Tag der deutschen Einheit – für mich seit 12 Jahren ein fester Termin im Laufkalender: Es geht zum Stadtlauf nach Nürnberg. Immerhin liegt in dieser Stadt der Anbeginn meiner Lauferei – die erste Trainingseinheit durch den Wald am Nordostpark ist mir unvergessen. Im Vergleich zu anderen Jahren wird es dieses Jahr nicht nur ein Kurzbesuch zum Laufen – die Hälfte der Woche habe ich mir Urlaub genommen und wir werden die Umgebung noch etwas erkunden. Die Anfahrt nach Nürnberg machen wir dennoch in aller Frühe, denn es gibt ein Novum für mich: Der Nachwuchs nimmt das erste Mal am Bambini-Lauf in Nürnberg teil. Der startet allerdings bereits um 11:40 – abzüglich rund 3h Fahrt plus Startunterlagen holen wird es dann doch fast ein Start in einen regulären Arbeitstag. Die Strecke ist zudem aktuell bekannt für jede Menge Staus und Unfälle, beim Fahren wird mir auch klar warum. Gefühlt reiht sich Baustelle an Baustelle – das kenne ich auch etwas anders. Immerhin ist an diesem Morgen die Verkehrsdichte nicht ganz so hoch und wir kommen sehr zügig durch.
Bereits auf dem Weg zum Startbereich vor dem Opernhaus treffen wir Helga und Heinrich der Laufgruppe „Helgas Lauffreunde“, gemeinsam geht es mit der Straßenbahn zum Start. Das Wetter spielt noch nicht so ganz mit. Auf der Fahrt hatte es sogar noch geregnet – immerhin das hat aufgehört, aber der Wind ist immer noch recht frisch und die Sonne versteckt sich noch hinter den Wolken. Im Start-Zielbereich trennen wir uns – klar die Einheimischen haben ihre Unterlagen schon vorzeitig abgeholt. Mit Glen geht es dann in die Umkleide, das Kindertrikot in der kleinsten Größe reicht ihm immer noch als Nachthemd.
Wir sind noch zeitig genug um den Start der 10km-Läufer mit zu erleben, wir feuern diese kräftig an und versuchen Heinrich zu erblicken, allerdings ohne Erfolg. Unübersehbar ist hingegen Erwin Bittel – er läuft wie immer als Besenläufer mit. Der Weg bis an den Startblock über die 600m ist dann auch nicht mehr weit – ein großer Pulk Kinder und gefühlt genauso viele Eltern wartet auf den Start. Glen traut sich noch nicht ganz alleine über die Strecke – aber 600m laufe ich ja ohne Probleme mit. Es geht vom Opernhaus weg bis ans Färbertor, dort einen U-Turn auf die Zielgerade – so kommen selbst die Kleinsten in den Genuss eines ordentlichen Zieleinlaufs. Zeitmessung gibt es noch keine – es geht alleine um die Teilnahme. Die Motivation erlebt einen kleinen Tiefpunkt kurz vor der Kehre, aber mit dem Ziel im Blick geht es dann gleich wieder leichter. Medaille abholen und vor allem: Jacke wieder anziehen – der Wind pfeift recht unangenehm. Aber der Stolz wärmt natürlich auch. Kurz nochmal in die Umkleide und den Junior-Läufer wieder umziehen – ich selbst belasse es bei kurzem Trikot und einer Windjacke.
Bis zum Start über den 21,1km ist es noch etwas hin – wir nutzen die Möglichkeit noch etwas zu essen, auch wenn ich natürlich nicht wirklich zuschlagen kann, weniger als 60 Minuten vor dem Start. Der goldene Oktober lässt weiter auf sich warten – mir ist fast schon kalt als ich mich in den Startblock einreihe – dieses Mal gleich von Anfang an recht weit vorne. Das neue Intro vor dem Start ist nett gemeint, aber in meinen Augen nicht unbedingt notwendig, zumal es vollständig synthetisch ist und genau in der gleichen Form vor dem Start der 10km-Läufer abgespielt wurde.
Nun geht es los – und ich muss feststellen: Ich stand immer noch zu weit hinten im Startblock – dank Nettozeitnahme ist mir das aber egal. Ich erinnere mich an 2007 zurück, da gab es nur eine ungefähre Brutto-Zeitnahme – es hat sich doch einiges getan seitdem. Allerdings habe ich jetzt auch den Pacemaker mit 1:45 samt der Läufertraube drum herum vor mir. Da muss ich mich erst einmal dran vorbei arbeiten, die Straße ist zwar breit aber bei der Menschenmasse ist Platz dann doch recht knapp. Auf dem Weg zum Bahnhof steht die Familie an der Strecke und feuert an.
Ich schaue ganz bewusst nicht ständig auf die Uhr, mein Traumziel von 1:30h bei diesem Lauf werde ich dieses Jahr nicht schaffen, dazu passt das Training der letzten Wochen nicht. Stattdessen genieße ich den Lauf und die Umgebung. Das Wetter hat endlich ein Einsehen und die Sonne kämpft sich mehr und mehr durch die Wolken. War mir am Start noch kalt, so kann ich nach den ersten zwei Kilometern die Jacke ausziehen und mir um die Hüfte binden. Ein kurzer Blick dann doch auf die Uhr – 9 Minuten für 2km, da bin ich glatt 30 Sekunden schneller als beim Marathon vor anderthalb Wochen unterwegs. Der Puls ist dennoch halbwegs im Rahmen, also weiter laufen im aktuellen Tempo.
Es geht entlang der Pegnitz und der Wöhrder Wiese, ehe ich es mich versehe ist Kilometer drei erreicht und gleich darauf kommt schon die erste Versorgungsstelle – ich greife einen Becher ISO ab und weiter geht es. Kurz vor der Brücke über die Pegnitz und somit dem Wendepunkt der ersten Runde fliegt auch schon das Schild mit Kilometer 4 an mir vorbei. Steil geht es von der Brücke wieder ans Ufer hinunter und dann erstmal auf die Innenstadt zu. Teilweise verlief hier meine Trainingsstrecke für lange Läufe, alles altbekanntes Terrain. Einige Sachen haben sich aber dennoch verändert – die Wasserwelt entlang der Pegnitz am Tullnaupark war lange Jahre noch eine Baustelle – mittlerweile geht der Kurs in einer Schleife durch den neu angelegten Bereich.
An der Wöhrder Wiese steht die nächste Versorgung, wieder etwas ISO als Schmiermittel für die Muskeln, bevor es an die einzige wirklich knackige Steigung des Laufs geht. Nach der Insel Schütt in der Mitte der Pegnitz geht es den Nonnensteig hinter der Lorenzkirche einige hundert Meter recht steil nach oben. Ein wenig verändert hat sich die Strecke im Laufe der Jahre auch hier ging es früher den gesamten Stich direkt nach oben, so ist seit einigen Jahren eine kleine Schleife eingebaut. Mit dieser Maßnahme hat man sich einem Zusatzschwenk am Wendepunkt gespart. Die Höhenmeter und die Anstrengung bis an die Kirche sind aber gleich geblieben.
An der Lorenzkirche hat man sich etwas neues einfallen lassen – die „Cheering Zone“ – jede Menge Menschen stehen an der Strecke und feuern an, auch Marion steht mit dem Kinderwagen dort. Ich spüre die Steigung noch etwas in den Beinen, aber ich versuche so schnell als möglich wieder Tempo aufzunehmen. Im Zickzack geht es durch die Fußgängerzone in Richtung Opernhaus – vorher natürlich noch die Besichtigung des Stadtgrabens unterhalb des Opernhauses zusammen mit der langen Rampe wieder aus dem Graben hinaus. An der Strecke steht eine Samba-Band und heizt nochmal richtig ein. Rauf auf die lange Gerade und auf zu Runde zwei.
Im Vorbeilaufen blicke ich auf die offizielle Zeitmessung: 47 Minuten sind seit dem Start vergangen – innerlich motiviere ich mich, es sind jetzt nur noch 11km, also wirklich keine Distanz mehr auf die ich große Probleme bekommen könnte. Am Hauptbahnhof steht nochmal die Familie. Es geht wieder langsam abwärts auf die Pegnitz zu. Ich merke ein wenig, dass ich wohl doch etwas zu flott unterwegs war – einige Läufer beginnen mich zu überholen. Aber das ist auch halb so wild. Bei durchgängig gutem Wetter ist an der Wöhrder Wiese immer recht viel los – dieses Jahr war es vielen Passanten wohl einfach zu nass – nur wenige hartgesottene Supporter stehen an der kleinen Fußgängerbrücke.
Das Feld hat sich merklich auseinander gezogen und ich habe jetzt richtig Platz um mich herum – ich mache mich daran den nächsten Pulk vor mir anzupeilen und die Distanz langsam zu verkürzen. Kurz vor der Versorgung kommt das nächste Kilometerschild in Sicht: 13km habe ich schon, auch gefühlt gehen die Kilometer momentan sehr schnell an mir vorbei. Zugreifen und zwei Becher ISO-Getränk tanken bevor es auf das letzte Drittel der Strecke geht – vor dem Wendepunkt gitb es nochmal eine Samba-Gruppe. Vor einigen Jahren gab es unter der Brücke auch noch Begleitung durch jemanden mit einem Akkordeon.
Im Kopf hat der Countdown begonnen – es liegen nach dem Wendepunkt noch 6km vor mir, zudem die zwei Steigungen Nonnensteig und Stadtgraben. Die Samba-Band schafft es sogar bis auf die andere Pegnitz-Seite noch hörbar zu sein und ersetzt ein wenig das fehlende Publikum entlang der Strecke. Auch wenn es mittlerweile recht sonnig ist, der Wind ist geblieben und wie ich merke kommt er fast direkt von vorn. Am Hochhaus des Tullnauparks merke ich das besonders heftig – hier pfeift der Wind förmlich um die Ecke, das kostet zusätzlich Kraft. Immerhin kann man ja kurz darauf nochmal Auftanken, dankbar greife ich beim ISO-Getränk zu.
Kurz vor der Insel Schütt sind 17km erreicht – jetzt nicht nachlassen. Allerdings zeigt meine Pulsuhr mir auch an, dass ich mich wohl mal wieder etwas verschätzt habe – der Puls liegt schon vor dem Nonnensteig fast am oberen Limit, aber das ist mir jetzt dann auch egal, es ist ja nicht mehr weit. In der Steigung kann ich nochmal einige Läufer überholen. In der Cheering-Zone ist nochmal richtig Stimmung, der Rest der Fußgängerzone ist etwas ruhiger wenn auch bei der zweiten Runde deutlich belebter. Irgendwie habe ich wohl einige Kilometerschilder übersehen, denn das nächste das ich erspähe ist die 20km-Marke. Nun ist es nur noch ein Kilometer und auch nur noch die Steigung aus dem Stadtgraben bis ins Ziel.
Die Samba-Band gibt nochmal Schwung als es in den Graben hinein geht – auf der Brücke der U-Bahnstation steht Marion und feuert mich an, direkt daneben hat eine Gruppe ein Transparent aufgehängt – „Adidas Runners CapeTown“ – ein deutlicher Wink mit dem Zaunpfahl für meine Teilnahme im kommenden Jahr am 2Ocean-Marathon eben dort. Aber jetzt heißt es nochmal anstrengen, die langgezogene Steigung kostet nochmal richtig Kraft – um so schwerer fällt es nach der letzten Spitzkehre dann noch einen Zielsprint hinzulegen. Anfänglich will mir das nicht so ganz gelingen auf den letzten 200m bis ins Ziel. Als ich dann auf den letzten Metern vor dem Ziel bin, liefere ich mir noch ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit einem anderen Teilnehmer. Kurzerhand packe ich meine Marathon-Reserven aus und ziehe dann doch noch mit deutlichem Abstand vor ihm über die Ziellinie. Mal wieder geschafft. Der Gang zur Sammeldusche in der Schule entfällt für mich dieses Jahr – in der gemieteten Ferienwohnung kann ich in aller Ruhe duschen und es gibt auch keine Probleme mit der Warmwasserversorgung.
Am Ende sind es 1:35:51 – auf die Distanz also doch recht weit ab von meinen erträumten 1:30h. Platz 185 von insgesamt 1108 Teilnehmern – immerhin unter den ersten 20%. In der Altersklasse reicht es für Platz 37. Gefühlt war ich auch schon mal etwas weiter vorne – vielleicht sollte ich doch mal ein konzentriertes Training auf die 1:30h anpeilen, auch wenn das ob meiner Traininer-Tätigkeit und dem Laufkurs wohl schwierig wird. Vor allem hoffe ich, dass bei den nächsten Veranstaltungen das Wetter wieder etwas besser mitspielt und dann auch an der Strecke wieder mehr Zuschauer stehen, das war dieses Jahr verständlicher Weise etwas weniger als sonst. Wobei ich in den vergangenen Jahren schon so ziemlich alles an Wetter auf der Strecke hatte – von warm und sonnig bis hin zu einem kurzen Graupelschauer war alles dabei – es ist eben doch irgendwie Herbst.