Bereits im Herbst letzten Jahres habe ich mich für den HaWai50 in Ubstadt-Weiher angemeldet. Die Veranstaltung kenne ich bereits, sie ist nicht mit einer aufwändigen Reise verbunden und noch dazu war sie dieses Jahr sogar der Ausrichter der deutschen Meisterschaft über 50km Straße. Es ist erst die 4. Durchführung und dass es diesmal etwas besonders ist, merkt man gleich zu Beginn: Es ist deutlich mehr los und die Fahrzeuge auf dem Parkplatz sind gefühlt aus ganz Deutschland angereist. Das bedingt auch, dass die Strecke für die Eigenversorgung um ein vielfaches länger ausfällt als bei meiner letzten Teilnahme: war sie bisher direkt nach dem Start/Ziel-Durchlauf bis zum Ausgang des Campingplatz, so erstreckt sie sich diesmal auf der gesamten Zielgeraden, über fast zweihundert Meter. Zusammen mit dem Familienfanclub wuchten wir unseren Campingtisch in Position, ziemlich genau auf der Höhe des Startfelds für 6 min/km.
Startnummernabholung ist auch recht fix erledigt. Ich finde es sehr angenehm, dass man nur die Startnummer ohne großen Schnick-Schnack erhält. Wer möchte bekommt auch noch einen Beutel der DUV, aber ich habe schon mehr als genügend Turnbeutel von diversen Läufen, da brauche ich nicht noch einen. Es ist erstaunlich warm für Ende Februar, daher tausche ich noch kurz mein etwas dickeres Trikot aus Bamberg gegen das des Two-Oceon aus Südafrika. Fürs Erste ziehe ich auch noch eine Windjacke drüber.
Pünktlich um 10h geht es dann auch los, vorher noch, da es eine deutsche Meisterschaft ist, natürlich die Nationalhymne, ein wenig erinnert mich das an meinen Marathon seinerzeit in den USA in Frederick. Da es sehr viele Läufer sind staut es sich im Startbereich noch ein wenig aber das hat sich bald aufgelöst und es geht auf die erste Runde. Ich bin guter Dinge und unterhalte mich mit einigen Läufern über verschiedene andere Läufe und was wir heute so vorhaben. Für mich ist klar: Da ich letzte Woche noch eine ganz ordentliche Erkältung hatte und es die Wochen davor auch das ein oder andere Erkältungs-Symptom gab (man bekommt das ja immer frisch aus der Schule mitgebracht): Ankommen sollte machbar sein, ist aber auch das einzige Ziel für heute.
Dazu will es partout nicht passen, dass ich meine Pace nicht runter bekomme, wann immer ich auf die Uhr schaue bin ich von meinen angepeilten 5:30 min/km sehr weit entfernt – ich bin deutlich schneller unterwegs – meist knapp über 5 min/km. Mir ist dabei absolut bewusst, dass ich mich im Laufe des Rennens wahrscheinlich deutlich verlangsamen werde, die Frage ist wie lange ich das Tempo durchhalte. Es gibt zudem eine weitere Neuerung, „am Kuhrost“ eine Kurve in der Strecke mit zwei Metallgittern (vergleichbar Färist in Schweden, aber hier vorbildlich durch Teppich gesichert) steht ein zusätzlicher DJ, dort wird Musik unter dem Motto „Rock and Run“ gespielt. Zum Einstieg gibt es Fleetwood Mack mit „you can go your own way“ – dabei ist die Strecke doch heute sehr gut vorgegeben und vorbildlich markiert.
Die erste Runde ist dann auch recht fix erledigt, ich liege wie erwartet bei um die 26 Minuten brutto. An meinem Versorgungstisch werfe ich noch die Jacke ab, die Sonne kommt raus und es wird somit angenehm warm. Auch die nächsten Runden verlaufen ähnlich, auch was die Zeiten betrifft. Marion steht regelmäßig an der Strecke rund um den Campingplatz, die Jungs toben sich derweil am Skatepark aus, bekommen also auch eine ordentliche Portion Frischluft, was nach den letzten Wochenenden daheim sicherlich auch kein Fehler ist. Martion ist auch nicht entgangen, dass ich verdammt zügig unterwegs bin. Ab Runde drei mache ich auch immer einen kurzen Stopp an der Versorgung, es gibt was das Ultra-Herz begehrt: Wasser, Iso, Tee, Brühe und ein Buffet mit Crackern, Schokolade, Kartoffeln, Salz und Gummibärchen. Mehr kann man echt nicht wollen. Ich bin dennoch mit Trinkflasche am Gürtel unterwegs, denn so kann ich auch während der Runde einige Schlucke trinken bzw. die Gummibärchen länger einweichen.
Ab Runde sechs wird es dann deutlich zäher für mich, das merke ich bereits als ich den Campingplatz verlasse: Endlich bin ich in meinem Zielbereich was die Geschwindigkeit betrifft, aber auch die Energie ist dahin und gefühlt kommt von den Leckereien die ich in mich hineinschiebe aber nichts an der Muskulatur an. Ich merke auch ganz klar, dass meine regelmäßigen Trainingseinheiten selten mehr als 20km umfasst haben, ich bin bei Weitem nicht so gut im Training wie ich es vor etwas mehr als einem Jahr für Angkor Wat war. Merke: Da will ich wieder hin, also muss die kommenden Wochen der Trainingsumfang etwas nach oben hin erweitert werden – mal sehen ob das klappt, vor allem bin ich wieder einmal eine Woche beruflich in Berlin. Aber all das Nachdenken hilft nichts, davon werden Kilometer nicht weniger, also fokusiere ich mich so gut es geht auf die Strecke. Aus meinem persönlichen Versorgungsvorrat greife ich noch ein Gel ab, das mache ich eher selten, ich habe aber die Hoffnung, dass die gelösten Zucker dann doch schneller wirken.
So richtig gut wird es nicht und auf Runde 7 muss ich ein erstes Stück zügig marschieren, ich nutze die langsame Phase natürlich wie bei einem anderen Ultramarathon dann um weiter genügend zu trinken und dennoch voran zu kommen. Nach einigen hundert Metern kann ich dann auch wieder anlaufen. Innerlich bin ich sehr am Ringen mit mir, aber Aufgeben und Aufhören ist eigentlich keine Option, ins Ziel will ich auf alle Fälle und wenn es länger dauert, dann ist das eben so. Es ist natürlich etwas anderes bei einem derartigen Rundenlauf bei dem man ständig andere Läufer um sich herum hat, als wenn man eher allein irgendwo in der Pampa unterwegs ist. Passend zum Zustand spielt man am „Kuhgrill“ dann auch Linkin Park mit „emptiness machine“ – das beschreibt den Zustand meiner Energierservern ganz gut.
Am Tisch hole ich mir dann doch meine Jacke, die Sonne ist weg und es hat doch abgekühlt – wenn man jetzt auch noch gegen die Kälte ankämpfen muss ist das natürlich nicht förderlich für die Geschwindigkeit. Nach der Versorgung mache ich auch erst noch ein Stück langsam und auch um Kilometer zwei entlang der Strecke muss ich nochmal gehen. Immerhin liegen nun schon mehr als 37km hinter mir und ich freue mich schon ein wenig auf die nächste Runde, denn dann ist die Marathon-Marke fällig – in nicht einmal mehr fünf Kilometern. Und was sind schon fünf Kilometer, also Zähne zusammen beißen und wieder anlaufen. Das klappt bis kurz nach der Marathon-Marke, danach muss ich nochmal ein Stück gehen, aber es hält sich in Grenzen. Ich ziehe mich entlang der Strecke mit dem Gewissen, an jedem Punkt der Strecke muss ich nur noch einmal vorbei auf der „Ehrenrunde“ bis zu den 50km.
Beim Durchlauf durch das Start/Ziel-Zelt werfe ich einen Blick auf die Uhr, 4:28h zeigt sie an. Eigentlich sollte eine halbe Stunde doch reichen um die letzten 5km zu bewältigen. Allerdings muss ich auch nochmal an der Versorgung stoppen, dort schaufle ich alles rein was kurzfristig Energie verspricht: gezuckerte Getränke, Gummibärchen und auch nochmal ein wenig Salz. Derart gewappnet geht es für mich auf die letzte Runde. Es klappt erstaunlich gut, ich kann diese wider durchgängig joggen, wenn auch nur mit etwas mehr als 6 min/km. Somit wird es auf alle Fälle knapp hinsichtlich der 5h Marke, aber das ist mir mittlerweile echt egal. Ein letztes Mal geht es vorbei bei Rock & Run, dabei unterhalte ich mich noch mit einem Läufer der mehrfach in Biel dabei war. An die dortigen 100km möchte ich heute gar nicht denken. Mit Anbruch der letzten beiden Kilometer gebe ich ganz vorsichtig etwas Gas, behalte aber meine Geschwindigkeit im Auge um nicht übermäßig zu sprinten. Ich bin echt happy als da sKilometerschild mit der „4“ kurz vor dem Badebereich am See auftaucht – jetzt ist es wirklich nicht mehr weit und ich nehme ganz vorsichtig das Tempo doch noch ein wenig nach oben.
Als ich die Zielgerade einschwenke geht der Blick nach vorne in Richtung Uhr, aber es wird mir klar: Brutto wird das nichts mehr mit unter 5h. Bei 5:02h brutto gehe ich durchs Ziel, total fertig. Im Ziel melden sich dann auch die Erkältungsreste der Woche nochmal, ich bekomme einen tierischen Husten, allerdings hat der sich dann auch bald erledigt. Ich lasse mir die reichliche Zielverpflegung schmecken, während die Kids sich noch am benachbarten Spielplatz ein wenig austoben. Mit Marion baue ich hernach den Tisch ab und mache mich auf den Weg zu den Duschen. Dort ist es reichlich voll, aber es geht dann doch recht zügig endlich unter die warme Dusche. Während ich warte werfe ich einen Blick in die Ergebnisliste: Netto hat es doch für unter 5h gereicht, wenn auch denkbar knapp 4:59:34h stehen dort und die offizielle Bruttozeit ist mit 5:01:06 angegeben. Das macht Platz 340 im Gesamtfeld, 271er bei den Männern und in der Altersklasse Platz 42. Insgesamt waren 745 Teilnehmer am Start, in der Altersklasse haben 63 Personen die 50km bewältigt. Ich bin also nicht im gewohnten vorderen Drittel sondern deutlich abgerutscht. Wie ich auf die Schnelle nachgeschlagen habe, war ich auch tatsächlich schon einmal rund eine halbe Stunde schneller. Aber es wollte diesmal einfach nicht passen, sei es drum, Hauptsache im Ziel und wieder einen Ultra-Marathon mehr auf der Liste. Die Profis waren übrigens nach 2:53h im Ziel.
Insgesamt ist der HaWei50 eine super organisierte Veranstaltung, hinter der ein hochmotiviertes Team steht. Durch das hohe ehrenamtliche Engagement halten sich die Kosten für die Teilnahme weiterhin in Grenzen. Selbst nach der aktuellen Anpassung ist man immer noch deutlich unter einem Euro pro angebotenem Kilometer. Daran sollte sich manch anderer (und kürzerer) Lauf einmal ein Beispiel nehmen. Viele der großen Stadtmarathons haben mittlerweile Preisregionen erreicht bei denen ich es mir echt überlege ob ich da unbedingt mitlaufen möchte. Das Angebot an kleinen und häufig auch sehr viel interessanteren Läufen ist groß genug (auch wenn ich auf das ein oder andere große Event mit Sicherheit nicht verzichten möchte). Das es in diesem Jahr bei mir vom Training und der Erkältungswelle nicht hingehauen hat: Das ist das Risiko wenn man sich entsprechend früh anmeldet, damit kann ich leben und ganz klar werde ich da auch meine Lehren soweit als möglich daraus ziehen und mein Training diesbezüglich etwas anders ausrichten. Das hat natürlich Grenzen wie Job und Familie, aber ich denke es gibt da schon noch genügend Möglichkeiten die ich nicht ausgeschöpft habe.