes) Autobahnnetz. Alles im Rahmen des Machbaren.

Ich kenne die Strecke Richtung Dresden mittlerweile recht gut, und habe auch im Dezember an zwei Wochenenden das Schneechaos auf der A4 durchgestanden. Mit 30 km/h hinter dem Schneepflug her ist zwar nicht unbedingt der Traum des Autofahrers, aber angepasste Geschwindigkeit und widrige Wetterverhältnisse gehören nunmal zusammen. Was will man machen. Damals habe ich einen neuen negativ Rekord aufgestellt: 10h für die Strecke bis Dresden. An einer Vollsperrung habe ich dann für die Mitfahrer den Laptop und DVDs rausgeholt, so war das Stehen wenigstens halbwegs erträglich.

Dieses Wochenende sah es deutlich besser aus: Zwar etwas Regen angekündigt aber ansonsten alles ok. Angekündigt Ferienbeginn in Sachsen (da will ich ja hin, also nichts dramatisches) und das Ende in Sachsen-Anhalt – zwar an der Strecke aber die Rückreise ist ja traditionell Samstags oder gar Sonntags). Der erste Horror: In Darmstadt an den Treffpunkt vor der Post – so voll habe ich die Zufahrt selten erlebt – und die Ampelschaltungen sind dem einfach nicht gewachsen, ganz zu Schweigen von solchen Dingen wie ÖPNV-Bevorrechtigung, der jeden Takt der Grünphase zur Utopie verkommen lässt. Aber es ist ja alles machbar und raus aus der Stadt geht es dann nach einigen Minuten Gezuckel auf dem Parkplatz auch sehr zügig.

Kurz nach Frankfurt, die erste Ernüchterung: Es stockt und staut immer mal wieder – teilweise bis zum Stillstand – ärgerlich, aber noch hoffe ich, es wird mit zunehmender Entfernung besser. Im Radio-Dienst bisher nichts zu hören was weiter behindern könnte. Es ist mittlerweile kurz nach drei.
Am Dreieck Reiskirchen läuft es erfreulicherweise recht gut, und ich habe die zarte Hoffnung von nun an zügig vom Fleck zu kommen. Keine 10 km später steht alles. Frust!
Meldung im Radio: Massenkarambolage auf der A5 (siehe auch hier: [url]http://www.nh24.de/index.php/unfaelle/41909-alsfeld-homberg-massenkarambolage-auf-a-5-fordert-13-verletzte[/url]) angekündigt ist eine Vollsperrung für eine weitere Stunde. Im Auto beginnt die Suche nach einer Alternativ-Route – und die übliche Überlegung: Lohnt es abzufahren. Während des Standes stelle ich diesmal dann fest: Den Laptop habe ich wie üblich bei mir, aber die DVDs liegen daheim auf dem Küchentisch. Schade!

Die nächste Abfahrt wird es mir zu bunt und ich fahre ab. Die ersten 30 km durch die Landschaft sind schnell gefahren, es geht gut voran und die Ansagen des Mitfahrer (nochmals herzlichen Dank) sind sehr präzise und führen uns recht schnell gen Alsfeld. Ca. 10km vor Alsfeld (dort wollen wir wieder auf die A5 drauf) kommt dann das Dicke Ende: Stau auf der B62 – ewig lang und es tut sich rein gar nichts. Ich verfluche, dass ich kein Navi oder wenigstens eine präzise Karte der Gegend dabei habe und reihe mich brav ein.
In Alsfeld wissen wir dann endlich was den Stau verursacht hat: Die Ampel dort ist einem solchen Ansturm aus der Richtung einfach nicht gewachsen – maximal 2 Fahrzeuge pro Takt und dann erst mal wieder eine knappe Minute Stillstand. Schöner Murks, den man da verbaut hat. Ich kann an Baustellen und sonstigen unkritischen Punkten den Sparwillen sehr gut verstehen und der Einsatz von günstigen, zeitgesteuerten Ampeln soll mir dort auch recht sein. Aber an einer Kreuzung von 2 Bundesstraßen, einer Autobahnumleitungsstrecke ist das definitiv am falschen Ende gespart!
Liebe Stadtplaner in Alsfeld – bitte schaut euch um nach einer Ampel die bedarfsgerecht erkennt von wo der Verkehr hauptsächlich kommt (ja sowas gibt es schon seit geraumer Zeit) und stellt euch im eigenen Interesse sowas an diesen neuralgischen Punkt. Nicht nur die sowieso schon genervten Autofahrer, sondern auch die Anwohner werden es euch danken, durch weniger Lärm und Dreckbelästigung. Oder wenn für sowas kein Geld da ist, dann schaut doch wenigstens bei einen drohenden Verkehrskollaps auf der Strecke (wenn die A5 mal wieder dicht ist), dass die Ampel abgeschalten oder durch einen Polizisten geregelt wird. Denn die Quersterecke von Alsfeld West kommend war fast gar nicht befahren, die Ampel also absolut sinnfrei und mehr Hinderung denn Regelung.

Natürlich könnte man das Problem auch an der Wurzel packen und daher der Appell an alle Leute die regelmäßig Autofahren: Haltet doch bitte ein wenig mehr Abstand. Die Physik könnt ihr nicht überlisten und der Bremsweg steigt quadratisch mit der Geschwindigkeit – als Verdeutlichung, für Leute die sich unter quadratischen Funktionen nichts vorstellen können (wenigstens das sollte aber eigentlich in der Schule doch mal rüber gekommen sein): verdopple die Geschwindigkeit und der Bremsweg vervierfacht sich. Wenn man sich jetzt anschaut was auf der Autobahn abgeht, dann ist die Katastrophe nur eine Frage der Zeit: Es wird 120km/h gefahren, mit einem Abstand der für 30 km/h ausreichend ist. Das fatale Ergebnis: das Auto steht erst 16 Mal später als der Vordermann … den und die anderen muss man dann halt mittels sanfter Gewalt überreden Platz zu machen. Was angesichts der Energie eines Mittelklassewagens (E = 0,5*m*v*v) sind wir bei rund 900 kJoule – das entspricht der Energie von einen Doppelzenter der von einem 900m hohen Gebäude geworfen wird. Alleine der Gedanke einen Doppelzentner Äpfel in solche Höhen zu tragen sollte uns den Schweiß auf die Stirn treiben. Immer mal wieder interessant sich sowas vor Augen zu führen.
Von den direkten Kosten für Schäden an Fahrzeugen mal abgesehen, ist es einfach verdammt teuer: Die Reha für Verletzte, die Kosten für den Rettungsdienst, Feuerwehr und etc. Richtig übel wird es wenn man sich überlegt wie viel Treibstoff die Leute im Stau verblasen haben ohne das er sinnvoll genutzt wurde – das sind leicht einige tausend Euro – gerade bei den Spritpreisen – vom Umweltschaden mal ganz abgesehen. Die Frage möge sich jeder selbst beantworten, der in letzter Zeit einmal an einer Zapfsäule stand. Also ein klein wenig Rücksicht auf der Straße, dazu gehört der Abstand und das Drängeln, aber auch für die langsameren Teilnehmer: Wenn möglich bitte rechts bleiben und nicht unnötig die linken Spuren ausbremsen. Am Ende gewinnen alle!

Auf der A5 ab Alsfeld Ost ging es dann halbwegs zähflüssig weiter, nach einem Pinkelstop lief es dann wider Erwarten doch recht zügig und ab dem Kirchheimer Dreieck war es dann wirklich frei – je später der Abend wurde um so angenehmer wurde es – auch wenn der Regen teilweise in Schneeregen überging, trotzdem alles gut zu fahren. Warum nicht gleich so.