Vor vier Jahren war ich schon einmal in Rodgau zum bekannten 50km Ultramarathon. Damals wusste ich noch nichts von meinen Glück Papa zu werden – mittlerweile ist der zweite Sohn auf der Welt … wie die Zeit vergeht. Nachdem auch in meiner DJK-Laufgruppe der Wunsch aufkam, doch einmal in die Ultra-Region vorzustoßen, habe ich recht bald an Rodgau als Trainings bzw. Testlauf gedacht. Immerhin hat der Rundelauf mit seinen 10 mal 5km den unbeschreiblichen Vorteil, dass man nach jeder Runde aussteigen kann und dennoch nicht irgendwo im Nirgendwo steht, wie es bei den klassischen Ultras der Fall wäre.
Die Fahrt nach Rodgau ist für mich im Vergleich zu anderen Veranstaltungen ein echter Katzensprung – etwas mehr als 100km und somit ca. eine Stunde bin ich unterwegs. Vor Ort ist bereits reichlich was los – die Einweiser haben alle Hände voll zu tun. Gut dass ich mit meinem alten Kleinwagen unterwegs bin, der passt auch in kleinere Lücken. Bei der Startnummern-Ausgabe ist es sehr voll – die Schlange steht bis auf den Parkplatz. Aber es läuft doch recht zügig. Als ich an der Reihe bin, gibt es etwas Chaos – versehentlich wurde meine Startnummer bereits ausgegeben – wohl ein Fehlgriff in die Kiste mit den Unterlagen. Aber das Team bekommt das schnell und unbürokratisch auf die Spur – ich bekomme kurzerhand eine andere Startnummer ausgehändigt. Es tröstet mich, dass nicht nur bei unserem Herbstlauf gelegentlich etwas nicht ganz nach Plan läuft, sondern das auch andere Veranstaltungen mit ähnlichen Schwierigkeiten in Kontakt kommen.
Bis an den Start muss man noch ein paar Meter gehen, das Wetter ist durchwachsen – am Vortag hat es noch kräftig geregnet, heute hängt Nebel über dem Land. Immerhin, die Temperaturen sind angenehm – um die 7 Grad hat es. Das war bei meiner letzten Teilnahme deutlich frischer, da hatten wir stellenweise noch Schnee und Eis. An der Grillhütte treffe ich Lore, die zweite Teilnehmerin der DJK. Wir unterhalten uns noch kurz, bevor es in die Startaufstellung geht. Wir haben beide keine vorgegebene Zielzeit die wir erreichen wollen, vielmehr geht es ums Ankommen. Aus dem Training wissen wir aber bereits, dass es mit zusammen Laufen eher schlechter klappt, dafür ist das Grundtempo zu verschieden.
Kurz nach 10h geht es los auf die erste Runde. Noch ist das Feld sehr dicht und es sortiert sich erst ganz langsam. Ich bin mal wieder etwas zu weit hinten gestartet und somit sehr häufig mit Überholen beschäftigt. Selbst auf dem kurzen Stück Pendelstrecke bei ca. 2,5km ist das Feld noch sehr gedrängt und am Wendepunkt ist es daher sehr eng. Ich versuche im Gegenlauf noch Lore zu sehen, aber wahrscheinlich ist sie erst einige Sekunden später auf der Pendelstrecke als ich diese schon wieder verlasse. Es geht durchs Feld auf den Wald zu. In diesem verbirgt sich bei Kilometer 4 die einzige nennenswerte Steigung der gesamten Strecke. Ehe ich es mich versehe ist die erste Runde schon vorbei. Die Uhr zeigt etwas unter 30 Minuten – für mich ein gutes Zeichen, ich bin also etwas zügiger als meine angedachten 6 min/km unterwegs.
Runde zwei ist schon deutlich lockerer was das Feld betrifft – an der Versorgung greife ich warmen Tee ab und einen Salzkeks. Noch immer kann ich regelmäßig Leute überholen. Aber auch wir werden überholt – der Spitzenreiter rollt das Feld von hinten auf. Wahnsinn was der an Geschwindigkeit drauf hat. Ich mahne mich dennoch etwas zur Vorsicht – nicht überpacen, das zahlt man sonst am Ende. Auch die dritte Runde verläuft ähnlich. Immerhin gibt es an zwei Stellen an der Strecke musikalische Begleitung – gleich kurz nach der Versorgung und zu Beginn und Ende der Pendelstrecke. Die Auswahl der Musik ist bunt gemischt. In Runde vier unterhalte ich mich mit einigen Mitläufern, es geht unter anderem um die Versorgung – einige haben bereits Lust auf etwas ordentliches zu Essen und ein Weizenbier. Ich habe auch dieses Jahr auf Eigenverpflegung verzichtet – beim Gespräch kommen wir dann darauf, dass man für solche „Schlemmer-Marathons“ doch den Marathon de Vignoble d’Alsace bei Strasbourg laufen sollte. Ich bin für dieses Jahr bereits wieder angemeldet.
Wow – schon die Hälfte der Strecke ist geschafft – das ging dank Unterhaltung jetzt dann aber doch fix. 25km hinter mir und nochmal genauso viele vor mir. Ab jetzt beginne ich innerlich mit dem Abwärzzählen. Meinen Rhythmus mit Essen und Trinken behalte ich weiter bei – zum den Keksen kommen nun auch Müsliriegel und Banane. Irgendwo auf der Strecke überhole ich dann auch noch einen markanten Läufer – er zieht die ganze Strekce barfuß durch. Bei der Witterung mit Matsch, Schlamm und unbefestigten Wegen: Respekt vor der Leistung. Lustiger ist da schon das Laufkrümelmonster das ich auch überhole – leider will es laut eigener Aussage die Kekse aber nicht teilen.
Wir haben mal ausgerechnet, dass ich Lore ca. Runde 7 überholen müsste, wenn wir 6min/km und 7min/km laufen. Bisher passen meine Rundenzeiten sehr gut – ich habe keine größeren Ausreißer nach oben oder unten und bleibe konstant unter den 30 Mintuen pro Runde. Kurz nach Beginn der sechsten Runde überhole ich dann Lore – ich bin wohl doch schneller als gedacht unterwegs. Der Kontrollblick auf die Uhr sagt mir: ich bin wohl irgendwas zwischen 5:30 und 5:45 Minuten unterwegs. GPS habe ich ja nicht, also muss ich mich auf die Uhr und die Kilometerschilder am Rand verlassen. Kurz vor der Versorgung steht Lores Mann, Gunther, bereit und filmt. Auch eine Leistung bei der Witterung sich um die 5-6h an die Strecke zu stellen.
Wieder eine Runde geschafft – jetzt sind es nur noch vier, respektive 20km. Am Hügel mit dem Kilometerschild 4 habe ich mich schon gefreut: nur noch ein Halbmarathon. Die vier Runden will ich jetzt definitiv noch zu Ende bringen. Zwischenzeitlich überholt ein letztes Mal der führende Läufer. Mittlerweile ist das Feld sehr weit auseinander gezogen, es lässt sich locker laufen, auch wenn die Beine langsam schwerer werden. Noch immer überhole ich Läufer, wobei ich mittlerweile auch das Feld von hinten mindestens einmal überrundet habe – teilweise habe ich das Gefühl auch zum zweiten Mal die gleichen Läufer von hinten einzuholen. Die siebte Runde wird für mich spannend – immerhin war das beim Mannheim Marathon der Punkt an dem meine Krämpfe begonnen haben und damit die Leistung eingebrochen ist – diesmal ist bei gleicher Laufstrecke davon nichts zu spüren. Wohl auch weil ich diesmal beim Essen und Trinken alles richtig gemacht habe.
Runde 8 – noch etwas weniger als 15km liegen vor mir. Ich peile jetzt aber erst einmal eine andere Marke an – bis zum Marathon ist es nicht mehr weit und die Kür über die restlichen 8km läuft sich dann einfacher. Ich beobachte entlang der Strecke das Wetter – es hat sich seit dem Start eigentlich nicht verändert – es ist weiterhin recht neblig, auch wenn man mittlerweile etwas weiter schauen kann. Die Strecke ist in den nicht asphaltierten Bereichen mittlerweile völlig aufgewühlt – an einigen Stellen spritzt jedesmal der Schlamm beim Auftreten – entsprechend sehen auch die schnelleren Läufer aus die mich überholen.
Ich beginne im Kopf zu rechnen – laut Kilometerschild sind es jetzt noch 12km. Die Distanz wird also langsam überschaubar – wie in Nürnberg beim Indoor-Marathon erscheint vor meinem inneren Auge das Bild der Lernuhr aus der Kinderzeit. Mit jedem Kilometer schiebe ich den Zeiger ein Stück weiter zurück. Das hat sich in Nürnberg bewährt und auch hier beim Ultra klappt das recht gut. Beim Start-Ziel-Durchlauf sind es schon nur noch 10km. Zudem sind es nur noch 2,195km bis zur Marathon-Marke. Die ist an der Strecke sogar extra markiert. Der DJ nach der Versorgung spielt ein völlig unpassendes Lied: Peter Fox und Schüttel dein Speck – als ob bei der Kilometerleistung noch Speck zum Abbauen vorhanden wäre.
Auf in die letzte Runde – wie auch bei der vorletzten Runde greife ich diesmal nicht nur beim Tee zu, sondern gönne mir auch einen Becher Cola. Koffein und Zucker – das kommt zu dem Zeitpunkt recht gut. Die Musik ist diesmal auch wieder besser – AC/DC – Highway to hell … was auch immer das für die letzten 4,5km bedeuten mag… Im Kopf läuft eher Europe mit Final Countdown, ein letztes Mal geht es auf die Pendelstrecke – kurz danach sind es noch 2km. Rein in den Wald, rüber über den Hügel und dann auf die Zielgeraden. Jetzt nur nichts falsch machen und zu früh zum Zielspurt ansetzen. Erst als ich die rot leuchtende Uhr sehen kann gebe ich nochmal etwas Gas. Genau richtig – als ich die Ziffern ablesen kann, zeigt die Uhr 4:28 und einige Sekunden. Bei 4:29:30 bin ich dann auch über die Ziellinie.
Ich trinke noch eine Kleinigkeit, aber ob des widrigen und langsam auch windigen Wetters wird mir doch recht frisch. Ich gehe daher zügig in Richtung Parkplatz und von dort an die Duschen. Die Strecken sind auch hier gefühlt ultraverdächtig. Immerhin es gibt noch warmes Wasser, auch wenn die Duschen eher ein Rinnsal denn eine Dusche sind, zumindest bei dem angesammelten Dreck an den Läufern.
Am Ende bin ich 196er im Ziel, 171er Mann und 31. in der Altersklasse. Netto bin ich sogar noch einige Sekunden schneller 4:28:21. Dafür dass aufgrund des Nachwuchs das Training etwas zurück stehen musste, ein mehr erfreuliches Ergebnis. Das es für unter 4:30 reicht hätte ich nicht gedacht – ich war von 4:45 bis 5h ausgegangen. Aber wie bereits mein kurzfristiger Silvester-Marathon gezeigt hat: es geht auch mit der Grundlagen-Fitness und dem täglichen Radfahren einiges. Lore ist erst mehr als eine Stunde später im Ziel – Abwarten wäre also wohl keine gute Idee gewesen, da wäre mir dann doch sehr kalt geworden. Für jedes Jahr will ich mir den Lauf nicht ins Programm schreiben, aber um zu sehen wie fit man ist und um frühzeitig das Ziel „Ultramarathon laufen“ im Jahr abzuhaken ist er denkbar gut geeignet. Ein herzliches Dankeschön gilt neben den Veranstaltern auch Gunther Mair für die Bereitstellung der Bilder.