Nachdem ich dieses Jahr ja schon in Molsheim beim Marathon du Vignoble d’Alsace teilgenommen habe, ist mir natürlich auch der Marathon in Strasbourg und Kehl ins Auge gefallen, zudem gab es gleich zwei Berichte von Team Bittel – einen von Andrea und einen von Bernadette – das las sich alles recht gut. Noch dazu wenn man es mit einem Versuch bei Oma für den Nachwuchs kombinieren kann. Den Marathon gibt es noch nicht all zu lange, von daher ist auch die Teilnehmerzahl insgesamt überschaubar, noch dazu findet am gleichen Tag der Marathon in Frankfurt statt, was für viele der Abschluss der Laufsaison ist. Aber ich scheue ja doch ein wenig diese Mega-Veranstaltungen – wenn es schon mehr als 10 Minuten dauert bis man nach dem Startschuss über die Startlinie kann, dann weiß man dass man bei einer ganz großen, professionellen Veranstaltung dabei ist – wo wirklich auf alles und jedes geachtet wird. Für Bestzeiten sicherlich nicht verkehrt, aber ein wenig Flair drum herum darf es dann doch schon sein.
Das Abholen der Unterlagen direkt am Place Kléber ist in wenigen Minuten erledigt, die Messe drum herum ist recht überschaubar – insgesamt alles sehr nett gemacht. Man merkt das die Leute das wirklich gerne machen. Wir haben uns dazu entschieden zumindest für die Abholung nicht bis ins Zentrum zu fahren, der Platz ist mit den öffentlichen Verkehrsmitteln sehr gut zu erreichen – und noch dazu günstiger als das Parkhaus.
Eine Besonderheit hat der Lauf noch: Er findet am Wochenende der Zeitumstellung statt – gut, dass es von Sommer auf Winterzeit ist – so kann man wenigstens nicht verschlafen – im Zweifel ist man eine Stunde zu früh da, aber es steht auch nochmal ausdrücklich an den Aushängen. Zudem gibt es noch Armbänder mit verschiedenen Farben für verschiedene Zielzeiten – darauf abgedruckt sind die Kilometer-Zeiten und einige wichtige Punkte mit Zeitangabe, wann man diese für die angepeilte Zielzeit passiert haben muss. Ich habe durch die Herbstlauf-Organisation und meiner Tätigkeit als Lauftreff-Betreuer für den Kurs von 0 auf Herbstlauf bei der DJK nicht wirklich die Zeit gehabt mich auf den Lauf vorzubereiten. Vielmehr will ich ihn einfach mal mitlaufen und sehen was passiert. Dennoch entscheide ich mich bei den Bändern für die 3:30h – ob ich das wieder erreichen werde weiß ich nicht – zumal mich die Woche vorher noch eine Erkältung ziemlich geplagt hat.
Am Tag des Rennens habe ich mit Marion einen Vorteil – die Oma und eine Freundin wollen sich um unseren Nachwuchs kümmern. So sind wir recht früh schon am Place Kléber. Was leider fehlt sind Toiletten in irgendeiner Form – man muss recht weit laufen bis man überhaupt eine findet. Hier sehe ich etwas Nachholbedarf, Platz wäre mehr als genügend da – oder es fehlt einfach nur eine passende Ausschilderung.
Ich verabschiede mich von Marion und reihe mich im Startblock ein – ich denke eigentlich richtig zu stehen, bis kurz vor dem Start der Pacemaker mit der 4:00 Zielzeit sich vor mir einreiht – recht hektisch schiebe ich mich noch einige Reihen nach vorne – so langsam wollte ich dann doch nicht unterwegs sein. Kurz darauf fällt der Startschuss – ich beginne mich zu sortieren und überhole erst mal reihenweise Läufer – leider ist bei den Pacemakern nur schwer zu erkennen, welche Zielzeit diese haben – die Fahne, die sie bei sich tragen ist gut sichtbar, aber nur auf dem Rücken steht die Zielzeit. In der Masse lande ich dann irgendwann hinter dem 3:15 Pacemaker – noch fühlt sich alles gut an bei mir. Ich beschließe da erst mal nicht noch weiter nach vorne vorzustoßen – ist es doch deutlich schneller als geplant und ohne Training.
Die Strecke führt am Kanal entlang durch ein Industriegebiet in Richtung Rhein bzw. Europabrücke. Noch kann ich mit der Gruppe sehr gut mithalten und ich beschließe es erst einmal zu versuchen. Es geht in mehreren Schleifen durch die Gartenschau und dann auch schon geht es über die Brücke – mehr als 6km liegen schon hinter mir, mit dem Erreichen der deutschen Seite sind es schon 7 – das erste Sechstel ist also genommen.
In Kehl versuche ich Marion zu finden, als wir durch die Fußgängerzone laufen, allerdings laufe ich noch immer im Pulk – später werde ich erfahren, dass Marion ebenfalls Probleme hatte mich überhaupt zu sehen vor lauter Läufern. Langsam windet sich die Straße aus Kehl heraus und es geht auf die herrlich sonnigen Herbstfelder hinaus – alles leuchtet in kräftigen Farben. So ganz langsam beschleicht mich ein ungutes Gefühl bezüglich der Geschwindigkeit – ich setze mir daher erst einmal ein Zwischenziel – bis zur Halbmarathon-Marke will ich am 3:15 Pacer dranbleiben und dann nach der Brücke über den Rhein weitersehen. Kurz vor Marlen haben wir ja auch schon 15km geschafft – dann sind es nur noch 6 bis zur Hälfte.
An den Versorgungen greife ich immer kräftig zu – Bananen und Apfel sind erfahrungsgemäß für mich das Richtige, auch wenn um mich herum viel schon zu Gels greifen. Der Weg führt immer in der Nähe des Rheindamms entlang – teilweise durch die Kieswerke – es ist also deutlich Abwechslung an der Strecke geboten. Mit zunehmendem Zeit sind auch die Zuschauer recht und links der Strecke endlich aufgestanden und spenden Applaus und Motivation.
Kurz vor der Brücke schwenken wir parallel an die Landstraße ein – in der Ferne ist schon die Wechselstation für die Duo-Läufer zu sehen – der Lauf wird aus Platzgründen nicht genau an der Halbmarathon-Marke geteilt sondern in 20km und 22,195km. Die Versorgung dazu ist etwas chaotisch und nicht klar erkennbar – ich verpasse sie daher – mittlerweile ist der Pacemaker auch schon ein gutes Stück vorraus, aber ich lasse ihn ziehen. 1:36h brutto zeit die Zeitmessung zur Halbzeit kurz vor der Brücke.
Nun folgt der lange Anstieg – fast einen Kilometer lang geht es kontinuierlich nur bergauf, bis man endlich am Gipfel und somit auch schon wieder in Frankreich ist. Kurz vor dem Brückenfuß hat sich Marion postiert, hier sehe ich sie diesmal auch. Ich lasse sie wissen, dass ich zu schnell unterwegs bin und das Tempo wahrscheinlich nicht halten kann. Ich muss mich jetzt bereits ziemlich quälen – locker laufen geht nicht mehr. Immerhin kommt das nächste Kilometer-Schild in Sichtweite: 24km habe ich schon geschafft. Die Pulsuhr zeigt mir klar: Zu schnell, aber der Puls will auch einfach nicht runter – klassischer Anfängerfehler am Anfang zu schnell loszulegen. Immerhin hole ich auch immer wieder Läufer ein, interessanter Weise auch eine ganze Reihe Staffeln (Ekiden), diese sind zusammen mit den Duo-Läufern doch 45 Minuten früher als die Marathonis gestartet. Aber gerade ist jeder Läufer den ich überholen kann sehr willkommen, das baut mich wieder etwas auf – auch wenn andere mich überholen was mich natürlich innerlich fluchen lässt – denn eigentlich sollte ich das ja mittlerweile besser wissen.
Kurz nach Kilometer 26 kommt auch die nächste Versorgung ich greife zu und die Energie braucht man auch wenige Meter danach – es geht über eine größere Landstraße – natürlich als Brücke. Immerhin entschädigt bald darauf eine schöne Strecke am Rhein-Rhône-Kanal entlang – leider nur wenige Meter, dann geht es am Bagersse vorbei – immer noch schön durch den herbstlichen Baumbestand und am Golfplatz vorbei. Immerhin Kilometer 28, also zwei Drittel liegen jetzt hinter mir. Zähne zusammenbeißen, das letzte Drittel wird auch noch irgendwie gehen. Die kommende Versorgung hat auch etwas passendes dafür griffbereit – Zucker pur als Würfel. Ich lutsche den Block und spüle mit ordentlich Wasser nach. Schlecht nur, dass der Effekt nicht übermäßig lange anhalten wird.
Die Strecke geht in mehreren Verschwenkungen durch Illkirch-Graffenstaden – immer wieder stehen Leute an der Strecke und motivieren die Läufer. Wenn nur nicht meine Beine so super schwer wären. Kurz nach Kilometer 31 steht auch Marion nochmals um Fotos zu machen – direkt nach einer kleinen Anhöhe mit des Franzosen liebsten Verkehrsregelung: Ein Kreisverkehr natürlich. Mit der Motivation, dass er ja nur noch ein „Herbstlauf“ ist läuft es sich schon wieder etwas leichter, aber flüssig und locker wäre etwas anderes. Immerhin teile ich innerlich die Reststrecke jetzt in Herbstlauf-Abschnitte ein – jeweils etwas mehr als 3km hat eine Runde.
Wir überqueren die Ill, den Fluss an dem Strasbourg liegt. Hier ist an einigen Stellen nochmal Konzentration gefordert, denn es gibt einige Kurven, Poller und Drängelgitter – aber es stehen an jeder gefährlichen Stelle Helfer und weißen auf die Gefahr hin, vorbildlich. Den Anstieg über die A35 nehme ich tapfer joggend, viele Läufer um mich herum müssen hier auf „gehen“ zurückschalten – also kann ich doch gar nicht so schlecht sein. Immer am Rand der Bebaung geht es nun zielsicher auf das Zentrum zu. Erleichtert stelle ich fest, dass ich bereits Kilometer 36 erreicht habe – nur noch 2 Herbstlaufrunden. Jetzt nur nichts überstürzen. Der Blick auf die Uhr sagt mir: Mit hoher Wahrscheinlichkeit reicht es für unter 3:30, selbst wenn ich jetzt die Geschwindigkeit noch weiter drosseln müsste. Aber langsamer will ich eigentlich ja nicht werden – egal was die Muskulatur gerade dazu meint. Die Waden fühlen sich jetzt schon bockelhart an.
Immer am Fluss entlang wird die Strecke immer urbaner, es stehen immer mehr Menschen an der Strecke. Etwas nervig finde ich die Radfahrer die es gut meinen und verschiedene Athleten anfeuern, dazu aber ständig um einen herumschwirren wie Fliegen. Man muss auf diese noch zusätzlich Rücksicht nehmen. Bei Ultra-Läufen habe ich weniger ein Problem mit den Begleitradlern – dort ist das Feld in der Regel so weit gestreckt, dass es keine schwierigen Situationen gibt. Immerhin verweisen auch eine Streckenposten die Radler der Strecke bevor diese wieder etwas enger wird. Kurz nach Kilometer 39 ist nochmal Verpflegung – es gibt Apfel und Banane für mich.
Nur noch 3km – das muss jetzt einfach gehen – die Waden geben mir deutlich zu verstehen, dass sie nicht amüsiert sondern deutlich sauer sind (im wahrsten Sinne des Wortes, übersättigt mit Laktat). Die Ponts couverts (überdachte Brücken) sind schon zu sehen – danach ist es wirklich nicht mehr weit bis an den Kléber-Platz. Leider haben die Veranstalter noch einige Meter gebraucht und man läuft eine hübsche Schleife um den Platz vor den Brücken. Die Brücke ist sicherlich ein Highlight der Strecke – ich wünschte ich könnte sie ein wenig mehr genießen, aber es ist alles nur noch sehr gequält.
Eine weitere Schikane hat Strasbourg dann kurz vor Schluss noch zu bieten – das historische Kopfsteinpflaster. Das kenne ich zwar aus Nürnberg vom Stadtlauf, dort finde ich das aber weniger schlimm, denn es sind nur wenige hunderte Meter. Hier zieht sich die Strecke jedoch mehr als einen Kilometer über diesen schwierigen Untergrund – noch dazu mit mehr als 40km in den Beinen. Immerhin, es ist nur noch etwas mehr als ein Kilometer. Ich mobilisiere was noch irgendwo an Energie zu finden ist, es gilt noch einige kleine Brücken und Anstiege innerhalb der Stadt zu bewältigen. Selbst der Zieleinlauf geht bis Kilometer 42 ganz leicht bergan – vorbei am Gutenberg-Platz mit dem Karusell – auf dessen Höhe steht Marion und informiert mich: Unter 3:30 ist auf alle Fälle machbar. Endlich kann ich auch den Zielbogen sehen – um mich herum ist nicht viel los, leider auch kein Läufer den man noch einholen könnte, dennoch mache ich so gut es geht einen Endspurt. Endlich geschafft – ich will eigentlich nicht mehr. Auf der Uhr sehe ich, dass die 3:30 tatsächlich noch nicht durchgelaufen sind. Es könnte fast reichen meine eigene Bestzeit aus Mannheim eingestellt zu haben. Aber in der Erinnerung bin ich das leichter gelaufen.
Nach dem Ziel gibt es Medallien und ein schickes, schwarzes langarm-Trikot – endlich einmal etwas anderes als nur Trikots. Langarm kann man jetzt im Herbst und Winter fürs Training natürlich um so besser brauchen. Ich gönne meinen Muskeln Erholung und kippe mehrere Becher Iso-Getränk in mich hinein, dazu Bananen, Rosinen und Gewürzbrot. Das kenne ich schon vom 105km Lauf – einfach lecker.
An der Massage ist vergleichsweise wenig los – ich komme fast direkt an die Reihe. Während der Massage habe ich ganz ordentlich Krämpfe in den Waden, aber auch darauf sind die Physios vorbereitet und ich bin bei weitem nicht der Einzige der derart massive Probleme hat.
Beim Verlassen der Massage lasse ich dummerweise meinen Trinkgürtel liegen, aber der Lauf ist sehr gut organisiert – als ich einen Tag später eine e-mail schreibe, ist er gefunden worden und kann abgeholt werden. So einen Service lobe ich mir (auch wenn es natürlich mal wieder beweist, dass man nach einem Marathon irgendwie nicht ganz zurechnungsfähig ist).
Fazit: Die Strecke ist sehr schön gemacht und bis auf die wenigen Brücken mit Steigung und den einzigen deftigen Anstieg an der Halbmarathon-Marke durchgängig flach. Sie eignet sich also durchaus auf um auf Bestzeiten zu spekulieren. Die Organisation ist sehr gut, beim nächsten Mal werde ich die Unterlagen wohl direkt am Starttag abholen. An den Versorgungsstationen hätte ich mir etwas mehr Isogetränk (es gab meines Wissens nur Wasser) und ggf. auch Salz gewünscht. Hier werde ich beim nächsten Mal ggf. auf eigene Versorgung zurückgreifen. Was mir auch eine Lehre ist: Nicht unvorbereitet die nächst Bestzeit anpeilen und sich gleich von Beginn an einen Pacer hängen den man für machbar hält – lieber den Pacer in der Entfernung lassen und im eigenen Tempo laufen – im Endeffekt wäre die Zeit wohl die gleiche gewesen, aber bei weitem nicht so verkrampft. Ich habe trotz Massage noch mehrere Tage nach dem Wettkampf steinharte Waden.