Lange habe ich darauf gewartet und mich natürlich super gefreut, dass es wieder eine Laufnacht in Ulm geben würde. Immerhin habe ich zu dieser Veranstaltung historische Wurzeln – meinen ersten Lauf über 100km habe ich hier erfolgreich bestritten. Eine erste Eintrübung der Freude kam bereits im Vorfeld – die Strecke wurde grundlegend neu gestaltet – statt wie bisher einem Rundkurs rund um Ulm (in Ulm, um Ulm und um Ulm herum) wurde der Lauf in zwei Runden mit je einer 30km und einer 20km Schleife umgewandelt. Somit kommt man insgesamt vier Mal wieder im Stadion vorbei – also definitiv eine Sache für den Kopf. Aber ich war guter Dinge, denn immerhin habe ich ja auch Erfahrung mit 56 Runden für einen Marathon in Nürnberg beim LGA Indoor-Marathon. Weitere Schwierigkeiten macht mir eine Erkältung, die aber bis kurz vor dem Lauf scheinbar endlich verschwunden ist – das Training hat darunter natürlich etwas gelitten, aber ich hoffe, dass es doch irgendwie gehen wird.
Das Wetter in den Tagen vor dem Lauf lies nichts Gutes erwarten, evtl. sogar eine kurzfristige Absage lag im Bereich des Möglichen. Um so mehr machte ich mir Gedanken, als ich mit Marion als Begleitradlerin auf dem Weg zur Veranstaltung durch verschiedenste heftige Gewitterschauer fuhr. Aber vor Ort dann erst mal Entwarnung – der Lauf findet statt, die Nacht soll trocken bleiben. Zusammen mit den bereits eingetroffenen Laufkollegen von PULT schaufle ich nochmals Kohlenhydrate in Form von Spätzle, bevor ich versuche wenigstens einige Stunden Ruhe zu finden. So richtig will das aber in der Halle nicht gelingen. Das Briefing um 21:00h ist wie immer kurz und knapp und enthält alle wichtigen Informationen. An der Beschilderung wurde nichts verändert – gelbe, reflektierende Pfeile weißen den Weg durch die Nacht.
Marion bricht mit den Radlern bereits etwas früher auf, sie verpasst daher leider den Start mit Ballonglühen und Feuerwerk. Beim Ballonglühen hat bereits das Wetter zugeschlagen: Der Rasen im Stadion ist nicht befahrbar, daher stehen weniger Ballons auf dem Platz als sonst. Das tut der Kulisse aber keinen Abbruch.
Nach dem Start ist die Strecke erstmal unverändert gegenüber dem alten Rundkurs – ganz genau verorten wo wir anders abzweigen kann ich nicht, aber mir fehlt der langezogene Anstiege bei knapp 5km schon etwas – diesmal ist bis dahin noch alles flach. Die Strecke führt durch das Tal der Blau. Das ändert sich ziemlich schlagartig am ersten Versorgungspunkt – dort geht es nach einer Haarnadelkurve dann direkt in eine knackige Steigung durch einen Steinbruch über. Ich bin (wie häufiger mal) deutlich zu schnell unterwegs – mit knapp 6 Minuten pro Kilometer, teilweise sogar schneller. Aber es klappt einfach nicht mit dem langsamer Laufen.
Die Steigung zieht sich scheinbar endlos – immerhin, es taucht noch ein Motivationschild auf – die ersten 10km sind geschafft. Der Weg ist zwar eigentlich geschottert, aber wegen des Wetters stehen immer wieder Pfützen und lauern auf Läuferfüße um diese zu baden. Zudem ist der Untergrund entsprechend uneben und man muss höllisch aufpassen. So ein richtig gutes Laufgefühl wie sonst will noch nicht aufkommen.
Am Ende der Steigung ist dann auch die Vereinigung mit den Begleitradlern – die Steigung hat sich ca. 2,5km hingezogen – gut dass es auch noch eine Kleinigkeit zu Essen gibt. Nun soll es ja erst mal leichter werden – sowohl von der Streckenführung als auch vom Kopf her – mit Radbegleitung ist die Strecke angenehmer. Leider holt uns die Technik bereits wenige Kilometer später ein und ich muss eine Not-Reperatur am Fahrrad vornehmen – die Kette hatte sich zwischen zwei Ritzeln verklemmt. Finger sauber machen während dem Laufen und weiter gehts. Allerdings mache ich mir schon Gedanken wie das weiter gehen soll – zumal Marion berichtet, dass auch das Schaltwerk in der Steigung schon Probleme gemacht hat und laut Plan noch einige Steigungen vor uns liegen.
Der nächtliche Ausblick über Ulm und die Umgebung ist recht schön – ich versuche mich ein wenig zu verorten und markante Stellen der alten Strecke wieder zu erkennen. Ein Stück durch den Wald kann ich sehr gut identifizieren – hier ist man früher in der entgegen gesetzten Richtung gelaufen und war bei ungefähr Kilometer 8. Nun ist man an dieser Stelle schon bei fast 15km. Die Strecke ist nun erst einmal vergleichsweise eben bis Kilometer 20. Dort holt mich Jürgen ein und zieht von Dannen – er will es heute Nacht mal krachen lassen. Es geht nun erstmal steil bergab, und bald darauf geht es wieder eine lange Steigung nach oben bis zum nächsten Versorgungspunkt. Marions Rad streikt und sie fällt zurück – sie hofft mich demnächst wieder einholen zu können. Ich mache etwas langsamer und jogge die Steigung nach oben. Im Kopf rumort es – so ohne Begleitradler und dann auch noch diese Steigung irgendwann in ein paar Stunden nochmal – ob das gut geht …
An der Versorgung greife ich gut zu, aber Marion ist immer noch nicht da – es geht jetzt mal wieder steil bergab, aber das Gegenstück folgt gleich darauf – es geht nach Harthausen. Aus dem Ort wieder hinaus geht es noch über eine knackige Kuppe die herrlich mit roten Lichtern am Wegesrand dekoriert ist, das sieht schon toll aus. Noch immer keine Spur von Marion. Nach dem Gipfel geht es längere Zeit wieder stetig nach unten, bis man wieder in Blaustein ist. Der Weg führt dann an der Blau entlang bis ins Stadion. Die ersten 30km liegen hinter mir. Am Stadion-Ausgang treffe ich Marion, sie kann voerst nicht weiter fahren, auch die Beleuchtung am Rad hat nun den Geist aufgegeben und die Schaltung macht noch immer Zicken. Ich beschließe daher die nächsten 20km alleine zu stemmen.
Aus Blaustein hinaus geht es an der Abzweigung dann auf die zweite Schleife – teilweise laufe ich in einer Gruppe mit, teilweise aber auch wieder alleine. Im Kopf kreisen viele Gedanken, die Strecke ist auch weiterhin holprig und fordert volle Konzentration. Erste Gedanken ob es nicht besser ist, auf die zweite Runde zu verzichten kommen auf, die Motivation ist im Keller und kein Begleitradler der mich da mal mit Gummibärchen drüber hinwegretten könnte. Insgesamt bin ich ob des fehlenden Begleiters jetzt recht mager ausgestattet – 500ml Wasser, ein wenig Traubenzucker – das wars dann aber auch. Die Steigung nach Bermaringen zwingt mich dann endgültig zum Gehen. Ich nutze die Zeit mich mit Marion abzustimmen – sie kommt auf alle Fälle zur 50km Marke ins Stadion, dann sehen wir weiter. Die letzten Kilometer habe ich wenigstens einen Läufer der mich begleitet.
An der Versorung esse ich ein wenig, so richtig Hunger habe ich nicht, zudem noch etwas Iso, bevor es weiter geht. 40km liegen hinter mir, und noch immer kein Runners-High oder irgendeine Art Durchbruch von Kopfseite her. Ich laufe also weiter, die Strecke durch die Felder ist ein Wiesenweg, der total durchgeweicht ist – absolutes Gift für meine Motivation. Irgendwo um die Marathon-Marke herum tappe ich dann volle Kanne in eine Pfütze und habe danach durchgeweichte Schuhe. Innerlich ist das der Punkt an dem eigentlich alles entschieden ist: Ich habe gar keinen Bock mehr – Traditionslauf hin oder her. So quäle ich mich also weiter und nehme wenigstens noch die Versorgung in Bollingen mit, wobei meine Laune nicht besser wird. Es geht scheinbar endlos durch das Kiesental – früher war das ein echtes Highlight, denn es war der Zieleinlauf – diesmal schiebe ich irgendwie nur noch Frust und muss mich schon fast dazu zwingen nicht einfach stehen zu bleiben.
Endlich erreiche ich Blaustein – es geht durchs Stadion – Marion erwartet mich, und auch Jürgen ist wieder langsamer geworden. Beide versuchen noch mich zu überreden doch weiter zu laufen, aber ich will einfach nicht mehr. Ich melde mich bei der Rennleitung und breche den Lauf bei 50km ab. Ein T-Shirt gibt es zwar, aber das macht die Sache auch nicht besser – immerhin steht nur Finisher und nicht die Distanz darauf. Innerlich geht es mir in dem Moment total beschissen, es tobt ein Kampf zwischen Vernunft und Ego. Noch heftiger wird es als ich mich auf den Weg ins Bad Blau mache – ich habe mal wieder Schüttelfrost, weil ich mich total verausgabt habe – mit jeder Menge Traubenzucker wird es dann wieder etwas besser.
Immerhin muss ich später feststellen, dass ich nicht der einzige Aussteiger bin – von den knapp 100 gestarteten Läufern sind 30 wie ich bei 50km ausgestiegen, viele weitere haben den Lauf nicht zu Ende gebracht oder abbrechen müssen. Von meiner Zeit her wäre ich vielleicht gar nicht so schlecht gewesen, auch wenn ich das Argument beim Durchlauf nicht habe gelten lassen, sondern die Zeit sogar eher als „viel zu schlecht“ eingestuft habe (5:27).
Fazit für mich: Ich habe da definitiv eine Rechnung offen – und wenn der Lauf nochmal stattfindet muss ich da wieder hin, auch weil die Bilder und Videos der Strecke bei Tag dann doch Mut machen. Ich hoffe dann spielen auch die äußeren Faktoren wie Wetter (und somit Strecke), Erkältung und Technik wieder besser mit. So richtig zu meiner Entscheidung stehen kann ich (noch) nicht, ich hoffe das ändert sich mit den nächsten Trainingseinheiten noch etwas.