Das Wetter ist wieder deutlich besser geworden, es trocknet nach und nach alles ab. Daher geht es heute nach Bordeaux, einer der größten Städte Frankreichs. Umweltbewusst wie wir nun mal sind, machen wir das, was wir in jeder Metropole bisher auch gemacht haben: Wir testen den ÖPNV. Ich bin ja fast schon versucht, dass wir den Überlandbus nehmen der in der Nähe des Campingplatzes eine Haltestelle hat. Aber wir nehmen dann für den ersten Abschnitt doch das Auto und steuern einen der zahlreichen Park and Ride-Parkplätze an. Das klappt recht gut, schwieriger wird es dann schon, das passende Ticket zu lösen. Angeblich gibt es einen Tarif speziell für Park and Ride (4,50 EUR), aber diesen bietet der Ticket-Automat nicht an. Zudem würde dieser angeblich für alle Mitfahrer gelten, aber nur für jeweils eine Fahrt in die Stadt und wieder raus. Etwas wie eine Tageskarte für Gruppen oder Familien kennt man hier schlichtweg nicht. Wir lösen daher das nächstbeste Ticket nach bestem Wissen und Gewissen, das kostet 6,50 EUR, enthält ebenfalls das Parkticket und ist 24h gültig. Für die Fahrt mit der Tram machen wir somit wohl am wenigsten falsch.
Die Tram in Bordeaux ist recht modern, erst seit 2003 gibt es wieder eine Straßenbahn in der Stadt, historisch gab es schon einmal eine, allerdings gab es auch in Bordeaux den Irrglauben an die autogerechte Stadt, bei der die Straßenbahn als Blockade für den Autoverkehr gesehen wurde. Als Ersatz wurden Omnibus-Linien eingesetzt, diese standen dann (oh Wunder) im großen Stau, was den Nahverkehr natürlich noch weniger attraktiv machte. Nach dem Verkehrskollaps hat man sich dann doch wieder auf eine Straßenbahn zurück besonnen. Technich hat diese auch noch etwas besonderes zu bieten: Damit das historische Stadtbild nicht beeinträchtigt wird, gibt es ein spezielles System mit einer Stromschiene im Boden, da diese recht fehleranfällig und teuer ist, wurde ein kombiniertes System installiert: Wo notwendig gibt es die Stromschiene im Boden, ansonsten gibt es eine klassische Oberleitung. Was uns bereits bei der ersten Fahrt auffällt: Die Motoren sind vergleichsweis laut, zumindest in dem Fahrzeug welches wir erwischt haben. Es dauert fast 30 Minuten bis wir an der Porte de Borgogne ankommen.
Diese liegt direkt hinter der steinernen Brücke. Erstaunlich, dass erst Napoleon feststellen musste, dass hier eine Brücke echt Not tut und diese in Auftrag gegeben hat. Momentan ist auch gerade wieder einmal Instandhaltung angesagt, das ist für die Kids wesentlich interessanter als das eigentliche Bauwerk. Auf der anderen Seite der Brücke steht ein gigantischer blauer Löwe, eines der Highlights aus dem Reiseführer für Kinder. Den finden beide Jungs wiederum klasse.
Unser weiterer Weg führt uns zurück über die Brücke – merke: einfach eine Station früher aussteigen (die heißt interessanter Weise Stalingrad – mal sehen wann die umbenannt wird). Entlang der Garonne geht es nun Richtung Place de la bourse – das große Handelsgebäude in dem früher der Weinverkauf nach Übersee abgwickelt wurde. Nebendran dazu passend das Gebäude für die Abwicklung der Zölle, nicht weniger groß. Direkt davor hat man den größten (Wasser)-Spiegel der Stadt installiert. Eine leicht bergente Fläche spiegelt den Himmel und die Gebäude, betreten und bespielen ausdrücklich erwünscht. In der Nähe machen wir auch unser fast schon wieder überfällige Mittagspause.
Unsere Route führt uns nun über die Espalade de Quinconces, angeblich der größte freie Platz in Frankreich oder gar Europa – so ganz will ich das nicht glauben, er wirkt auf alle Fälle kleiner. Praktisch ist der große Baumbestand am Rand, dort ist es immerhin schattig und somit von der Temperartur her deutlich erträglicher. Wir dringen weiter in die Altstadt vor, vorbei am großen Theater und hinein in die Fußgängerzone. Die ist im ersten Moment einmal nett anzusehen mit einigen Hügeln. Allerdings stellt sich leider recht bald das Gefühl ein, das Chako Habekost bereits hinsichtlich der Weihnachtsmärkte treffsicher beschrieben hat: „Beim äne sin die Häuslscher in a Reih uffgestellt, beim onnere mehr im Krois“ … so reiht sich auch in Bordeaux leider mittlerweile ein Gechäft einer Kette an das einer anderen. Ja die Abfolge in denen man an ihnen vorbeikommt ist je Fußgängerzone / Stadt unterschiedlich, aber es wirkt alles doch ein wenig ausstauschbar.
Immerhin gibt es auch Lichtblicke, wir machen einen kurzen Snack-Stop bei einer der Orignal-Bäckereien für die Canéles, Gebäck in Mini-Gugelhupf-Form, welches es in verschiedenen Geschmacksrichtungen gibt, und das eine Spezialität der Region ist. Insgesamt kann mich das Gebäck aber nicht wirklich überzeugen. Aber das ist sicherlich Geschmackssache.
Über eine Seitenstraße geht es zur Cathedrale Saint-André. Die Kirche ist wirklich sehr groß und im gothischen Stil erbaut. Auch das Glockenspiel und die Uhr im Inneren sind gut gemacht. Der Nachwuchs macht während des Rundgangs einmal Pause. Dabei gäbe es viel zu entdecken – insbesondere ist erkennbar, dass man im Mittelalter die Kirche nicht nur als dunkles steinernes Gotteshaus wie man es klassicherweise heute kennt gestaltet hat: Viele der Pfeiler sind aufwändig bemalt und farblich verziert. Zudem gibt es natürlich auch aufwändig gestaltete farbige Kirchenfenster.
Der Turm zur Kirche ist eine Besonderheit, da der Untergrund sehr sandig ist, war es schwierig ausreichend standsicheren Grund für ein Fundament zu finden. Aus diesem Grund steht der Turm etwas abgesetzt von der Kirche. Den Aufstieg sparen wir uns, auch wenn der Überblick über die Stadt sicherlich lohnenswert wäre, aber die Kinder haben keine Lust auf die 323 Stufen und der Preis ist mit 9 EUR pro Person doch reichlich hoch. Also ziehen wir weiter zur „grande Cloche“ – der großen Glocke, das ist nicht übermäßig weit und auch definitiv noch eines der sehenswerten Bauwerke der Stadt. Eingebettet in die historische Stadtmauer und das dazu gehörige Tor.
Nun sind wir auf der Suche nach weiteren Spezialitäten die wir noch einkaufen wollen, auf der Suche gibt es auch nochmal eine Eisdiele die wir als wilkommen Energiespender nutzen. Zudem schauen wir kurz ins Kino Utopia hinein – das Programm-Kino findet sich in einer ehemaligen Kirche die schon verschiedenste Nutzungen hinter sich hat, vom Sakralbau bis hin zur Fabrik für Sardinendosen und eben jetzt als Kino.
Einige Straßen weiter finden wir dann auch einen Laden der angeblich die Spezialitäten aus Bordeaux führt, unter anderem gibt es ein Gebäck, dass sich Bouchon de Bordeaux nennt (Flaschenkorken) – eine weitere Spezialität die es laut Kinder-Reiseführer gibt, stellt selbst den spezialisierten Verkäufer vor Rätsel – irgendwie scheint es sich um eine urban legend zu handeln, denn keiner kennt das Gebäck vor Ort. Da werden wir einmal den Verlag des Buchs anschreiben und nach der Quelle fragen müssen.
Wir sind nunmehr wieder am Theater angekommen – als letzten Punkt wollen wir die „Hangars Darwin“ besichtigen, ein ehemaliges Militärgebiet auf der anderen Flussseite, was nunmehr als Künstlerviertel dient und den Kern eines neuen Stadtteil bildet. Dazu planen wir eine besondere Art des öffentlichen Nahverkehrs zu nutzen, den es sonst eher nicht so gibt: Einige Fähren kreuzen auf der Garonne und sind mit dem Nahverkehrstarif zu nutzen. Da wir uns nicht sicher sind, gehen wir noch an der Zentrales der TBM (dem örtlichen Nahverkehrsbetreiber) vorbei und fragen nach. Dort heißt es dann: Wenn ihr ohnhin P+R genommen habt, dann gilt das für alle Mitfahrer – das will zwar nicht zur schriftlichen Tarifauskunft passen, aber so nehmen wir es einfach mal als Info hin und steigen auf die Fähre. Die Überfahrt ist nicht lange, bietet aber nochmal einen ganz anderen Blickwinkel auf die Stadt.
Im neuen Viertel mangelt es noch ein wenig an Beschilderung, zumindest wenn man vom Anleger der Fähre kommt. Aber wir finden die ehemalige Kaseren dann doch recht bald. Das Areal ist gigantisch und es gibt die unterschiedlichsten Shops, natürlich alles zeitgemäß auf nachhaltig getrimmt. Für die Jungs gibt es noch ein besonderes Highlight, in einem der Hangars gibt es mittlerweile eine Skater bzw. BMX-Strecke. Da kann man stundenlang zuschauen. Die Eltern machen derweil einen kurzen Abstecher an den Getränkestand, dort gibt es ein leckeres Bier der örtlichen Brauerei (la Lune). Diese wirbt mit dem Slogan „brasse sur la lune“ (auf dem Mond gebraut). Wir bleiben noch etwas länger bis das Restaurant aufmacht, leider sind wir schon in der Nachsession, daher gibt es nur ein eingeschränktes Menü, die Burger auf die wir uns gefreut haben, fallen somit leider aus. Stattdessen gibt es nur eine Portion Pommes für jeden und noch eine Runde Getränke, noch ein Bier für die Erwachsenen, eine Limo für den Nachwuchs.
Es ist schon recht spät als wir uns dann auf den Rückweg machen. Mit der Fähre geht es nun zwei Stationen bis direkt an die Haltestelle Stalingrad. Dort merken wir dann wie spät es tatsächlich ist, wir sind bereits im ausgedünnten Takt, somit gibt es nur noch alle 20 Minuten eine Bahn bis an unseren Park and Ride. Ein Blick auf die Uhr sagt uns: es wird knapp um rechtzeitig am. Campingplatz zu sein. Bis wir eintreffen ist das Tor auch tatsächlich schon zu. Das Auto bleibt also vor dem Tor, zu Fuß kommt man ja immer noch an s Zelt.
Insgesamt hinterlässt das Angebot bzw. die Ticketauswahl im ÖPNV doch etwas Fragen, wir sind uns am Ende immer noch nicht sicher ob wir tatsächlich die alle Fahrten ein gültiges Ticket hatten. Ein Tagesticket für Familien oder Gruppen hätte ich fast schon erwartet. Auch eine brauchbare Kombination mit dem Busverkehr ins Umland wäre noch auf der Wunschliste. Von einem ticket France vergleichbar dem Deutschlandticket steht hier wohl so schnell nicht zur Auswahl.