Drei Viertel des Jahres sind rum, und für mich dieses Jahr damit auch die Wettkampf-Saison beim Laufen. Der letzte Wettkampf für mich war der Stadtlauf am 3. Oktober in Nürnberg. Mittlerweile ist dies ein echter Traditionslauf bei mir geworden. Diesmal war ich schon zum elften Mal in Folge dabei. Über die Jahre haben sich einige Veränderungen ergeben, sowohl bei der Organisation als auch bei mir. Daher gleicht bisher kaum ein Jahr dem anderen. Bei den ersten Teilnahmen gab es noch eine manuelle Zeitmessung mit „ungefähr“-Zeitangaben und gedruckten Urkunden im Zielbereich. Mittlerweile ist seit mehreren Jahren eine professionelle Zeitmessung am Start. In diesem Jahr bin ich einmal wieder alleine in Nürnberg, auch wenn sich der 3.10. als genereller Feiertag diesmal sogar für ein verlängertes Wochenende angeboten hätte. Aber mit einem Säugling und einem kleinen Kind wäre das insgesamt in Stress ausgeartet, also fahre ich einmal wieder mit meinem Altfahrzeug die altbekannte Strecke wie zu Studentenzeiten. Stilecht bin ich natürlich wieder ökologisch korrekt unterwegs und habe meine Fahrt per Mitfahrzentrale angeboten.
Normalerweise würde ich um den 3.10. auch meine jährliche Weihnachts bzw. Lebkuchen-Saison starten, aber am Feiertag ist natürlich der Fabrikverkauf geschlossen. Daher gibt es in diesem jahr nur „flüssige“ Lebkuchen in Form von leckerem Bier aus der Brauerei Altstadthof. Mit dem Tragen der Pfandflaschen und dem Rücktransport bis ans Auto ist dann auch das Thema Aufwärmen eigentlich schon erledigt. Denn die Altstadtbrauerei liegt nicht gerade günstig wenn man mit den öffentlichen Verkehrsmitteln dort hin will. Mit dem Auto in die Innenstadt wäre aber angesichts der vielen Sperrung für den Lauf nicht zielführend (von der Parkpreisen einmal ganz abgesehen). Mit der Abholung bekomme ich auch einen ersten Vorgeschmack auf die Witterung: Absolut wechselhaft und vergleichweise kühl und windig.
Die weiteren Maßnahmen vor dem Lauf sind dann mittlerweile absolute Routine für mich: Per U-Bahn direkt ans Opernhaus, Startnummern holen, runter ins Parkhaus das als Umkleide dient, Taschen einchecken und an den Startblock gehen. Das Warten macht diesmal nicht so recht Freude, angesichts der Kälte treffe ich mich auch nicht vorab mit Helga und Heinrich. Es ist sogar noch unklar ob wir nach dem Lauf aufeinander warten können / wollen, denn nach dem Lauf im kalten Regen ist absolut nicht gesundheitsförderlich. Trotz Jacke ist mir vor dem Start noch reichlich kalt. Immerhin ein kurzer Lichtblick, als endlich der Besenwagen für den 10km-Lauf eintrifft, begleitet von Erwin Bittel. Er macht beim Stadtlauf bei jeder Wertung mit und immer am Schluss. Das er auch schneller kann, hat er wenige Tage zuvor bei einem gemeinsamen Training in Mannheim bewiesen. Ich nutze die Zeit bis zum Start dann noch ein wenig zum Aufwärmen, aber richtig warm wird mir trotzdem nicht. Das wird erst ein wenig besser als wir dichtgedrängt im Startblock stehen.
Pünktlich um 13:30 setzt sich der Pulk in Bewegung – in diesem Jahr ist es erstmalig kein orangener Lindwurm der sich durch das herbstliche Nürnberg windet. Die Trikots (welche als Startberechtigung dienen, Startnummern gibt es nicht, zur Messung nur einen Chip) sind in diesem Jahr dunkelblau/weiß gehalten. Mit Sicherheit einmal etwas neues, aber irgendwie auch schade, dass von einem sehr bewährten Schema abgewichen wird. Wie ich feststelle habe ich mich mal wieder zu pessimistisch und nicht ganz gemäß meiner Leistungsfähigkeit eingruppiert. Einige Meter vor mir startet der Pacemaker mit der Zielzeit 1:45. Diesen kann ich aber bereits innerhalb des ersten Kilometers hinter mir lassen. Es hat etwas aufgeklart, von daher sind die Ränder der Strecke rund um den Start gut gefüllt mit Publikum. Heinrich steht kurz vor dem Hauptbahnhof und macht einige Bilder, zudem hat sich gleich nach den Versorgungszelten eine Samba-Band aufgestellt die richtig einheizt.
Langsam komme ich ins Rollen und es läuft sich recht angenehm – wir schwenken auf den Verlauf entlang der Pegnitz auf die Wöhrder Wiese zu ein. Noch ist das Feld vergleichsweise dicht, aber ich überhole auch ständig langsamere Läufer. Kurz vor dem Altersheim und der ersten Versorgung bin ich schon drei Kilometer gelaufen. Ich verkneife es mir, auf die Uhr zu schauen, ich möchte mich nicht unnötig unter Druck setzen. Zumal ich die Strecke und ihre Tücken ja doch recht gut kenne. Kurz vor der Brücke über die Pegnitz steht nochmal eine Samba-Band und macht richtig Stimmung. Bei Kilometer vier geht es über die Brücke auf die andere Pegnitz-Seite und wieder gen Altstadt zu. Es läuft sich richtig gut, aber im Kopf mahne ich mich etwas zur Vorsicht, immerhin sind gerade mal 5km gelaufen. Immerhin ein Viertel ist geschafft. Kurz vor Kilometer sieben erhalte ich dann ein unfreiwilliges Erinnerungssignal – eine Kirchturm-Uhr schlägt zwei Uhr mittags. Ich bin also ca. 30 Minuten unterwegs, im Kopf läuft die Rechenmaschinerie an und meldet: „das ist gut und könnte mit um die 1:30h auf die gesamte Distanz passen“. Einerseits ist das ja eine positive Sache, dass ich so gut in der Zeit bin, andererseits liegen die fießen Stellen noch vor mir. Aber egal – jetzt geht es erst mal auf die nächste Versorgung zu. Irgendwie kommt mir die Strecke entlang der Pegnitz an einigen Stellen ungewohnt vor – ich beschließe beim zweiten Durchlauf etwas genauer hinzuschauen.
Nach der Wiese und der Unterquerung einiger Brücken und der Stadtmauer geht es auf die Insel Schütt zu. Die heißt eigentlich so, weil sie durch den Zivilisationsmüll in der Pegnitz langsam aber sicher aufgeschüttet wurde. Dieses Mal hat sie noch aus einem anderen Grund den Namen verdient: ab Beginn der Insel schüttet es wie aus Eimern. Damit einem dabei nicht kalt wird kommt nach Kilometer 8 direkt eine Einheiz-Einlage – es geht zum ersten Mal den berüchtigten Nonnensteig hinter der Lorenzkirche nach oben. Im Vergleich zu anderen Jahren empfinde ich ihn diesmal gar nicht so schlimm, muss wohl doch ein gewisser Gewöhnungseffekt sein. Im strömenden Regen geht es nun im Zick-Zack durch die Nürnberger Innenstadt – die meisten Zuschauer haben sich in verschiedene Cafés zurück gezogen. Immerhin ist ja die Hälfte bald geschafft und am Start-Zielbereich harren noch ettliche Fans aus. Ein Blick auf die Zeitanzeige sagt mir, dass ich gut dabei bin 46 Minuten seit dem Start.
Es geht wieder auf den Hauptbahnhof zu, und kurz danach erscheint auch schon das Kilometerschild 11. Nur noch 10 km, also im Prinzip eine lockere Einheit für mich. Mittlerweile hat sich das Feld deutlich ausgedünnt, so das so recht passiert ist weiß ich nicht genau, aber die Abstände zu den Läufern sind deutlich größer geworden. Das ist mit ein Grund weshalb die zweite Runde nicht mehr auf die Sperrung der Straße am Prinzregentenufer angewiesen ist sondern auf einem schmalen Fußweg direkt ans Pegnitzufer führt. Besonders kritisch ist hierbei eine Haarnadelkurve, bei dem schlechten Wetter ist die dank Laub auch richtig schön rutschig. Danach wird die Wegstrecke aber gleich wieder besser – auf Asphalt geht es weiter. Dieses Jahr muss ich mich auch nicht auf die nächste Foto-Station vorbereiten – Marion hatte sich die letzten Jahre direkt an der Wöhrder Wiese in Nähe der Spielplätze postiert.
Am Altersheim greife ich noch einen Becher Iso ab, insgesamt fühle ich mich gut und motiviere mich, jetzt nicht nachzulassen. Es reicht, wenn der Regen etwas nachlässt. Die Samba-Band kurz vor der Brücke hat sich kurzerhand unter selbige zurück gezogen. Dort hallt es nochmal kräftiger, zudem hat man nach der Querung der Brücke auch nochmal etwas davon. Zwei Drittel der Strecke liegen nun schon hinter mir. Diesmal fällt mir dann auch auf, was sich wieder einmal verändert hat in Sachen Streckenführung. Am Pegnitzufer kurz vor der Wöhrder Wiese ist eine große Baustelle, dort entsteht ein neuer Spielplatz. Die Laufstrecke führt um diese Baustelle herum anstelle wie gewohnt direkt am Ufer. Ein flüchtiger Blick auf die Uhr sagt mir, dass ich gut in der Zeit bin. Leider spinnt der Pulssensor mal wieder und zeigt mir wechselweise utopisch hohe (> 220) oder für die Belastung zu niedrige Werte an (< 100) – es bleibt mir also nur, mich auf mein Gefühl zu verlassen.
Dankbar nehme ich auf alle Fälle noch einen Becher Iso an der Wöhrder Wiese entgegen. Das Wetter hat sich mittlerweile wieder etwas gebessert, es regnet nicht oder nur noch sehr schwach. Entsprechend sind auch wieder mehr Leute an der Strecke als wir wieder über die Insel Schütt laufen. Zum zweiten Mal geht es den Nonnensteig nach oben. In der Steigung überhole ich einen etwas kuriosen Läufer: Er läuft die Strecke tatsächlich im Anzug – auch einmal etwas anderes. Wobei verkleidete Läufe eher eine Spezialität in Frankreich sind (abgesehen von diversen ausdrücklichen Faschingsläufen in Deutschland).
Nun sind es noch knapp drei Kilometer bis ins Ziel. An der Lorenzkirche hat sich Heinrich aufgestellt, ich nehme ihn erst gar nicht wahr, so sehr bin ich schon auf den Endspurt fixiert. Die Zacken durch die Fußgängerzone sind noch etwas weniger belebt und fast schon eintönig, das wird deutlich besser als ich endlich in den Stadtgraben unterhalb des Ziels einbiege. Dort gibt es auch wieder Live-Musik mit Trommeln. Noch die letzte nennenswerte Steigung vom U-Bahn-Niveau bis auf die Straße erklimmen, einen letzten U-Turn und dann geht es schnurgerade auf den Zielbogen zu. Die Steigung nimmt mir diesmal nicht ganz so viel Kraft, zumindest hatte ich schon Läufe bei denen ich sie anstrengender empfand. Auf der Zielgerade mobilisiere ich nochmal alles und überhole noch reichlich Leute. Die Zeitanzeige weißt etwas um die 1:35 brutto aus als ich sie im Zielbereich zu Gesicht bekomme. Am Ende sind es netto 1:33:25 und somit ein klein wenig langsamer als im Vorjahr, was mich ja doch etwas fuchst. Aber angesichts des Trainings will ich nicht maulen, für meine Traumzeit 1:29 müsste ich wohl einfach deutlich heftiger trainieren. Insgesamt waren rund 1200 Starter dabei, mit Platz 141 insgesamt (138. bei den Männern) und Platz 22 in der Altersklasse bin ich doch recht weit vorne dabei. Und nächstes Jahr habe ich den Lauf ja auch wieder eingeplant.
Nach der Verpflegung im Ziel gehe ich recht bald weiter, denn der Wind ist super frisch und ich sowohl von Innen als auch von Außen klatschnass. Während ich meine Sachen hole und mich auf den Weg zur Dusche mache, stimme ich mich noch mit Heinrich ab – da ich früh dran bin reicht es mir tatsächlich sogar noch wieder am Zielkanal zu sein bevor Helga durchs Ziel kommt. Wir unterhalten uns noch etwas während wir uns auf den Heimweg machen. Da ich recht zeitig wieder losfahren muss, reicht es in diesem Jahr leider nicht für ein gemeinsames Abendessen – aber immerhin liegen noch rund 300km Autobahn vor mir. Für mich gibt es einmal lecker Pizza in der Osteria in der Pirckheimer Straße – die Pizzen sind stadtbekannt für ihre Größe – genau das Richtige für ausgehungerte Läufer.