Das Frühjahr hat Einzug gehalten, die Laufveranstaltungen werden wieder häufiger und vor allen Dingen wärmer. Dieses Jahr hatte ich ja schon das Vergnügen der Kälte etwas zu entfliehen und war beim Angkor Ultra Trail in Kambodscha. Nun steht der erste Wettkampf für 2024 in der Heimat auf dem Plan. Es geht, wie schon des Öfteren, zum Marathon an der deutschen Weinstraße. Die Erfahrungen dort sind hinsichtlich der Organisation sehr gut, der Lauf bietet sowohl landschaftlich als auch kulturell einige Nettigkeiten. Der Lauf wird aufgrund des Umfangs der Organisation nur alle zwei Jahre ausgerichtet, in diesem Jahr die 13. Ausgabe, wobei es pandemiebedingt eine Pause gab.
Die letzte Teilnahme für mich war 2022 und ich bringe diese Durchführung mit vor allem mit einem Begriff in Verbindung: „saukalt“. Zwar war es auch Anfang April, aber ich erinnere mich an Schnee und Eis rechts und links der Strecke sowie Versorgungstationen die anstelle Wasser und Iso warmen Tee ausgeschenkt haben. Heute ist das kein Thema: es ist super sonnig und die letzten Tage war es schon richtig warm. Ich bin sehr optimistisch was die Temperaturen betrifft, daher greife ich zum Singlet des Médoc-Marathon, wenn schon Weinstraße dann auch auch ein Wein-Trikot. Das ist noch etwas frisch als wir in den Shuttle-Bus ab Grünstadt steigen der uns nach Bockenheim an den Start bringt. Die Organisation läuft wie immer super und sehr entspannt. Die Familie macht sich dann auf den Weg an die Strecke, ich reihe mich im Startfeld ein. Zielzeit habe ich eigentlich keine besondere, es soll eher ein Spaßlauf werden.
Nach dem Startschuss geht es im großen Pulk durch Bockenheim, an dessen Ende ist bereits Kilometer eins erreicht und die erste Steigung des Tages liegt vor mir. Aber man ist ja noch fit, das Wetter ist gut, kein Grund langsam zu machen. Es geht durch die Weinberge nach Asselheim, die Senke ist berühmt berüchtigt, denn man muss sie gegen Ende auch wieder hoch. In Asselheim steht dann auch schon die erste Versorgung, ich greife schonmal beim Wasser zu denn mit der Sonne steigen auch die Temperaturen.
Vor Grünstadt liegt noch eine Kuppe, dann geht es dort durch die Fußgängerzone. Dort ist die Stimmung wie immer sehr gut, überall stehen Leute und feuern an, auch gibt es schon wieder eine Versorgung. Diesmal greife ich beim Apfelsaftschorle zu. Die Strecke geht aus Grünstadt raus in Richtung der Unterquerung der A6, danach ist man direkt wieder in den Weinbergen. Flach ist die Strecke nicht, aber auch nicht übermäßig steil. Ich kann es immer noch gut laufen, es liegen auch schon 8km hinter uns.
Am Ortseingang von Kleinkarlbach gilt es eine Entscheidung zu treffen: Halbmarathon oder Marathon, ein Mitläufer meint: „Hier trennt sich Spreu von Weizen“. Dabei kommen wenige hundert Meter später beide Strecken nochmals zusammen, die Halbmarathonis müssen eine kleine Schleife extra laufen damit die Streckenlänge passt. Die endgültige Trennung erfolgt dann nach der Versorgung im Ort. Für die Marathonis geht es jetzt auch wirklich ans Eingemachte, die Steigung aus dem Ort hinaus hat es in sich. Belohnt wird man mit einem schönen Ausblick über die Weinberge.
Die nächste Orte entlang der Strecke sind Bobenheim und Weisenheim, jeweils mit dem Ortszusatz „am Berg“. Das muss man auch wörtlich nehmen, denn es geht ständig auf und ab durch die Weinberge. Die Anstiege merke ich in der Pace genauso wie die Abwärtspassagen. Aber alles eine machbare Größe, es geht auf Leistadt zu, auch in diesem Ort geht es nochmal bergauf bevor es eine lange Strecke bis Bad Dürkheim ständig abwärts geht. Auf dieser Strecke unterhalte ich mich mit einem Läufer der seinen ersten Marathon läuft, insbesondere Tipps zum weiteren Streckenverlauf und der Einteilung sind begehrt.
Auch die schönste Abwärtsstrecke hat irgendwann ein Ende, nun geht es erst einmal flach durch Bad Dürkheim, bis man kurz vor Kilometer 20 die Steigung zum Festplatz erklimmen muss. Aber die Stimmung ist so gigantisch, da braucht man nicht an Gehen denken. Außerdem geht es danach ja gleich vom Hügel wieder runter durch den Kurpark. An der Versorgung fülle ich meine Trinkflasche auf, es ist nochmal wärmer geworden und da ist etwas zum Trinken am Gürtel absolut angebracht. Es folgt in gewisser Weise ja auch eine Durststrecke: Damit es auch die volle Marathondistanz wird, gibt es eine flache und recht langweilige Schleife durch die Felder vor Bad Dürkheim. Immerhin gibt es nochmals eine Versorgungsstation, teilweise laufen wir auch auf der Strecke der Rheintalquerung, ich bin ja immer noch versucht irgendwann einmal eine Kombitour auszuhecken.
Ab Ungstein wird die Strecke dann wieder anspruchsvoller, es geht wieder deutlich mehr bergan, das merke ich auch an meiner Pace. Aber noch will ich nicht gehen, auch wenn ich das bei vorherigen Teilnahmen durchaus hier schon machen musste. In Kallstadt gibt es auch die nächste Versorgung, wieder Wasser, Iso und einen Schluck Apfelsaft. Am Ortseingang überholt uns dann auch noch ein Rettungswagen auf der Strecke. Nach der Kuppe ist vor der Senke, das gilt auch hier wieder: am Ortsausgang sieht man schon den nächsten Ort Herxheim am Berg, genauso sieht man aber auch die Senke durch die man durch muss.
Als ich Herxheim verlasse liegen dreißig Kilometer hinter mir und ich fühle mich gar nicht mehr so gut, es ist gefühlt unerträglich warm geworden und ich muss mich zu jedem Schritt ein wenig mehr quälen. Immerhin geht es erst mal wieder sanft bergab und auf einen wichtigen Punkt der Strecke, Dackenheim, zu. Dackenheim ist bekannt dafür, dass es dort den Riesling-Schwamm gibt, also einen mit Riesling getränkten Schwamm den man als Weinprobe während des Laufs nehmen kann. Ich mache es an der Station diesmal aber gemütlicher und nehme einen leckeren Schluck Riesling im Glas, dazu Mineralwasser. Sozusagen Schorle „to-go“, gemischt wird im Magen beim Laufen.
Nach Kirchheim geht es wieder einmal eine Kuppe hoch, der Einlauf in den Ort ist dann aber ein langgezogenes Gefälle, das lässt sich wieder halbwegs laufen. Im Kopf läuft der Countdown an: 32km liegen schon hinter mir, nur noch 10 sind zu bewältigen. Vor der Versorgung hat sich dann auch die Fan-Tross aufgebaut, ich gebe Zeichen dass ich total knülle bin, damit man weiß ob man sich beeilen muss nach Bockenheim oder nicht. An der Versorgung greife ich nochmal zu, dahinter steht auch das nächste Motivationsschild: 33km sind geschafft.
In kleinen Zacken geht es durch Kirchheim und dann folgt eine weitere Talquerung, diesmal unterhalb der Umgehungsstraße. Ich erinnere mich an meine ersten Teilnahmen, da war die Umgehung noch in Bau und man lief dort durch die Brückenbaustelle am Talgrund. Der Anstieg neben der Brücke hat es in sich, aber mein Stolz lässt mich weiter laufen, zumal ich noch einige Läufer einholen kann. Nach der Steigung ist man auch recht bald wieder auf der Strecke in Richtung Grünstadt, ab jetzt ist die Strecke bekannt. In Grünstadt merke ich wie ruhig es an der Strecke und um mich herum geworden ist: ich habe fast die ganze Versorgungstation für mich alleine und in der Fußgängerzone ist es unglaublich still.
Laut meiner Uhr bin ich schon bei Kilometer 37, laut Beschilderung noch nicht. Dieses Jahr fallen die Unterschiede zwischen GPS und Streckenmarkierung irgendwie umfangreicher aus, ein wenig Versatz ist nicht ungewöhnlich aber mittlerweile haben sich die Diskrepanzen auf fast 400m aufsummiert, wie ich beim Passieren des Kilometerschilds für die 37km feststellen muss. Aber auch egal, der Lauf ist an der Ziellinie fertig und da will ich nun hin. Es geht nochmal leicht bergauf in Richtung Asselheim. Dort steht die letzte Versorgungstation, ich greife nochmal zu um genügend Energie für den letzten großen Anstieg, die sogenannte „Asselheimer Wand“ zu haben. Bei den letzten Teilnahmen bin ich die meist hochgegangen, diesmal will ich es wissen und jogge weiter.
Auf halber Höhe steht eine Band und macht Musik, das schiebt einen dann doch irgendwie den Berg hoch. Ich freue mich als ich endlich oben bin, nach der Einmündung auf die Bundestraße ist Kilometer 40 erreicht, also nochmal ein wenig Zähne zusammen beißen für die letzten zwei. Es sind auch wieder mehr Läufer an der Strecke, an einige kann ich mich sogar noch heransaugen, andere muss ich leider ziehen lassen. Mit leichtem Gefälle geht es auf den Ortseingang zu, dort steht das 41km Schild. Jetzt nichts übertreiben beim Schlusskilometer. Der Ort zieht sich gefühlt ein wenig hin, auch wenn die Uhr meint dass ich beim Pace nochmal eine Schippe draufgelegt habe. Endlich kommt das Haus der deutschen Weinstraße in Sichtweite und somit auf die Ziellinie, fast genau auf der letzten Kuppe steht die 42km Marke, jetzt ist wirklich Zeit für den Schlusssprint.
Endlich im Ziel! Man hängt mir meine Medaille um und ich spaziere langsam zur Versorgung. Ich merke deutlich dass ich echt am Limit gelaufen bin, um so besser dass man sich im Ziel regenerieren kann: Es gibt leckeres alkoholfreies Weizen und natürlich auch nochmal die Möglichkeit zur Weinverkostung, diesmal ganz in Ruhe. Während ich noch verschnaufe treffen die ersten Glückwünsche ein, somit Zeit für mich einmal auf die Ergebnisse zu schauen: 3:53:53 netto sind es geworden, das reicht für Platz 111. bei den Männern im Gesamtfeld und für Platz 24 in der Altersklasse. Im Vergleich bin ich trotz gefühlt höherer Anstrengung langsamer gewesen als beim letzten Mal. Heißt für mich: Mein Training war nicht ganz verkehrt aber es fehlte eindeutig am Bergtraining, auch wenn man die Temperaturen sicherlich nicht außer Acht lassen darf. Die Teilnahme für 2026 fasse ich schon mal fest ins Auge.
Die Familie ist mittlerweile auch wieder in Bockenheim eingetroffen, ich begebe mich zur Massage und Dusche – auch hier muss man wieder sagen: das ist alles super routiniert organisiert. Nach der Massage fühle ich mich schon wieder deutlich besser auch wenn ich wohl die kommenden Tage noch etwas Muskelkater haben werde. Zielsicher steuern wir unser Traditionsrestaurant in Bad Dürkheim an, um dann feststellen zu müssen dass es dauerhaft geschlossen ist. Auch bei den weiteren Restaurants im Umfeld haben wir wenig Glück: Eines dauerhaft zu, das nächste bereits vollständig ausgebucht. Am Ende landen wir beim Tennis-Club in Bad Dürkheim – passend zum Marathon ein griechisches Lokal, auch wenn ich sicherlich Lust auf Pfälzer Spezialitäten wie Saumagen und Leberknödel gehabt hätte.