2007 hatte ich aufgrund einer Wette mit meinem THW-Kollegen angefangen zu laufen. Es sollte der MLP-Marathon in Mannheim sein. Ich hatte gewettet, dass wir kein Team aus 4 Leuten für den Lauf zusammen bekommen würden. Der Einsatz recht simpel: Wenn sich 3 Läufer finden, bin ich der 4te, der 10km oder auch etwas mehr läuft.
Am 09.05.2009 war es zum 3. Mal soweit: Der Lauf startete und ich war dabei. Im Vergleich zum ursprünglichen Team-Marathon habe ich mich natürlich gesteigert. 2008 waren es 21km. Mein Kollege fiel einige Tage vor dem Start verletzungsbedingt aus, der Ersatzmann konnte und wollte nur 10 km laufen. Aus der Not eine Tugend gemacht und zum 1. Mal mehr als 21 km am Stück gelaufen. Diese Aufteilung haben sich wohl mehrere Laufpaare gewünscht. So wurde 2009 genau dieses Streckenteilung erstmalig angeboten, ebenso wie die reine Halbmarathonstrecke. Für mich ging es 2009 um die magischen 42 km. Weiter kann ich mich bei dem Lauf nicht mehr steigern.
Der Dämmerungsmarathon ist mittlerweile eine beachtliche Veranstaltung mit diversen Wettbewerben, vom Kindermarathon über Inliner und Handbiker bis zum Marathon ist für jeden etwas geboten. Das Besondere an diesem Lauf: Man startet erst um 18:30 h, läuft also in die Dämmerung oder je nach Geschwindigkeit bis spät in die Nacht hinein. Das sorgt für angenehme Temperaturen und auch die Beleuchtung (teilweise mit Fackeln) ist ein Erlebnis.
So stand ich kurz vor dem Start in meinem Startblock. Es waren insgesamt über 1.500 Starter. Bis ich die Start-Linie überquerte vergingen fast 7 min. Dann konnte es endlich losgehen. Würde ich es unter 3:30 h schaffen? (mein absolutes Traumziel). Schließlich steckte mir noch der Lauf aus Bamberg vom letzten Wochenende in den Knochen. Also nichts überstürzen und mein eigenes Lauftempo finden.
Bereits kurz nach dem Start auf der Augusta-Anlage (herrliche Allee in Mannheim) nahm ich einen wichtigen Meilenstein: Der 3:59-Pacemaker samt seinem Läufertross war überholt. Kurzer Blick auf die Pulsuhr? Alles im grünen Bereich. Aber nichts überstürzen, schließlich waren es ja noch 41 km.
Zielstrebig bewegte sich der Läufer-Lindwurm durch die Vororte Mannheims. Mein erstes Fernziel: Seckenheim, ein Vorort 10 km vom Stadtzentrum entfernt und eines meiner Trainingsziele bzw. eine Trainingsunde. Alles vertrautes Terrain, die Strecken und Kurven konnte ich gut einschätzen. Nebenher unterhielt ich mich mit einigen anderen Läufern. Da war jemand der lief den Marathon, um seine Abiturnote in Sport aufzubessern! Andere hatten keinen Startplatz mehr in Mainz bekommen und waren auf Mannheim ausgewichen. Es waren lockere Gespräche über den weiteren Verlauf der Strecke: Wenn man ein Eingeborener ist, wird man gleich nach den Tücken gefragt, so von wegen Steigungen und Co.
Nach der Umrundung Seckenheims auf der Umgehungsstraße mit wenig Publikum, ging es nach dem Wendepunkt (mit einer ersten kleinen Steigung) durch den alten Ortskern zurück. Eine echte Abwechslung. Jede Menge Leute an der Strecke, viele Anfeuerungsrufe und sehr schöne Stimmung. Es schien als war der ganze Vorort an der Strecke vertreten. Ganz nebenbei hatten wir auch den km10 passiert. Bei km13 wurde es hektisch und gedrängt, die 1. Wechselstation für die Team- und Paar-Läufer. Jetzt nur nicht aus der Ruhe bringen lassen von den frisch gestarteten Teamläufern.
Soweit bisher kein Problem. Puls im grünen Bereich, teilweise sogar deutlich unter Trainingspuls. Also ein klein wenig anziehen. Zurück durch die Vororte Neuostheim und Oststadt, immer wieder kleinere Gruppen die anfeuerten und Mut machten. Einfach schön. Entlang des Luisenparks (Park der Gartenschau 1975), ein kurzer Blick in Richtung Himmel, da braute sich was zusammen und es wurde doch kühl. Auch die Luft roch schon nach Regen. Aber bisher noch kein Tropfen. Das hätte mich auch demotiviert. Weiter ging es Richtung Innenstadt, am Nationaltheater vorbei, Richtung Wasserturm und fast wieder am Start vorbei. Ab in die „Fressgass“, eine der Hauptverkehrsadern der Innenstadt. Ihren Namen hat sie nicht von ungefähr: Unzählige Restaurants, Feinkostläden und Cafés säumen sie. Mittlerweile war ich schon 20 km unterwegs. Auf der Hälfte der „Fressgass“ lichtete sich dann das Läuferfeld ziemlich schlagartig: Die Halbmarathonis zweigten ab und liefen dem Ziel am Wasserturm entgegen. Übrig blieben die Teamläufer, die Paarläufer und natürlich die Königsklasse. Am Ende der „Fressgass“ kurz vor den Brücken nach Ludwigshafen hatte sich meine Familie eingerichtet und feuerte mich lautstark an. Das gab noch mal richtig Schub. Dieser Schub war auch bitter nötig, schließlich ging es jetzt auf einen vergleichsweise öden Teil der Strecke, auf die lang gezogene Brücke nach Ludwigshafen. Diese geht nahtlos in die Hochstraße Ludwigshafens über. Leider ist dort fast gar kein Publikum, und der Wind pfeift einem um die Ohren. Und diese scheinbar endlos lange Asphalt-Gerade vor einem. Aber nicht aufgeben, einfach weiterlaufen und die Reste des Sonnenuntergangs genießen. Und mich darüber freuen, dass ich die erste Hälfte kurz nach Beginn des Anstieges hinter mich gebracht hatte.
Abwechslungsreicher wird es, wenn man von der Hochstraße in die Innenstadt Ludwigshafens vordringt, wieder vermehrt Leute, die einem Beine machen. Diese wurden so langsam schwer. Irgendwie bekam ich zu spüren, dass ich bisher hauptsächlich Halbmarathons und ein entsprechendes Training dafür betrieben hatte. Aber Aufgeben? Nicht mehr jetzt!. Das war um so härter als kurz nach der 2. Wechselstation die Strecke wie ausgestorben schien. Nur noch wenige Läufer und fast kein Publikum über mehrere Kilometer. In dem Vorort wurde kurzzeitig für Abwechslung gesorgt, aber so richtig motivieren konnte mich das nicht, einfach viel zu kurzweilig. Und als Volksmusik zum anfeuern versucht wurde, dachte ich „ich steh im falschen Film“. Also nix wie weg.
Aber wie man weiß, vor jedem Runners High steht ein Runners Low. Kurz nach dem Wendepunkt der Strecke in Ludwigshafen war es soweit: Nach einem kurzen Zwangsstopp an einer Hecke (ich hatte zuviel getrunken) ging es auf einmal wie von selbst. Auf der einen Seite fühlte ich mich total ausgepowert auf der anderen war da irgendetwas das mir ständig sagte „Niemals aufgeben, niemals kapitulieren!“ (Zitat aus Galaxy-Quest). Und so lief ich einen Kilometer nach dem anderen. Und oh Wunder: Da stand ein Schild km33. Jetzt war der Rest noch einstellig und ich um so entschlossener: Das ziehst du jetzt durch!
In der Ludwigshafener Gartenstadt ging es für Ludwigshafner Verhältnisse ordentlich zur Sache, viele Leute saßen vor ihren Häusern, immer wieder Anfeuerungsrufe. Mitten im bunten Treiben befand sich die letzte Wechselstation der Teamläufer. An einem der Aktionspunkte gab es eine Ansage. Nur wenige Läufer vor mir hatte der 1.000 Läufer den Punkt passiert. Na ja ein wenige früher wäre mir lieber gewesen. Aber immerhin mal etwas Orientierung. Der Blick auf den Pulsmesser: Deutlich höher als normal! Klare Zeichen der nicht gewohnten Belastung. Und auch meine Traumzeit konnte ich mir aus dem Kopf schlagen. Neues Ziel: Wenn möglich unter 3:45 h bleiben, auf alle Fälle aber unter 4:00 h. Das war realistisch.
Nun galt es noch eine letzte Gemeinheit der Streckenführung zu meistern: Das Ziel liegt in Mannheim. Und von Ludwigshafen aus ist das nur über Brücken zu erreichen. Also wieder rauf auf die verlassene Hochstraße mit ihren Steigungen und lang gezogenen Kurven. Vor allem aber: Fast kein Publikum. Öde. Mit dem Auto bin ich die Strecke schon häufig gefahren. Irgendwie hätte ich schwören können: Die ist doch topf-eben. Die Realität sieht leider ein wenig anders aus: Auf der gesamten Hochstraße gibt es diverse kleinere Höhen und Tiefen und nach mittlerweile 37 km merkte man jede einzelne davon.
Schließlich ging es über den Rhein und ein wichtiges Etappenziel war erreicht: Das Ortschild von Mannheim. Jetzt war es wirklich nicht mehr weit, „nur noch die Innenstadt durchqueren und dann hast du s gepackt!“ Kaum von der Brücke herunten, wurde die Stimmung schlagartig besser. An der letzten Getränke-Station noch mal Cola, Wasser und Apfelsaft abgreifen und eine Banane einschieben. Meine Familie hörte ich zwar laut rufen, wahrgenommen habe ich sie vor lauter Konzentration aufs Kauen aber nicht mehr. Und zudem gab es noch etwas, das die Motivation steigerte: Ein Schild mit der Aufschrift „40 km“! Die letzten Kilometer waren angebrochen. Irgendwie Zeit mich langsam auf den Endspurt vorzubereiten. Aber es war rein gar keine Kraft mehr da, um mich noch irgendwie zu steigern.
Noch ein kurzer Haken an die Jesuiten-Kirche in Mannheim, vorbei am Barock-Schloss und dann die „Kunststraße“ hinauf zum Wasserturm. Die Straßen füllten sich, überall stürmische Anfeuerungsrufe und Musik, auch wenn mir immer noch nicht nach Beschleunigen zu Mute war. Nur noch 1 km, der durfte doch kein Problem mehr sein. Endlich, das Ende der Kunststraße, freier Blick auf die Jugendstil-Anlage des Wasserturms. Noch eine halbe Runde um die Grünanlage, das Zieltor schon fest im Blick. Und da flog auch km42 an mir vorbei. Mit einem Mal war da noch massig Energie zur Verfügung und ich setzte zum Zielspurt an: „Die Läufergruppe da vorne – die kriegst du noch!“ Und sogar noch einen Läufer mehr als geplant überholte ich auf der Zielgeraden.
Ein echt geniales Gefühl: Geschafft und gleichzeitig total erleichtert.
Ich konnte es selbst nicht glauben. Laut Pulsmesser war ich bei 3:40 h durchs Ziel gelaufen. „Ziel erreicht!“.
Im Ziel noch eine kurzes Treffen mit den Teamläufern des THW. Ich hatte entlang der Strecke immer wieder Ausschau gehalten, aber niemanden entdecken können. Das Team war einige Minuten vor mir im Ziel. Wenn ich das gewusst hätte! So ein Zugpferd hätte mich auf den letzten Kilometern aus der Reserve locken können. Aber es sei dem Team gegönnt. Schließlich habe auch ich einmal mit einer solchen Strecke angefangen 😉
Am Tag danach: Wenig Muskelkater, das hätte ich schlimmer erwartet. Und natürlich der Blick auf meine offizielle Zielzeiten: 3:39 h (255. im Gesamtfeld und 32. in meiner Altersklasse). Für den 1. Marathon bin ich absolut zufrieden, auch wenn „nach oben“ noch Luft ist.
Momentan bereite ich mich auf meinen nächsten großen Lauf vor, etwas Verrücktes: Die lange Ulmer Laufnacht mit 100 km Strecke. Diesmal klares Ziel: Nur ankommen. Die Zeit ist egal. Von dieser Tour werd ich auch ein paar Bilder mitbringen 🙂